Z. Bär

Ina


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hätte ihnen beibringen sollen, ihre Meinung für sich zu behalten.“ Neven! Wer war er, dass er sich das Recht herausnahm über Neven’s Erziehungsmethoden zu sprechen? Das letzte Bisschen ihrer Beherrschung fand an dieser Stelle ein Ende. „Vielleicht hätte er das tun sollen. Vielleicht hat er es getan. Vielleicht sollte ich ihren Rat annehmen und vielleicht sollte ich mich sogar bei ihnen entschuldigen. Aber vielleicht sollten sie einfach mit ihrem Spiel aufhören. Ich habe nicht vor, mich von ihnen oder sonst irgendjemandem durchschauen zu lassen!“ Nun hatte sie sich ihm zugewandt. Ihre Augen fesselten seine. „Aufhören? - Haben sie Angst zu versagen?“ Er setzte ein zweifelhaftes Lächeln auf. Ina lachte: „Sie haben bereits versagt Sir. – Ich könnte also mit meiner Niederlage sehr gut leben“, ihr Tonfall war herablassend. Dann stand sie auf, ging zwischen dem kleinen Tisch und Kadir durch, beugte neben Kadir ihren Oberkörper hinunter, legte dabei eine Hand auf sein Bein, die andere auf die Stuhllehne und flüsterte in sein Ohr: „Halten sie meinen Platz frei, ich komme wieder wenn sie sich in angenehmerer Gesellschaft befinden.“ Kadir’s Augen klebten einen Moment an ihrer Hand auf seinem Bein, bis er hörte was sie sagte. Er sah sie an. Als sie sich wieder aufrichtete, suchte sie seinen Blick. Sie wusste, dass Sebiha sie beobachtete und jedes ihrer Worte hören konnte. Ohne Sebiha noch eines Blickes zu würdigen verliess sie die beiden. Marschierte stolz quer durch den Saal zur Tür hinaus. Auf dem Weg dorthin sprach sie jemand an, es war Ilean, den sie ignorierte und einfach weiterging. Er folgte ihr.

       Sebiha sah Ina hinterher, bis sie den Raum verlassen hatte. Dann erst bemerkte er Kadir's Blick: „Du hast sie verscheucht.“ Wirklich? Sebiha fragte sich noch, was genau geschehen war. Sie hatte mit ihm gespielt. Ihn herausgefordert. Ihn vielleicht sogar beleidigt. Das konnte er noch nicht so genau abschätzen. Also musste diese Beleidigung sehr gut verpackt gewesen sein. „Ihre Hand war auf deinem Bein.“ Doch Kadir tat es mit einer Handbewegung ab. „Deine Rekrutin? Ich habe noch nie einen Rekruten gesehen, der freiwillig am Tag der Abschlussfeier mit einem seiner ehemaligen Ausbilder spricht. Geschweigedenn mit einem von ihnen zusammen sitzt. Eine gute Kadettin?“ Sebiha fügte diese Frage an, da er zu gut wusste, dass er auf alles andere keine Antwort bekommen würde. Kadir drehte sein Glas langsam in der Hand: „Gut. Aber sie bekommt nicht gerne Befehle.“ Sebiha sah erneut zu der Tür, durch die Ina den Saal verlassen hatte: „Eine interessante junge Frau. So fesselnd. Schade, dass sie schon gegangen ist. Ich hätte mich gerne noch weiter mit ihr unterhalten.“ Kadir lehnte sich gemütlich in seinem Sessel zurück: „Du hast sie verscheucht“, auch er sah zu der Tür. „Ich hätte das nie getan. Wenn man die Gelegenheit hat, als frischer Soldat mit einem Botschafter an einem Tisch zu sitzen, einfach gehen. Das ist eigenartig – so“, Sebiha konnte es noch nicht formulieren. „Überheblich?“ Schlug ihm Kadir vor. Aber das wollte er nicht behaupten. Es war nicht überheblich, es war einfach ungewohnt. Kadir neigte sich zu ihm herüber und lachte ihn verlogen an: „Du bist beleidigt, weil ein frischer Soldat es nicht für notwendig empfand, sich von dir in die Enge treiben zu lassen.“ Sebiha schüttelte seinen Kopf: „Nein. Ich glaube sie hatte Angst. - Wir haben sie eingeschüchtert.“ Kadir lachte: „Wir? Wenn, dann warst du es. Aber das bezweifle ich“, er stand auf. Sebiha sah ihm irritiert entgegen: „Wohin gehst du?“ Kadir leerte sein Glas und stellte es auf den Tisch: „Nilia ist auf dem Weg hier her.“

      Ina blieb im nächsten Saal abrupt stehen, sodass Ilean gegen ihren Rücken lief. Sie atmete tief durch und drehte sich um. „Was ist los Kleines?“

