Daniela Hochstein

Daimonion


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herum und hob den Dolch, bereit mich im Falle eines Angriffs sofort zu verteidigen. Unvermittelt begann mein Herz zu rasen, so dass der Pulsschlag wild in meinen Ohren pochte. Kalter Schweiß brach mir aus und ließ mich unwillkürlich erschauern. Auf einmal hatte ich das Gefühl, viel zu weit gegangen zu sein! Wie sehr ich allerdings Recht damit hatte, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt bei Weitem noch nicht.

      Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich mühsam, die Finsternis zu durchdringen, bis ich darin endlich die schemenhaften Konturen einer Gestalt wahrnehmen konnte. Ich war mir sicher, dass es sich dabei um den besagten Wolf handeln musste. Erschrocken wich ich ein Stück zurück und verstärkte reflexartig den Griff um meinen Dolch. Ich rechnete eigentlich fest damit, jeden Moment von dem Tier angesprungen zu werden, doch überraschender Weise verhielt es sich vollkommen ruhig. Sofort nutzte ich dieses Zögern zu meinem Vorteil und sprang mit vorgestreckter Klinge auf den Wolf zu. Dieser aber duckte sich bloß unter meinem Angriff und wich kriechend vor mir zurück. Unnachgiebig setzte ich ihm nach, doch er brachte sich bloß abermals durch ein paar Schritte rückwärts vor mir in Sicherheit. Dabei knurrte und winselte er, als mache ihm etwas große Angst.

      Verwundert hielt ich inne, denn im Vergleich zu vorhin schien sich das Tier nun beinahe gegensätzlich zu verhalten. Durch diese Tatsache stutzig geworden, betrachtete ich es mir daher etwas genauer und dabei fiel mir auf, dass dieser Wolf hier deutlich kleiner und zierlicher war. Zudem schien er ein helleres Fell zu haben, ja, es war fast weiß und wenn man genau hinschaute, dann fiel sogar ein eigenartiges Leuchten auf, das von ihm auszugehen schien.

      Fasziniert starrte ich auf den schimmernden Wolf und merkte dabei nicht, wie ich, ganz in seinen Bann geschlagen, einen weiteren Schritt auf ihn zutrat. Erneut wich er ein Stück vor mir zurück. Doch dies schien das entscheidende Stück zu viel gewesen zu sein, denn plötzlich ertönte ein gewaltiges, anschwellendes Grollen, welches fortwährend von den Höhlenwänden reflektiert wurde und sich dadurch spiralartig steigerte, bis es zuletzt schmerzhaft in meinen Ohren dröhnte. In demselben Moment, ganz unvermittelt, verschwand der Wolf vor mir, als habe der Erdboden ihn einfach verschluckt.

      Bis aufs Mark erschüttert blickte ich wild um mich, um zu erfassen, was da gerade in der Höhle vor sich ging. Doch mir blieb keine Zeit mehr, es recht zu begreifen, denn nur einen Bruchteil von Sekunden später verlor auch ich den Boden unter den Füßen und stürzte haltlos einen Hang aus spitzem Geröll herunter, hinab in eine dunkle, undurchdringliche Tiefe.

      Meine Erinnerung daran ist zwar bloß noch sehr bruchstückhaft, aber das Letzte, was ich spürte, war ein harter Schlag gegen meine Schläfe, womit schlussendlich mein Bewusstsein erlosch.

      Kapitel 2

      Wie lange ich dort ohnmächtig gelegen hatte, konnte ich nicht einschätzen. Sofern es noch Tag war, wusste ich es nicht, denn diesen düsteren Ort vermochte kein Tageslicht mehr zu erreichen. Ich hätte ebenso gut blind sein können.

      Geweckt wurde ich von Schmerzen; zum einen in meiner Kehle, die so ausgetrocknet war, als bestünde sie bloß noch aus heißem Staub, und zum anderen an meiner rechten Schläfe, die bei näherem Betasten eine Platzwunde aufwies. Blut war mir über die rechte Wange gelaufen und dort angetrocknet, sodass es nun unter meinen Fingern abbröselte.

      Damit hatte ich wenigstens eine Erklärung für den gemein pochenden Schmerz, der meinen ganzen Kopf ausfüllte und sich in Form einer hartnäckigen Übelkeit in meinen Magen fortpflanzte. Ein Zustand, in dem ich mich nach nichts mehr sehnte als nach frischer Luft! Jedoch vergeblich, denn wie das Sonnenlicht, hatte wohl auch kein einziger Windhauch je diese Grotte erreicht. Ich hatte den Eindruck, ein schwerer Ring läge um meine Rippen, gegen den ich stetig anatmen musste.

      Das brennende Stechen oder Zwicken, das mich immer wieder befiel, konnte ich mir hingegen nicht erklären. Es trat jedes Mal an einer anderen Körperstelle auf, einmal am Arm, dann an der Hand und kurz darauf wieder an den Beinen, so dass ich vermutete, es könne etwas Lebendiges sein, was mir da zusetzte. Vielleicht Insekten oder gar Ratten?

