Geri Schnell / Dieter Thom

Der Drang nach Freiheit


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Schlag durch einen Schritt zurück die Wucht nehmen und konnte ihm mit seiner Deckung noch weiter unschädlich machen. Dann, sein Gegner, hatte die Verteidigung noch nicht aufgebaut, schlug Dieter eine linke Gerade auf die Stirne des Gegners. Der wich zurück und musste sich einen Moment sammeln. Doch dann steckte er den Schlag weg und griff wieder beherzt an. Wieder versuchte er einen Schwinger zu landen, doch auch diesmal konnte Dieter den Schlag gut unschädlich machen, nur, allerdings ohne einen Gegentreffer zu landen, der Gegner war auf der Hut und wich geschickt aus. Nun hatten sich die Gegner aneinander gewöhnt, die Treffer landeten nicht mehr so leicht im Ziel. Der Mut von Dieter nahm zu, jetzt griff er an, wie er es im Training gelernt hatte, es gelangen ihm einige schöne Treffer, doch sein Gegner schlug mit kurzen Schlägen zurück, um Dieter auf Distanz zu halten. Das Publikum war begeistert, der Kampf wogte hin und her. Beide mussten harte Schläge wegstecken. Dann endlich, Dieter war schon langsam am Ende seiner Kraft, der Gong. Auch die zweite Runde war geschafft.

      «Das war schon viel besser», lobte Walli, «jetzt noch etwas besser zielen und die Kraft besser einteilen, du musst am Ende noch zusetzen können, - verstanden!»

      Dann der Gong. Diesmal stürmte der Gegner wieder wie in der ersten Runde auf Dieter los, er dachte wohl, dass es die bessere Taktik sei. Dieter konnte geschickt ausweichen, die ersten Schläge verpufften ins Leere. Erst die vierte ungestüme Attacke konnte Dieter mit einem harten Treffer beantworten, langsam bekam er ein besseres Gefühl. Obwohl ihm alles weh tat und er eigentlich völlig ausgepumpt war, riss er sich zusammen und attackierte, aus einer sicheren Deckung. Er war schneller als sein Gegner und konnte diesen mit vielen Schlägen eindecken. Dieter merkte, sein Gegner war platt, er hatte keine Kraft mehr. Jetzt setzte er zu seinem Schlussspurt an. Das Publikum tobte und feuert ihn an. Er gab alles. Nach einem harten Treffer wankte sein Gegner, blieb aber stehen und der Kampf ging weiter. Dieter hielt sich zurück, er dachte an die Lektion des Trainers, nicht übermütig werden, ein angeschlagener Gegner blieb gefährlich. So agierte Dieter vorsichtig und versuchte noch einige Punkte bringende Schläge ins Ziel zu bringen. Dann der Gong!

      Dieter hatte seinen ersten Boxkampf überstanden, ohne dass er einmal auf dem Ringboden lag. Unsicher ging er in seine Ringecke zurück. Walli umarmte ihn begeistert. Alle warteten gespannt auf das Urteil.

      Beide Boxer wurden zum Ringrichter gerufen, der nahm je eine Hand der beiden Boxer, Dieter war zur Linken des Ringrichters. Jemand hielt ein Mikrofon hin.

      «Sieger nach Punkten! -», rief der Ringrichter und machte eine ewig lange Pause, dann, Dieter spürt der Ringrichter hob seinen Arm, «Dieter Thom!»

      Gewonnen, das Publikum jubelte. Dieter war erleichtert aber müde, er reichte seinem Gegner die Hand und fiel dem jubelnden Walli in die Arme, sein erster Kampf hatte er gewonnen. Dann brachte der Ringrichter noch einen Umschlag in seiner Ecke vorbei. Der Umschlag enthielt fünfundzwanzig Mark Preisgeld.

      Der erste Sieg spornte Dieter weiter an und er trainierte hart. Boxen, das war wirklich sein Sport. Er hängte sich rein. Natürlich durfte die Schule nicht darunter leiden, Frau Kasche wollte er nicht enttäuschen, sie war viel netter als dieser Drachen Frau Doppeeser. Natürlich hatte er noch einige Lücken, weil er vieles verpasst hatte, doch er wurde wieder ein guter Schüler.

      Der Jugendklub

      In der neuen Wohnung ging es der Familie Thom wesentlich besser. Mutti Maria arbeitet, nach der Geburt von Olaf, neu als Leiterin im Lebensmittelhandel und verdiente dort bedeutend besser. Auch Vati Siggi hatte sich bei der Deutschen Reichsbahn soweit integriert, dass er eine leitende Funktion erhielt, welche etwas besser bezahlt wurde. Die Probleme mit der Partei waren anscheinend vergessen. Es war nun einfacher für ihn, gewisse Sachen zu organisieren. Die Leute wussten, dass er nicht gleich zum nächsten Parteifritzen rannte, wenn man etwas organisieren musste, welches nicht genau auf der Parteirichtlinie lag. Bei der Deutschen Reichsbahn war die Meinung der Partei nur ganz oben gefragt. Die Jungs, welche die Bahn am Laufen hielten, waren nicht die typischen Parteianhänger, einige waren offiziell in der Partei dabei, scherten sich aber einen Deut um die politischen Parolen, für sie zählte die Kameradschaft und dass man sich auf seinen Kollegen verlassen konnte.

