Günther Seiler

Die Balken biegen sich doch nicht


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gemeldet haben würde, konnte er den Ring abholen und wäre dann der stolze Besitzer des wertvollen Ringes. Es gab aber auch Fälle, wo Hotelbesitzer ihn um Hilfe baten, weil die Gäste irgendetwas verloren hatten, meist waren es Haustürschlüssel.

      Aber eine große Sache war mit die mit dem Oberst und dem ebenfalls als Rentner hier auf der Insel ansässigen Kriminalkommissar. Der pensionierte Kriminalkommissar Walter Schmelzig aus Leipzig, der jetzt hier auf Baltrum seinen Wohnsitz hatte, war genau der Typ eines Polizisten oder war es früher gewesen, wie man sich einen Schutzpolizisten, auch Schupo genannt, so vorstellte. Bei diesem Typ eines Polizisten fühlt man sich als Bürger im Falle der Gefahr gut aufgehoben. Als vor einiger Zeit die örtliche Bank das Ziel von Räubern geworden war, hatten diese mit Erfolg dem gerade aufschließenden Filialleiter die Schlüssel für die Banktüren und eine Geldbombe entrissen. Der Filialleiter hatte die Geldbombe eines örtlichen Einzelhändlers unter dem Arm. Dieser Einzelhändler war sein Nachbar und auf diese einfache Transportweise nahm der Filialleiter täglich immer die Geldbombe mit zur Bank. Nun ja, die Geldbombe und die Schlüssel waren ihm entrissen worden, zu weiteren Untaten waren die Räuber aber nicht gekommen. Sie waren über den Strand geflüchtet, wo sie ein Boot mit einem kleinen Motor versteckt hatten. Das Ganze hatte für die beiden Räuber nicht gut gehen können. Denn nach dem Alarm in Aurich hatte die Hubschrauberbesatzung der Polizei schnell das Boot in der See auf dem Weg in Richtung Neßmersiel entdeckt. Bei den Räubern waren aber weder die Geldbombe noch die Schlüssel gefunden worden. Die Räuber hatten behauptet, beides im Sand am Strand auf der Flucht vergraben zu haben. Nun hatte die Stunde des vielfach belächelten Sondengängers Hermann Schlünders von der Bonner Hardthöhe geschlagen. Zusammen mit dem Kommissar hatten sie generalstabsmäßig eine Suchaktion mit Plan und Millimeterpapier ausgearbeitet. Die Polizei hatte natürlich auch gesucht, aber an der falschen Stelle. Oberst Herman und Kommissar Walter waren so beschäftigt, dass sie keine Zeit gehabt hatten, in die Kneipe zu Engelbert zu kommen. Nach einer Woche des Suchens hatte der Metalldetektor endlich erst bei den Schlüsseln und nach wenigen Metern bei der Geldbombe gepiept. Zur Belohnung war der Bankdirektor vom Festland gekommen und man munkelte noch heute, es wäre ein hübscher Betrag gewesen. Denn bei Engelbert war danach kräftig gefeiert worden und die beiden Suchstrategen hatten die gesamte Zeche gezahlt.

      An der Theke gab es in unregelmäßigen Abständen aber noch eine liebenswürdige skurrile Erscheinung. Es war die Gräfin aus Berlin. Ihren Namen kannte hier keiner, sie wurde nur als Gräfin bezeichnet und merkwürdigerweise wurde sie von der täglichen Thekencrew nie mit Spott oder Andeutungen traktiert. Sie redeten immer sehr respektvoll von der Gräfin und, wenn sie erschien, verstummten auch sofort derbe Witze. Die Gräfin kam einmal im Jahr für sechs Monate hierher nach Baltrum und wurde stets von zwei Hausdamen begleitet, dabei konnte sie sich auch ganz gut ohne ihren Rollstuhl selber bewegen. Aber über ihre Herkunft wurde natürlich gemunkelt. Einige meinten, sie wäre auf Baltrum aufgewachsen und als Kind mit den Eltern auf das Festland gezogen und sie sei steinreich. Die Gräfin bezog immer dasselbe Hotel und saß oft lange in ihrem Lehnstuhl auf der windgeschützten Terrasse warm eingemummelt und sah sich stundenlang die Wellen an. Hier in die Kneipe „Ohne Hausnummer“ erschien sie immer am Sonnabend, nachdem sie mit ihrem Personal, wie es hieß, im Café zum Kaffee und Kuchen gewesen war. Danach wurde sie exakt für zwei oder je nachdem, drei Stunden durch den Gang zur Kneipe mit dem Rollstuhl geschoben und ihre Hilfe verabschiedete sich, da diese Kneipen nicht ausstehen konnte. Die Gräfin fühlte sich sichtlich wohl in der Kneipe und unterhielt sich mit den Leuten, wobei sie ihren dicken rotflüssigen Kirschlikör trank. „Wir hatten früher in Berlin eine Likörfabrik“, hatte sie einmal über sich verraten.

      Zum Abschluss war noch zu sagen, dass die reservierte Gruppe mit zwanzig Gästen zum Fischessen Engelbert versetzte und der Donnerstag auch nicht voll ausgebucht war. Das Fischessen selbst war aber wie immer sehr gelungen und die Gäste freuten sich schon auf die nächste Fischsaison mit einem neuen Fischkoch.

