Geri Schnell / Dieter Thom

Der Drang nach Freiheit


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überprüfte zurzeit, ob ein Wohnungsabtausch möglich wäre.

      Da Vati und Mutti beide nicht weg konnten, hatte der Familienrat beschlossen, dass sich Dieter mal das Haus auf Rügen ansehen soll. Er würde vier Wochen bei der Familie wohnen. So konnte er alles genau untersuchen.

      Mit dem Zug fuhr Dieter nach Sagard. Die Familie Runge wartete am Bahnhof. Herr Runge eilte sofort auf ihn zu.

      «Du bist sicher Dieter!», Papa Runge reichte Dieter die Hand, «das ist meine Tochter Britta, sie ist ein Jahr älter als du.»

      Britta war ein hübsches Mädchen und Dieter wusste sofort, dass er sie gut leiden konnte. Sie war freundlich und aufgeschlossen, dazu sah sie sehr gut aus.

      «Los», trieb Karl an, «wir haben noch einen weiten Weg, nach Marlow gehen wir zu Fuss.»

      Zum Glück reiste Dieter mit einem Rucksack, so hatte er mit den vier Kilometern Fussmarsch keine Probleme.

      «Meine Eltern stammen ursprünglich aus Polen», erzählte Britta, sie hörte gar nicht mehr auf zu erzählen. Dieter kam nicht zu Wort, ihm gefiel ihr deutliches klares Hochdeutsch, nicht dieses genuschelte Deutsch, welches die Hallesner unter sich sprachen. Britta erzählte auf dem Weg alles was er über Marlow und Rügen wissen musste. So wusste er bereits, dass sie Schafe, Hühner, Enten und Gänse hielten, dass das Bauerhaus am Dorfrand lag und dass es rundum nur Felder zu sehen gab. Der einzige Nachbar wohnte etwas abseits. Es muss eine ländliche Idylle sein, so wie es Britta schilderte.

      Als sie sich dem Haus näherten, rannte ihnen ein kleiner Spitz entgegen. Der kleine lustige Hund hiess Lumpi. Der Name passte zu ihm. Erst begrüsste er Britta stürmisch. Dann schnüffelte er an Dieters Beinen und wedelte mit dem Schwanz.

      «Er mag dich», stellte Britta fest, «ihr werdet gut miteinander auskommen. Ah, - das ist Mama!»

      Frau Runge kam aus dem Haus und eilte auf Dieter zu und umarmte ihn herzlich.

      «Du bist sicher hungrig», erklärte sie, «das Essen steht auf dem Tisch, los, beeilt euch, sonst wird es kalt.»

      Dieter fühlte sich in der Familie Runge von Beginn an wohl. Er wurde wie ein Sohn aufgenommen. Er half im Garten und beim Pflegen der Tiere. Die Schulprobleme waren weit weg. Dieter ging es ausgezeichnet. Es war ein einfaches Leben, welches die Familie Runge lebte. Am Tag wurde gearbeitet und abends sass man in der Stube zusammen und erzählte Geschichten.

      Wenn er mit Britta allein war, tauschten sie Zärtlichkeiten aus. Dieter hatte sich in Britta verliebt, sie wehrte sich nicht dagegen. Für Dieter gab es nur noch Britta, vergessen war Jana aus der Tschechei, welche er nie mehr sehen würde. Er sah nur noch Britta.

      Nach einer schönen Woche, wurde Britta plötzlich traurig. Dieter konnte sich nicht vorstellen was sie hatte. Er gab sich alle Mühe, doch es war offensichtlich, etwas bedrückt sie. Dieter merkte, dass sie ihm aus dem Weg ging.

      Dann, zwei Tage später traf er sie auf dem Weg zu Strand.

      «Britta», begann er das Gespräch, «warum bist du so traurig und weichst mir aus? Ich liebe dich, aber du gehst mir aus dem Weg.»

      «Ich weiss», antwortete Britta, «es liegt nicht an dir, ich hätte es nicht soweit kommen lassen sollen. Es war unfair von mir, aber ich mag dich auch.»

      «Wo liegt das Problem?»

      «Das Problem liegt darin», sie musste sich überwinden, «dass ich seit fünf Jahren einen festen Freund habe. Er ist zurzeit in der Armee, bei der Marine. Aber er hat am Wochenende Urlaub und ich will ihn nicht aufgeben. Du musst jetzt stark sein Dieter! Er darf nicht merken, wie es um uns steht. Ich will bei ihm bleiben. – Tut mir leid!»

      Für Dieter brach eine Welt zusammen, aber er musste einsehen, dass er bei Britta nicht landen konnte. Jetzt war er traurig.