      Im Frühjahr hingen Plakate im Wohnviertel, welche auf die Eröffnung des Jugendklubs hinwiesen. Die Eröffnungsfeier sollte, ein Fest der Jugend der DDR, werden. Das war etwas für Dieter und seine Freunde, da mussten sie unbedingt dabei sein.

      Zur Eröffnung wurde die Eingangstür festlich mit Blumen und einem Transparent geschmückt. Auf den Transparent stand: Für Frieden und Sozialismus. Der Jugendklub unterstand der Jugendorganisation FDJ, das war klar, doch, dass die Jungen in den Aussenquartieren von Halle, endlich einen eigenen Klub bekamen, war wichtiger, als wer dahinter steckte. Die Hauptsache, man konnte sich hier treffen.

      SED Bezirksleiter, hielt die Eröffnungsrede und hoffte, dass mit Hilfe des Jugendklubs die deutsche sozialistische Jugend ihren Raum fand, in dem sie sich auf die wichtige Aufgabe für die Zukunft des Staates vorbereitet konnten. Er überbrachte auch die Grüsse der Bildungsministerin, welche leider trotzt ihrer Verbindung zu Halle, nicht persönlich anwesend sein konnte, sie habe sich jedoch für die Freigabe der Geldmittel eingesetzt und sei massgebend an der Gründung des Jugendklubs beteiligt.

      Nach der Ansprache spielte eine Band zum Tanz auf. Dazwischen gab es sportliche Wettkämpfe unter den Jungen der FDJ. Der Meister im Tischfussball und Tischtennis wurden erkoren. Für die Jugend im Viertel war es ein schöner Tag. Man setzte grosse Hoffnungen in den Jugendklub.

      Für Dieter wurde der Jugendklub am nächsten Wochenende eine grosse Enttäuschung. Als er mit seinen Freunden in den Klub wollte, wurde er abgewiesen, er sei noch zu jung. Eintritt erst ab 14 Jahren gestattet. Das war für die Jungs ein Schlag in die Magengrube. Damit hatten sie nicht gerechnet.

      An jedem schulfreien Nachmittag trieben sie sich in der Nähe des Jugendklubs rum. Sie beobachteten Paul, den Leiter des Klubs genau. Wenn er auf dem Vorplatz auftauchte, um die Eingangstreppe und den Vorplatz zu reinigen, ergriffen sie hilfsbereit den Besen und übernahmen die Reinigung des Vorplatzes. Es blieb nicht nur beim Vorplatz, sie durften auch im Innern helfen, die Spuren des Vorabends zu beseitigen.

      Mit der Zeit entstand eine Freundschaft zu Paul. Bei normalen Anlässen, durften sie abends nicht in den Jugendklub, doch, wenn ein grösserer Anlass organisiert wurde, an dem Junge aus der Stadt dabei waren, wie bei einem Konzert einer populären DDR-Band, oder wenn ein Film gezeigt wurde, drückte Paul ein Auge zu und liess Dieter mit seinen Freunden rein.

      Schliesslich gehörte Dieter mit seinen Schulfreunden zu den Stammkunden im Jugendklub. Am Samstag spielte oft eine Band zum tanzen auf. Dieter schaute den Tanzenden zu, getraute sich jedoch nicht auf die Tanzfläche. Meistens zogen sie sich in eine Ecke zurück, damit es niemandem auffiel, dass sie noch unter 14 waren.

      Doch dann, die Band kündigte eine Damenwahl an und, oh Schreck, die Sabine aus Dieters Schulklasse kam auf Dieter zu und forderte ihn auf, mit ihr zu tanzen. Er konnte sich nicht herausreden, er wurde auf die Tanzfläche geschleppt. Sabine übernahm das Kommando und schob ihn über die Tanzfläche. Mehrmals trat er ihr auf die Füsse oder verlort komplett den Rhythmus. Sie gab sich viel Mühe und Dieter lernte schnell, er bewegte sich wie im Boxtraining, nur diesmal im Takt der Musik. Nach drei Songs konnte er wieder an seinen Platz zurück. Es gab eine kurze Pause.

      «Jetzt musst du Sabine zum Tanzen auffordern», bedrängte ihn Gerd, «das ist üblich, wenn man bei einer Damenwahl aufgefordert wurde, muss man sich später revanchieren.»

      «Meins du?», fragte Dieter, «ich weiss nicht, wo Sabine sitzt», wollte er sich herausreden.

      «Da hinten!», Gerd zeigte in die Richtung. Dieter, wusste es natürlich genau, doch er tat sich schwer, alle würden sehen, wenn er durch den ganzen Saal zu ihr ging. Wenn sie ihn ablehnte, sah er schlecht aus, alle würden ihn auslachen. Nachdem die Band bereits das habe Lied gespielt hatte, sass Sabine immer noch an ihrem Platz und wiegte den Kopf im Takt zur Musik, es war eindeutig, sie wollte Tanzen.

      «Na los!», forderte ihn Gerd erneut auf, «sei kein Feigling!»

      Das sass, einen Feigling liess sich