       „Nichts!“ Ina war gereizt, wütend. „Aber natürlich“, Ilean nahm sie in seine Arme. Sie erwiderte seine Umarmung nicht, war mit ihren Gedanken woanders. „Ich gratuliere zu deinem Abschluss Kleines“, er liess sie wieder los, legte seinen Arm um ihre Schulter und ging mit ihr zu einem Tresen am Rand des Saals. „Erzähl es mir Kleines“ dabei spitzte er seine Lippen. Ilean war einen Kopf grösser als Ina, deshalb nannte er sie immer nur Kleines. Sie hob ihre Hand, schüttelte ihren Kopf, atmete laut aus. Danach sah sie durch den Raum, während sie sich auf die Lippen biss. „So schlimm?“ Fragte er etwas besorgt. „Ich! Ich!“ Ina wusste nicht was sie sagen wollte. Ihre Wut wurde immer grösser, dabei war ihr nicht einmal klar, ob sie auf sich selbst oder auf Botschafter Sebiha wütend war. „Du hast mehr als eine Stunde mit Kadir an einem Tisch gesessen?“ Ilean versuchte ihr die Antwort abzunehmen. Ina fuhr mit ihrer Zunge über ihre Lippen und nickte. Er hatte sie also zusammen gesehen und war ihr nicht unterstützend zur Seite getreten! „Er hat dich Botschafter Sebiha vorgestellt?“ Und wieder nickte sie ausser Atem, obwohl sie keine sportliche Höchstleistung vollbracht hatte. „Und du hast den Botschafter nach zehn Minuten alleine mit Kadir dort sitzen lassen?“ Ina sah auf den Boden und nickte. Sie musste verrückt sein. Hatte einen Botschafter sitzen lassen. Ging einfach! Nein! Schlimmer! Sie ging nicht einfach! Sie hatte ihn vorher noch beleidigt! „Du hast dich von Kadir verabschiedet?“ Wieder nickte Ina. Versuchte zu schlucken. „Wo deine Hand lag möchte ich an dieser Stelle nicht erwähnen. Und was dein Mund an seinem Ohr gemacht hat, möchte ich nicht wissen.“ Ina sah in Ilean’s dunkle Augen. Ihr Körper fing an zu zittern: „Ich bin verrückt!“

       „Das auch. Aber vor allem bist du Dreist. Ich meine, Kadir! Was tut deine Hand auf seinem Bein?! Du hättest Botschafter Sebiha’s Gesicht sehen sollen! Du hättest mein Gesicht sehen sollen. Und wieso bist du gegangen? Botschafter Sebiha! Jeder wünscht sich, ein einziges Wort an ihn richten zu dürfen. Es gibt sogar Offiziere, die den Boden vor seinen Füssen ablecken würden, nur um von ihm beachtet zu werden. Wieso bist du gegangen?!“ Die Fassungslosigkeit in seiner Stimme war nicht zu beschreiben. „Er hasst mich!“ Ina's Stimme war leise, perplex.

       „Was hast du getan?“ Sie schüttelte ihren Kopf: „Ich habe mich nicht entschuldigt und dann, dann habe ich mich auf einen Dialog mit ihm eingelassen. Und dann, dann war es meine Arroganz. – Ich habe ihm gesagt, dass – dass er verloren hat.“

       „Was hat er verloren?“ Ilean verstand nicht was sie meinte. „Dass er gegen mich verloren hat.“ Er sah sie lange an. „Ein Wort traf das andere, es ging zu schnell, ich konnte nicht – ich konnte nicht aufhören.“ Ilean starrte in ihre Augen. Schliesslich nahm er sie erneut in seine Arme und dieses Mal erwiderte sie die Umarmung. Sie umschlang ihn mit ihren Armen. „Oh Kleines“, er hielt eine Hand auf ihren Kopf und stütze sein Kinn darauf ab: „Das war dumm von dir.“

       „Ich weiss“ Ina war verzweifelt. „Unglaublich dumm, Kleines“, Ilean's Verdeutlichung war keineswegs mehr notwendig noch in irgendeiner Weise hilfreich. Aber so war er nun Mal. Ehrlich! „Ich weiss. – Nilia wird mich umbringen, wenn er das erfährt“, diese Gewissheit war noch erdrückender, als die Tatsache, was sie Sebiha alles gesagt hatte. „Das ist anzunehmen.“ Eine Zeitlang standen sie einfach so da. „Stören wir?“ Es war Saira. Ilean nahm seine Hand von Ina’s Kopf, er wollte die Umarmung lösen, aber sie hielt in fest. Wollte niemanden sehen, von niemandem gesehen werden. Er legte seine Hand auf ihren Nacken und blieb in dieser Position. „Was ist los?“ Saira wusste, dass etwas nicht stimmte. „Unser Kleines hat keinen guten Tag.“

       „Wieso?“

       „Sie hat bisher den ganzen Abend mit Kadir verbracht“, erklärte Ilean. „Ach! Wir sind jetzt ja da. Können deinen Abend noch retten“, Davut hatte den Ernst der Lage noch nicht erkannt. Dafür war er schon zu betrunken. „Und?“ Fragte Saira, die wusste, dass das noch nicht alles war. „Er hat sie Botschafter Sebiha vorgestellt“, berichtete Ilean weiter. „Und?“ Aufregung lag in Saira's Stimme. „Unser Kleines hat ihn beleidigt“, nach diesen Worten von Ilean sagte keiner von ihnen irgendetwas. Sogar Davut hatte es begriffen. Sie standen da und waren über Ina’s Unverfrorenheit schockiert. „Kapitän Kadir“, warnte Saira unheilvoll. „Er kommt doch nicht her oder?“ Ina drückte ihren Kopf immer noch in Ileans Brust. „Ich bin hier“, Kadir’s Stimme war ruhig. Ina presste ihre Augen zusammen, ballte ihre Hände zu Fäusten, atmete tief durch und ärgerte sich darüber, ihre eigene Dummheit an diesem Abend schon wieder übertroffen zu haben. Ilean klopfte mit seiner Hand sanft auf ihren Rücken und flüsterte in ihr Ohr: „Du musst jetzt irgendetwas tun Kleines. Er wartet.“ Was wollte er? War er gekommen um ihr zu sagen wie deplaziert ihr Verhalten war? Sie hatte nicht vor, sich etwas anmerken zu lassen, obwohl die Situation offensichtlich war. Ina liess Ilean los und versuchte ihrer Stimme einen aufgestellten Klang zu geben: „Kapitän.” Kadir betrachtete sie skeptisch, schliesslich holte