Geri Schnell / Dieter Thom

Der Drang nach Freiheit


Скачать книгу

könnten ja mit der ersten Strassenbahn nach Hause fahren», meinte er schliesslich und damit war die Sache geklärt.

      Mit Nelli in der Mitte, verliessen sie das Hanoi. Ihre Wohnung lag nur zehn Minuten entfernt. Sie wohnte im fünften Stock eines Hochhauses. Die Wohnung war nur klein und das dominierende Möbelstück war das Bett. Dazu gab es noch eine kleine Kochnische und ein Bad. Dieter ging zum Fenster.

      «Eine tolle Aussicht hast du da», stellte er fest, «man kann über ganz Halle blicken.»

      «Ich mach es mir etwas gemütlicher», meinte sie, als sie die beiden Flaschen Bier hinstellte.

      Sie verschwand ins Bad und kam kurze Zeit später, in einem verführerischen Nachthemd zurück. Der dünne, leicht durchsichtige Stoff betonte ihre Figur. Den beiden wurde ganz heiss.

      «Na ihr zwei. Noch nie ein nacktes Mädchen gesehen?»

      «Doch schon», stammelte Dieter, als er Nellis Enttäuschung bemerkte, fügte er schnell an, «nur, die hatten keine so gute Figur.»

      «Schmeichler!», meinte Nelli, «dann wollen wir mal sehen, was ihr schon könnt.»

      Sie drängte sich zwischen die beiden Freunde und drückte sie nach hinten, so dass sie jetzt bequem auf dem Bett lagen. Sie löschte noch das Licht und überlies ihren Körper dem Forscherdrang der beiden. Sie genoss es, wenn die beiden Anfänger, immer mutiger wurden und ihren Körper erkundeten.

      Ihre Hände kontrollierten die Wirkung auf die Jungs. Sie war mit dem Ergebnis zufrieden, sie stand nun mal auf grüne Jungs, das fand sie so richtig geil. Als der Morgen dämmerte, schnellte Helmut hoch: «Wir müssen los, sonst verpassen wir noch die erste Strassenbahn!»

      Die beiden Freunde zogen sich an und verabschiedeten sich von Nelli.

      «Wie alt seit ihr eigentlich?», wollte sie noch wissen, «ich bin sechsundzwanzig!».

      «Wir sind erst dreizehn», meinte Helmut, «aber Dieter wird schon bald vierzehn.»

      «Für euer Alter habt ihr euch gut gehalten, aber, ihr versteht, dass niemand davon erfahren darf. Wenn mein Freund das erfährt, kriege ich ärger. Ist das klar?»

      «Wir verraten schon nichts», beteuerten die beiden feierlich und verschwanden leise durch die Türe. Im Treppenhaus schlichen sie auf Zehenspitzen raus. Erst, als sie auf der Strasse ankamen, rannten sie los. Die Strassenbahn bog schon in die Strasse ein, mit einem Zwischenspurt erreichten sie die Haltestelle eben noch rechtzeitig.

      In ihrem Viertel angekommen, nahmen sie die Nebenwege um unentdeckt nach Hause zu gelangen. Dieter konnte sich unbemerkt auf sein Zimmer schleichen. Als Mutti ihn fragt, warum er so müde wirkte, erklärte er, dass er schlecht geschlafen habe, er hätte Bauchweh gehabt und sein deshalb immer wieder aufgewacht.

      Als Dieter am nächsten Nachmittag zum Treffpunkt mit Helmut eintraf, war dieser nicht dort. Er machte sich auf zu dessen Wohnung. Dort erklärte ihm die Schwester von Helmut, dass dieser eine Woche Stubenarrest hatte.

      «Aber warum denn?» fragte Dieter scheinheilig.

      «Er war erst um sechs Uhr morgens nach Hause gekommen. Mein Vati hatte auf ihn gewartet, das hat er nun davon.»

      «Was hat er denn so lange gemacht?», spielte er weiter den Ahnungslosen.

      «Keine Ahnung, er hatte nichts gesagt, das hat Vati noch mehr erzürnt.»

      Als am nächsten Montag die Schule wieder anfing, sah er Helmut auf dem Schulweg. Nur, er hätte ihn beinahe nicht erkannt. Sein Auge war geschwollen und was noch viel schlimmer war, seine schönen lange Haare waren einfach weg. Wegen seinem Stubenarrest, haben sich die zwei lange nicht gesehen.

      An einem Abend tauchte er dann doch endlich wieder im Jugendklub auf. Das war eine Freude. Seine erste Frage war, hast du was von Nelli gehört?

      «Die vermisst uns sicher noch», meinte Helmut.

      «Da bin ich nicht so sicher, die nimmt, was sie kriegen kann», entgegnete Dieter, «die ist kein Kind von Traurigkeit.»

      «Was habt ihr da zu flüstern?», wollte Gerd wissen.

      «Ach nichts, ist eine alte Geschichte.»