      «Komm», munterte ihn Britta auf, «ich bin mit Adelheid verabredet, die wird dir sicher gefallen.»

      Dieter musste mit. In der Dorfkneipe trafen sich die drei. Britta gab sich alle Mühe, dass es zwischen Dieter und Adelheid funken könnte. Adelheid lud Dieter ein, sie zu besuchen. So verbrachte er das Wochenende mit Adelheid. Britta konnte sich ihrem Freund widmen. Dieter kam ihnen nicht in die Quere. Adelheid versuchte alles, Dieter aufzumuntern, doch seinen Gedanken waren noch bei Britta. Es wurde trotzdem ein schönes Wochenende.

      Als er am Montagabend Britta traf, begrüsste sie ihn freundschaftlich. Es ging ihr besser. Ihr Freund hatte anscheinend nichts bemerkt und war wieder abgereist.

      «Wie war das Wochenende?», fragte Britta.

      «Unterhaltsam, Adelheid hatte mir Rügen gezeigt», berichtete er.

      «Willst du ein Foto von meinem Freund sehen?», fragte sie vorsichtig.

      «Ja natürlich», Dieter hatte seine Eifersucht gut im Griff. Die Fotos hatte sie auf ihrem Zimmer. Sie unterhielten sich noch lange. Sie zeigte ihm verschiedene Fotos von ihrem Freund. Sie erzählte von ihrer Schwester, welche in Halle an der Uni studiert. Sie war älter als Britta und war bereits verheiratet. Ihr Mann war in Halle aufgewachsen und sie wohnten jetzt dort. Deshalb möchte die Familie Runge ebenfalls nach Halle umziehen. Dieter wusste nicht mehr, wann er eingeschlafen war. Am Morgen erwachte er im Bett von Britta. Sie schlief noch fest. Einen Arm hatte sie um Dieter gelegt und kuschelte sich fest an ihn.

      «Warum besuchst du nicht einmal Mieke?», fragte Britta.

      «Wer war Mieke?», wollte Dieter wissen.

      «Nun, der Mieke hatte Pech, aber was genau war, soll er dir selber erzählen.»

      «Gut, ich werde ihn fragen, wo wohnt dieser Mieke?»

      Sie erklärte ihm, wie er Mieke finden konnte. Am nächsten Tag machte sich Dieter auf, um Mieke zu besuchen. Er klingelte an der Haustüre. Eine alte gebrochene Frau in schwarzer Kleidung öffnete die Tür. Sie schaute Dieter verwundert an: «Was willst du?»

      «Ist Mieke zu Hause?», erkundigte sich Dieter.

      «Wo sollte er sonst sein», bemerkte die alte Frau, «seit er zurück ist, hatte er noch keinen Fuss vor die Türe gesetzt.»

      «Ich weiss nicht wo er war, Britta hatte gesagt, ich soll ihn selber fragen. Sie sagte nur, dass er Probleme hat, deshalb möchte ich ihn besuchen», erklärte er der alten Frau, «ah – übrigens, ich bin Dieter aus Halle.»

      «So, die Britta, was mischt die sich in unsere Angelegenheiten ein?»

      «Sie meinte nur, Mieke würde es gut tun, wenn er etwas Kontakt hätte. Ich kenne hier niemanden.»

      «Komm rein, ich frage ihn», sie trat einen Schritt zur Seite und machte eine Geste, dass er eintreten sollte, «ich frage ihn, vielleicht kommt er runter. - Hallo Mieke, Besuch für dich, kommst du runter?», rief sie in Richtung Treppe.

      «Wer ist es?», fragte eine Männerstimme.

      «Ein junger Bursche aus Halle», erklärte sie, «du kennst ihn nicht. Britta hatte ihn geschickt.»

      «Ich weiss nicht, vielleicht später.»

      «Willst du einen Kaffee?», fragte die alte Frau, «du musst ihm etwas Zeit geben.»

      Während sie den Kaffee aufsetzte, erzählte sie, dass ihr Mann vor drei Wochen gestorben sei. Sie hatte es offensichtlich nicht leicht, die Probleme mit ihrem Sohn und dann stirbt noch ihr Mann.

      «Er konnte es nicht verkraften, das mit seinem Sohn.»

      «Das verstehe ich», Dieter wusste nicht, wie er mit der traurigen Frau umgehen soll. Zudem kannte er das Problem von Mieke nicht.

      «Ja es war nicht einfach», erklärte sie, «doch was soll man machen, man kann es sich nicht aussuchen. Das ganze Leben haben wir gearbeitet und nun das.»

      Dieter wusste nicht, was er antworten soll und schwieg.

      «Was willst du von Mieke?», fragte die Frau etwas mürrisch.

      «Ich weiss nicht», Dieter wich