      Geschichte 5

      Aloha in Papeete

      Von Baltrum sind es zirka achttausendzweihundertzweiunddreißig Nautische Meilen bis zur traumhaften und paradiesischen Insel ‚Über dem Winde‘ in Französisch Polynesien. In zirka einundzwanzig bis fünfundzwanzig Stunden, je nach den Winden, war man mit dem Flugzeug von Deutschland in Tahitis Hauptstadt Papeete. Dort, in der Nähe des internationalen Flugplatzes Faa, gab es an der Strandpromenade mit einem wundervollen Blick auf das Meer eine deutsche Kneipe und Restaurant mit Namen ‚Zum alten Küfer‘. Der alte Küfer war einmal vor über 80 Jahren ein Käsebauer aus der Schweiz gewesen, der oben in den Bergen als amtlich bestellter Käsemeister einen guten Ruf gehabt hatte. Er selber hatte sein Dorf in den Bergen nie verlassen, denn nach den Erzählungen der Gäste hatte er eine Gänsehaut bekommen, wenn er daran gedacht hatte, in dem hektischen Treiben der Pferdefuhrwerke einer Stadt umherzulaufen.

      Die Eheleute von Ahrenzburg hatten vor Jahren in den Bergen der Schweiz eine Wanderung unternommen und waren durch den kleinen Bergort des Herrn Küfer gekommen. Sie hatten schon lange vorgehabt, auf Tahiti ein Lokal zu eröffnen und ihre Kneipe mit einem Restaurant zu Ehren des Schweizer Käsebauers nennen zu wollen. Sie hatten sich erkundigt, es hatte keine Hindernissen zu seiner Namensübernahme aus der Schweiz gegeben.

      Es handelte sich bei dem Wirt ‚Zum alten Küfer‘ um den ehemaligen Kapitän Hubert von Ahrenzburg, allerdings war er Flugkapitän einer amerikanischen Airline gewesen und hatte die großen Cargoflugzeuge von Amerika nach Südamerika und Ozeanien geflogen, ein Frachtkutscher der Lüfte also. Und jetzt war er mit sechzig Jahren Pensionär mit einer sehr guten Rente. In Amerika hatte er seine Ehefrau, Marie Hernandez von Ahrenzburg, von einer konkurrierenden Airline kennengelernt. Sie war ebenfalls Pilotin und flog die Fernstrecke Amerika, Afrika und Europa. Nach Asien und Ozeanien hatte ihr Beruf sie leider nie geführt. Auch sie war in Rente und diese war sogar noch üppiger als die Rente ihres Mannes, womit sie ihn gelegentlich aufzog und neckte, bis er seine Nase krauste. Ob sie nun die krause Nase so mochte oder wenn er langsam brummelig wurde, das blieb ihr Geheimnis.

      Hubert von Ahrenzburg stammte aus der Nähe von Hamburg aus der kleinen Stadt Ahrensburg. Ob aber sein Name Ahrenzburg mit ‚Z‘ etwas mit diesem Ort zu tun hatte, konnte auch ein Heimatforscher aus ihrem Bekanntenkreis nie vollständig klären. Die Fliegerei war natürlich auch heute noch ihrer beider Hobby und sie flogen gelegentlich Gäste mit einem gemieteten Flugzeug über Tahiti zu den unzähligen Inseln. Besonders hatte es ihnen Bora Bora angetan. Welch ein Klang hatte alleine der Name Bora Bora. Das war doch der Inbegriff von weißen Stränden, Palmen und einheimischer Musik. Das Wohnen war ihnen dort aber einfach zu teuer. Beide hatten nämlich noch ein weiteres, kostspieliges Hobby. Sie besaßen ein großes Boot. ‚Groß‘ war dabei stark untertrieben. Es war eine stattliche Motoryacht von vierzehn Metern Länge. Sie liebten das Tauchen, wozu die Bedingungen hier vor Tahiti einfach paradiesisch waren. Die Yacht war hochseetauglich und sie könnten theoretisch über die Osterinseln bis nach Chile schippern, was sie einmal für die Zukunft wirklich geplant hatten. Beide aßen sehr gerne Fisch und dafür gab es auf Tahiti eine große Anzahl von Köchen, die ihr Handwerk wirklich gut verstanden. In ihrer Kneipe mit Restaurant ‚Zum alten Küfer‘ gab es aber keinen Fisch. Dafür gab es eine andere Spezialität, den vor allem die Franzosen, die als Touristen hierher auf die französisch sprechende Insel kamen, sehr schätzten: den Käse. Dieser kam vor allen Dingen aus der Schweiz und die wöchentliche Cargomaschine brachte jedes Mal ausgesuchte Köstlichkeiten für die Wirtsleute mit.

      Das große Wohnhaus der von Ahrenzburg in dem tahitianischen Stil lag auf dem Gelände des örtlichen, exklusiven Yachtclubs und die imposante Yacht der von Ahrenzburg lag angetäut direkt in einer Schiffsgarage mit Anlieger an dem Anwesen. Man konnte von der einen Seite mit dem Auto das Haus erreichen und im Carport parken und auf der Rückseite des Hauses zum Wasser mit der Yacht tideunabhängig in die fantastische See zu einer der hundertachtzig Inseln schippern. Einfach wunderbar, das türkisfarbene Meer mit seinen unzähligen Fischen. Man musste nicht unbedingt ein Taucher sein, um die Fische zu entdecken und zu fotografieren, es reichte auch eine Maske mit Schnorchel aus. Vom Wohnhaus bis zur Kneipe mit dem Restaurant waren es mit dem Auto, einem Geländefahrzeug, zirka fünfzehn Minuten Fahrtzeit.

      Heute kam Hubert mit