Z. Bär

Ina


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sitzen und betrachtete sie. Ina konnte nur hoffen, dass er bereits betrunken genug war, um sich am nächsten Tag nicht mehr an ihre Worte zu erinnern. Doch leider machte er nicht den Eindruck betrunken zu sein. Was, wenn er nun direkt zu Nilia ging und ihm davon berichtete? - Das wäre verheerend gewesen. Ina wollte aufstehen und gehen. Aber Kadir hielt sie an ihrem Arm fest und hinderte sie aufzustehen. „Ich werde gehen, Miss Ina“, er sah sie eindringlich an und fuhr fort: „In fünf Minuten komme ich zurück. Wenn sie dann noch hier sind, werde ich mich zu ihnen setzen und so tun, als ob sie das nie ausgesprochen hätten. Wenn sie nicht mehr hier sind, werde ich mich damit abfinden. – Aber sie sollten mir die Gelegenheit geben, ihnen meine anderen Seiten zu zeigen. Die sie in den letzten drei Jahren nicht zu Gesicht bekamen. Ich war ihr Ausbilder – Jetzt bin ich es nicht mehr“, diese letzten Worte betonte er merklich, machte eine kurze Pause und fuhr fort: „Auch ich habe Kontakte. – Wenn sie nicht meinetwegen bleiben wollen, sollten sie einfach eine günstige Gelegenheit nutzen und ihrem Gönner zeigen, dass sie mehr drauf haben als Kilven“, damit stand er auf und ging. Ina blieb atemlos und mit rasendem Herzen sitzen. Sein Verhalten war – seltsam. Sie sollte eine günstige Gelegenheit nutzen. Er war Kapitän und hatte mit Sicherheit viele Kontakte. Ina leerte das Glas Talila in einem Zug. – Es lag an ihr, was sie aus ihren Möglichkeiten machte. Also – Also mach! Auch wenn sie Kadir hasste, sie konnte ihn benutzen. Es war nur dieser Abend, bloss einige Stunden. Nilia würde erst in zwei bis drei Stunden auftauchen und dann wäre sie Kadir wieder los. Sie würde sich überwinden und das Beste aus der Situation herausschlagen. Wie hilfreich Kapitän Kadir wirklich war, würde sich zeigen. Wenn er überhaupt wieder kam. Nur ein Narr würde, nachdem was sie ihm an den Kopf geworfen hatte, wieder kommen.

       Als ob er die Sekunden gezählt hätte, tauchte er nach genau fünf Minuten wieder auf. Sichtlich zufrieden über die Tatsache, dass Ina noch da sass. Sie wurde nervös. Wie sollte sie sich verhalten? So tun als ob nichts gewesen wäre? Kadir setzte sich wieder auf den Stuhl neben ihr und reichte ihr ein weiteres Glas Talila. Sie atmete tief durch und nahm es an. „Also, Miss Ina, was bieten sie mir für meine Kontakte?“ Sie schluckte leer. Natürlich hätte sie damit rechnen müssen. Kein Seraner tat etwas umsonst. Und schon gar nicht wenn man ihm fünf Minuten zuvor sagte wie widerlich man ihn findet.

       Ina bemühte sich um einen sanften Ton: „Der Lohn fällt unterschiedlich aus. Je nachdem wie nützlich ihre Kontakte sind“, an diesen Worten wäre sie beinahe erstickt. Aber sie lehnte sich dabei in seine Richtung und schenkte ihm ein charmantes Lächeln. Kadir musterte sie lange: „Versprechen sie mir ein Abendessen.“

       „Ein Abendessen?“ Dabei rechnete sie schon zusammen – zwei Stunden jetzt, ein Abendessen konnte sie gut und gerne in einer Stunde hinter sich bringen. – Das war erträglich. „Was ich ihnen biete, ist mehr Wert. Aber ich beschränke mich darauf. – Vorerst“, er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah sich in dem Saal um während er auf ihre Zustimmung wartete. „Einverstanden.“ Zufrieden nahm er einen Schluck Talila: „Bevor sie sich in eine Konversation stürzen, sollten sie einige Informationen über die betreffende Person haben. Das dort ist Arai. Er war früher beim Militär, hat dann aber zur Politik gewechselt. Er ging mit Nilia zusammen auf die Rekrutenschule. Arai’s Vater war ein hochrangiger Offizier und doch war Nilia erfolgreicher. – Arai war schon fast verheiratet. Aber dann interessierte sich Nilia für dieselbe Frau. Arai fiel aus dem Rennen – Nilia gewann.“ Kadir's Worte drangen so deutlich und unverhüllt in Ina’s Ohren, dass sie sich unmöglich verhört haben konnte. „Nilia’s Frau wollte Arai heiraten?“ Obwohl es deutlich genug war, benötigte Ina eine weitere Bestätigung.