      Plötzlich spürte ich einen Biss an meinem Hals und zuckte unvermittelt zusammen. Hastig versuchte ich mich aufzusetzen, aber selbst schon der Versuch führte dazu, dass ich glaubte, mein Kopf müsse jeden Augenblick zerbersten. Würgend ließ ich mich zurück auf den Boden sinken, bloß bestrebt, den Schmerz rasch wieder unter Kontrolle zu bringen, ohne dabei auf der Stelle erbrechen zu müssen.

      So lag ich mit geschlossenen Augen da, bemüht, nur auf die Kälte des Bodens unter mir zu achten, um für einen Moment alles andere vergessen zu können, was mich umgab und langsam begann, meinen Verstand gefährlich ins Wanken zu bringen.

      Sobald ich den ersten Anfall von Übelkeit niedergerungen hatte, streckte ich – möglichst ohne dabei den Kopf zu bewegen - vorsichtig meine Hand aus, um nach meinem Peiniger zu tasten. Ich musste wissen, was mich da stach. Ich musste es unbedingt wissen! Doch gleich, wo ich auch hinlangte, dieses Wesen wich mir stets erfolgreich aus und piesackte mich dafür an anderer Stelle weiter. Dabei hinterließ es, wie ich fühlen konnte, blutige Wunden auf meiner Haut... Es waren also gar keine Stiche, nein es waren Bisse! Dieses Wesen fraß mein Fleisch! Oder trank es gar mein Blut?

      Diese Erkenntnis brachte mich nun vollkommen aus der Fassung. Hektisch schnappte ich nach Luft und mein Herz hämmerte bis in meinen Hals hinauf, als wolle es gleich davon springen. Schweiß rann mir kalt die Achseln hinunter und ich fühlte bloß noch den drängenden Impuls, von hier zu fliehen. Ich wollte aufstehen, wurde aber auf halber Strecke von meinem Schwindel eingeholt, der mich dazu zwang, inne zu halten und mich bloß auf alle Viere zu stellen.

      Zitternd stand ich da und versuchte in meiner Hilflosigkeit, mich wenigstens umzusehen. Ich weiß nicht, was ich mir in der hier herrschenden Finsternis überhaupt davon versprach, aber manchmal zahlt es sich eben aus, die Hoffnung nicht zu verlieren. So war es auch diesmal, denn zu meiner größten Erleichterung konnte ich nun einen seichten Lichtschimmer erkennen. Allerdings handelte es sich dabei nicht um das Tageslicht, das sich über irgendeine ungeahnte Lücke im Gestein einen geheimen Weg hierher gebahnt hatte. Nein, es war jenes eigentümliche Leuchten, das ich zuvor schon an dem weißen Wolf wahrgenommen hatte.

      Ohne lange nachzudenken, biss ich mir auf die Unterlippe und krabbelte schwankend auf das Licht zu. Und in der Tat, als ich nah genug herangekommen war, konnte ich in seinem Zentrum die Umrisse des Wolfes erkennen. Reglos lag er da und ich konnte nicht einschätzen, ob er womöglich ernsthaft verletzt war oder bloß schlief. Aber gleich, wie es war, je näher ich ihm kam, desto mehr erfüllte mich das warme Gefühl von Trost und Hoffnung.

      So kroch ich immer weiter an das Tier heran, so nah, dass ich schließlich, einem plötzlichen Wunsch gehorchend, sein schimmerndes Fell berühren konnte. Und als hätte ich den Wolf dadurch aus einem Traum gerissen, hob er überrascht seinen Kopf. Er sah mich aus seinen ungewöhnlich blauen Augen an und leckte zu meiner Verblüffung mit seiner weichen Zunge über meine Hand. Ein sanftes Kitzeln zog dabei über meine Haut, kroch mir leise den Arm hinauf und legte sich wie eine schützende Decke aus Zuversicht über meine schlotternde Seele.

      Seltsam berührt von dieser Geste, die ich als Zeichen unserer eigenwilligen Verbundenheit verstand, drückte ich mich eng an sein wärmendes Fell. Wäre ich nicht so taub vor Angst gewesen und hätte den Ernst meiner Lage auch nur ansatzweise begriffen, so wäre mir in diesem Moment wohl bloß zum Schreien zumute gewesen.

      Nach einer Weile aber bewirkte die tröstliche Nähe dieses eigentümlichen Wolfes, dass meine Furcht auf ein erträgliches Maß zusammenschrumpfte, während mein Puls sein erschöpfendes Tempo langsam drosselte. Zudem schien der Wolf eine abschreckende Wirkung auf jene blutsaugende Kreaturen zu haben, denn zu meiner Erleichterung hatten sie aufgehört, mich mit ihren Bissen weiter zu traktieren.

      Gegen die schrecklichen Kopfschmerzen allerdings, welche nun die eingekehrte Ruhe nutzten, um sich gleich wieder mit neu erwachender Vehemenz hinter meiner Stirn einzunisten, konnte auch der Wolf nichts ausrichten. Ich schloss die Augen und versuchte, mir mit den Fingerkuppen die Schläfen zu massieren. Doch der Erfolg war leider äußerst gering, weswegen ich irgendwann aufgab und mich bemühte, die Schmerzen so gut es ging zu ignorieren. Schließlich galt