      Im Frühling sass die Familie Thom gemütlich beim Nachtessen. Wenn Dieter an früher dachte, so gab es jetzt mehr und besseres Fleisch auf den Teller. Mutti hatte genug Geld zum Einkaufen, den Vati war inzwischen bei der Deutschen Reichsbahn in die Position eines Stellwerkleiters aufgestiegen. Er führte das Stellwerk im Güterbahnhof Halle. Diese wichtige Position, wurde auch besser bezahlt. Selbst am Zoll hatte Siggi nicht so viel verdient.

      Die einzige Sorge die Familie Thom hatte, war der Hautausschlag, mit dem sich das Nesthäkchen Olaf herumplagen musste. Es war manchmal so schlimm, dass die andern Kinder nicht mit Olaf spielen wollten. Dabei war er mit seinen zwei Jahren sehr unternehmenslustig. Dieter ging so oft wie möglich mit ihm auf den Spielplatz, auch Monika unternahm viel mit Olaf.

      Tschechoslowakei

      Im Frühling fand die Jugendweihe statt. Die lokalen Parteigrössen hielten patriotische Reden. Feierlich wurde jedem ein Geschenk der Partei überreicht. Die Partei schenkte allen Jungen ein Buch Weltraum Erde Mensch. Wie üblich erhielten die Jugendlichen von den Bekannten und Verwandten Briefumschläge zugesteckt. Die meist kleinen Beträge summierten sich am Schluss zu einem schönen Betrag. Bei Dieter kamen stolze 600 Mark zusammen. Bis tief in die Nacht zogen die Jungen durchs Dorf.

      Die Schulferien waren endlich da. Dieter hatte wieder einen Ferienjob, diesmal arbeitete er im Wagenbau bei einer Firma in Ammendorf. Die Arbeit bestand darin, dass er im Wageninnern Verschalungen anbringen musste. Die Arbeit wurde im Stundenlohn bezahlt.

      Dann war es endlich soweit, die richtigen Ferien begannen. Vati liess seine Beziehungen spielen. Er konnte Dieter in einem Ferienlager, in der Tschechoslowakei, anmelden. Ein grosses Privileg.

      Die Eltern begleiteten Dieter zum Bahnhof in Halle. Es standen schon viele Jungen und Mädchen auf dem Bahnsteig, welche ebenfalls ins gleiche Lager durften. Die meistens trugen blaue Pionietücher. Er versuchte mit ihnen zu reden, doch, die zeigten sich nicht besonders interessiert. Die meisten kannten sich schon und waren bereits zu einer Klicke formiert. Auch nach Abfahrt des Zuges wurde es nicht besser, er fand keinen rechten Draht zu den andern Jungs des Lagers.

      Der Zug fuhr in die hohe Tatra, einem wunderschönen Berggebiet in der Tschechoslowakei. Wie meistens in den Lagern wohnten sie in einem Barackenlager. Dieter war einer der älteren und blieb ein Aussenseiter. Er vertrieb sich die Zeit damit, dass er dem Lagerleiter bei seinen täglichen Arbeiten half. Nach ein paar Tagen spielte sich sein Tagesablauf ein. Am Morgen half er dem Lagerleiter. Am Nachmittag konnte er dann machen was er wollte.

      Er spazierte zum Bach und badete die Füsse im kühlen Wasser. Nach einer halben Stunde wurde das zu langweilig. Woher kam den dieser Bach? Er musste es unbedingt wissen. Er folgte dem Bach in den Wald. Nach kurzer Zeit wanderte er allein in der wunderschönen Natur. Kein Mensch weit und breit. Er folgte dem Bach. Mal ging es durch dichtes Gebüsch, mal durch sumpfige Wiesen. Er stieg immer weiter hoch. Schliesslich erreichte er einen kleinen See, mit kristallklarem Wasser. So etwas gab es in der Umgebung von Halle nicht, da waren die Flüsse trüb und die meisten stanken erbärmlich. Aber hier, ein wahres Paradies. Die Sonne neigte sich gegen den Horizont, er musste umkehren. Das Nachtessen durfte er nicht verpassen.

      Am nächsten Tag machte er sich nach dem Mittagessen sofort auf den Weg zum See. Er brauchte rund eineinhalb Stunden. Nach dem er im See ein Bad genommen hatte, folgte er dem Bach weiter. Er hoffte, dass er ihm bis zur Quelle folgen konnte.

      Rund eine Stunde später erreichte er ein kleines Dorf. Die Leute bemerkten sofort, dass er hier fremd war. Sie luden ihn ein, eine Tasse Tee zu trinken. Sie redeten mit ihm, doch er konnte kein Wort verstehen. Bald stand eine Platte mit Fleisch und Brot auf dem Tisch. Die meisten Leute vom Dorf versammelten sich beim Gasthaus. Fremde waren in diesem Gebiet selten.

      Dann, Dieters