       „Ja. Arai hat sich danach für eine andere entschieden, deren Familie nicht so einflussreich war. – Er glaubt, dass er es deshalb zu nichts gebracht hat. Aber es lag auch daran, dass er einfach kein Talent hatte. Als Senator ist er besser. Er macht Nilia das Leben schwer“, Kadir winkte einen Kellner heran und nahm zwei Gläser Talila. Eines davon reichte er Ina. Schon alleine für diese Information hätte er ein Abendessen verdient. „Das dort ist Sebiha“, er deutete auf einen Botschafter in weisser Robe. „Sein politischer Einfluss ist kaum abzuschätzen. Irgendwie schafft er es, mit allen Parteien ein gutes Verhältnis zu pflegen. Er stammt aus einer sehr guten Familie, schon sein Vater war Botschafter. – Er hat die Verträge mit den Tuma ausgehandelt und im Moment steht er im Gespräch, die Verträge mit der neutralen Vereinigung zu erweitern.“ Sebiha sah zu ihnen, als wüsste er, dass sie über ihn sprachen. Kadir hob kaum merkbar seine Hand leicht an, darauf nickte Sebiha ihm zu. „Da ist Sefo“, er deutete auf einen alten Mann der am Stock ging und dessen Rücken gekrümmt war. Ina hatte schon viel von Sefo gehört, ihn aber noch nie zu Gesicht bekommen. Natürlich hatte sie sich ihn anders vorgestellt. „Er ist ein exzentrischer Narr. Stellt sich gegen jede Veränderung und natürlich gegen alle Einflüsse von aussen. Sie sollten sich von ihm fern halten. Er wirft Botschafter Sebiha noch immer vor einen Fehler gemacht zu haben, als er die Verträge mit den Tuma abgeschlossen hat.“ Dabei ging es bei diesen Verträgen nur um den Waffenstillstand. Wie konnte das ein Politiker nicht gutheissen? „Eigentlich hasst er alle Botschafter. Sefo ist zu alt um noch bei der Politik mitzureden, aber bedauerlicherweise ist sein Einflussgebiet noch sehr gross.“ Es ging eine Zeitlang so weiter. Kadir gab ihr nützliche Informationen über jeden Senator und Offizier den er sah. Manche Dinge waren ihr bereits bekannt, andere noch nicht. Ina sog alle Informationen auf und hoffte, sich alles merken zu können. – Ein Notizbuch wäre jetzt praktisch gewesen. Die Flut der Informationen war gewaltig. Unmöglich sich alles einzuprägen. Ab und zu schweifte Kadir’s Blick auf ihren Hals. „Das mit ihrem Hals tut mir leid.“ Es dauerte einige Sekunden bis Ina reagieren konnte, sie rechnete mit weiteren Informationen zu einem Offizier, aber nicht mit so etwas. Unbeabsichtigt griff sie mit ihrer Hand an den Hals. Sie hatte es beinahe vergessen. „Es war ja ihre Pflicht“, antwortete sie in selbstgefälligem Ton. „Das war es.“ Ina reagierte nicht darauf. „Sie sind eine gute Kämpferin“, fügte Kadir weiter an. „Nicht gut genug. - Ich habe verloren.“

       „Sie hätten vielleicht gewonnen, wenn ich nicht die Regeln verletzt hätte“, Kadir achtete auf ihre Reaktion als er das sagte. Ina lächelte, sagte aber nichts dazu. Es war unwahrscheinlich dass sie gewonnen hätte. Gegen ihn hatte noch nie ein Rekrut gewonnen und vielleicht auch sonst niemand. Er drückte seine Augen etwas zusammen: „Sie wussten, dass dieser Griff nicht erlaubt ist.“

       „Ich kenne die Regeln.“ Doch immer wenn sich ein Rekrut auf die Regeln berief, wurde ihm gesagt, dass es im Krieg keine Regeln gäbe. „Wieso haben sie es nicht eingewendet?“ Ina biss sich auf die Zunge, damit nichts Dummes ihren Mund verliess: „Uns wurde beigebracht es hinzunehmen. Sie waren nicht der einzige der gegen die Regeln verstossen hat. Und abgesehen davon spielte es keine Rolle mehr, es war die letzte Woche.“ Kadir betrachtete sie lange: „Wollen sie Revanche? – Ohne Regelverstoss.“ Ina sah ihn von der Seite an. Revanche. Noch einmal verlieren. Darauf konnte sie durchaus verzichten. „Weshalb bieten sie mir das an?“ Kadir lehnte sich näher zu ihr: „Ich nutze gern jede Gelegenheit zum üben.“ Sicher doch. Eher nutzte er eine weitere Gelegenheit sie zu quälen. „Sie Unterrichten an der Rekrutenschule – können sie dort nicht genug üben?“

       „Ich kehre zurück in den Dienst.“ Sie dachte einen Augenblick nach. Ina wollte auch nicht aus der Form kommen. Natürlich konnte sie mit Kilven trainieren – aber sie kannten einander zu gut, es war nicht dasselbe. Doch mit Kadir? Darauf hatte sie keineswegs Lust. Nur, wie würde er reagieren, wenn sie ablehnte? Vielleicht würden dann keine weiteren Informationen seinen Mund verlassen. Eine Stunde und sie hatte soviel erfahren wie selten zuvor. – War es das nicht Wert? Wohlmöglich würde sie bei einem Kampf weitere Dinge in Erfahrung bringen. „Wann und wo?“ Seine Gesichtszüge wurden zunehmend zufriedener: „Morgen.“

       „Nein. Sie werden mir doch etwas Vorbereitungszeit zugestehen?“ Dabei schenkte sie ihm ein überzeugendes Lächeln. „Dann entscheiden sie.“

       „In einigen Tagen.“ Irgendwie hoffte sie jetzt doch diesem Kampf zu entgehen und ihm nicht mehr zu begegnen. „Sebiha“, Kadir erhob sich und reichte Sebiha freundschaftlich die Hand. Ina stand ebenfalls auf, und beobachtete ihre Begrüssung. Offenbar kannten sie sich gut. Sebiha warf einen neugierigen Blick zu Ina, bis Kadir sie vorstellte: „Das ist Miss Ina.“ Sie reichte Sebiha ihre Hand zur Begrüssung: „Es ist mir eine Ehre, Botschafter Sebiha“,