Christian Schuetz

CYTO-X


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Einladung, einer geheimen Vereinigung beizutreten.“

      Anfangs hatte er immer Redepausen eingelegt, wenn sie sich auf einen Schlag vorbereitete, aber Erik hatte bemerkt, dass dies nicht nötig war. Mehr und mehr ging er dazu über, einfach kontinuierlich weiterzureden, egal, ob sie nun einen Schlag ausführte oder nicht.

      Er fand es sehr beruhigend, eine Chirurgin für sein Gehirn gefunden zu haben, die sich anscheinend von gar nichts ablenken ließ. Wäre ja schlimm, wenn ein Bekannter im OP vorbeischaute, während sie dabei war, ihm die Nadel durch die Nase ins Gehirn zu schieben, und sie sich dem Besucher zuwenden würde. „Hallo, wie geht es dir? Lange nicht gesehen! Ja, ich mach‘ da grad eine kleine Hirn-OP, nichts Wichtiges!“ Erik schüttelte sich kurz, um die Vision zu verdrängen.

      „Es dauerte eine Weile, bis ich das Ding dechiffriert hatte, aber dann hatte ich eine Telefonnummer mit Länderkennung aus Indonesien! Der Mann am anderen Ende der Leitung fragte nur, was es sein solle: Geld oder etwas viel Wertvolleres? Ich musste feststellen, dass der Mann, mit dem ich sprach, mich anscheinend seit einiger Zeit beobachtet hatte. Er wusste Dinge, die er nur wissen konnte, falls er mit mir gemeinsam Kurse an der Uni besucht oder mir beim Hacken über die Schulter geschaut hatte.

      Ich war neugierig und fasziniert und er hatte mich sofort am Haken. Anfangs waren meine Jobs recht klein und ich erkannte eigentlich nie, worauf die gesamte Operation hätte hinauslaufen sollen. Ich hatte ein Konto auf den Caymans, das wundersam zu wachsen begann.“

      „Haben Sie den Mann jemals persönlich getroffen?“, fragte Emma während des Puttens.

      „Nein, bis heute nicht. Zumindest nicht bewusst. Man sagt, dass er selbst fleißig mitarbeitet. Und die allgemeine Meinung ist, dass jeder von uns schon mal mit ihm zusammengearbeitet hat, ohne es zu wissen. Nun ja, ich kann Ihnen keine Details erzählen, schon zu Ihrer eigenen Sicherheit, und ich hoffe Ihnen ist klar, dass Sie diese Geschichte auch an niemand anders weiter erzählen sollten. Ich kann Sie nur bitten, mir zu glauben, dass wir die Guten sind. Auch wenn wir dabei nicht gerade schlecht verdienen.“

      Er sah ihr an, dass sie ihm glauben wollte, aber er musste Vieles zu abstrakt beschreiben, konnte zu wenig auf echte Fälle eingehen. Allerdings er hatte sich eine Sache bis zum Schluss aufgehoben.

      „Zeigen Sie mir doch mal Ihr Smartphone!“, forderte er sie auf. Er selbst hatte zwei, für verschiedene Verwendungszwecke, eins in der linken, eins in der rechten Jackentasche. Als er sah, welches Fabrikat Emma benutzte, griff er zu seiner rechten Seite, wo er das Konkurrenzmodell stecken hatte.

      „Sehen Sie? Wir haben Geräte von den beiden großen Gegnern auf dem Markt. Aber die Bedienung und das alles ist so ähnlich, dass wir sie austauschen könnten und kein Problem mit dem Gerät des anderen hätten, nicht wahr?“

      „Na ja, die verklagen sich doch auch ständig gegenseitig, weil der eine vom anderen geklaut hat und umgekehrt. Wer da was geklaut hat, weiß ich nicht, aber ich nehme an, dadurch sind die sich alle so ähnlich.“

      Erik mochte die Falte auf ihrer Stirn, die sie jetzt gerade sehr deutlich präsentierte. „Würde es Sie wundern, wenn keine der Firmen die andere bestohlen hätte, sondern die komplette Smartphone-Technologie aus einem Forschungsinstitut des FBI stammt? Also, sicher spionieren die sich jetzt mit den Neuerungen wieder aus, aber das erste Smartphone der Welt war eigentlich ein Gerät, das den Amerikanern die Überwachung ihrer eigenen Bevölkerung ermöglichen sollte, beziehungsweise aller Amerikaner und aller Ausländer, die in den Staaten lebten. Später war es dann eben auch außerhalb der USA geplant. Das Mistding hatte den Entwicklungsnamen Little Brother. Es sollte für einen Spottpreis auf den Markt kommen, damit möglichst bald jeder Amerikaner eines besitzen würde.“

      Erik blickte auf sein Handy. Seine beiden Geräte waren natürlich so getunt, dass sein Netzanbieter nicht wusste, wo er gerade war oder in welchen Läden er gerne einkaufte. Eigentlich wusste der Netzanbieter nicht einmal, dass Erik Kunde bei ihm war. Sein Chip konnte auch den Netzbetreiber wechseln, aber das war für seine Geschichte jetzt nicht so wichtig.

      „Wir alle übermitteln mit unseren Handys viel zu viele Informationen über uns selbst, aber das ist lächerlich im Vergleich zu dem, was die Amis da vorhatten. Ich wurde als Programmdesigner und Sicherheitsspezialist eingestellt. Mit gefälschtem Namen, einer falschen Identität, das ganze Paket. Ein Kollege von mir war in der technischen Abteilung zu Gange. Fast ein halbes Jahr lang haben wir mitgearbeitet, manchmal Entwicklungen verschleppt oder sabotiert, um genug Zeit zu haben, die Daten und Spezifikationen der Fertigung auszuspionieren und an andere Firmen zu verkaufen. Natürlich so modifiziert, dass es sich wieder um Handys handelte und nicht um Wanzen.

      Dann brannte es versehentlich. Niemand kam dabei zu Schaden. Und drei Wochen später wurden die ersten Smartphones auf den Markt geworfen. Kurz darauf beschuldigten sich die Firmen zum ersten Mal gegenseitig der Industriespionage. Und wir waren zum ersten Mal richtig reich.“

      Erik sah sie etwas verlegen an. Sie schien nun besser zu verstehen, was er tat, wie sein Zirkel arbeitete, aber das bedeutete nicht, dass sie es guthieß. Nun, das musste sie auch nicht. Sie sollte nur verstehen, dass er sich in dem Metier gut auskannte und wenn er ihr sagte, niemand dürfe wissen, was da in seinem Kopf vielleicht am Wachsen war, dann müsste sie das ernstnehmen.

      Sie brauchte für den nächsten Schlag sehr lange, was ihm zeigte, dass sie dabei war, das alles zu verdauen. „Emma, es ist durchaus möglich, dass ich im Laufe der Behandlung plötzlich verschwinden muss. Suchen Sie mich nicht!“

      Emma hatte trotz seiner Erzählung eigentlich stets konzentriert weiter gespielt. Sie war für ihr Handicap auf gutem Kurs, doch nun hatte sie einen Ball recht ungünstig auf dem Fairway abgelegt, so dass das Par wohl nicht zu halten war. „Nun ja, das war es wohl mit meiner Bestleistung.“

      Erik schwieg eine Weile. Zum einen, weil er merkte, dass Emma sich über ihren Schlag ärgerte, zum anderen, weil er zwischen seinen Schläfen den altbekannten Schmerz zu spüren begann. Das Fairway machte etwas weiter vorne einen Knick und sie würde den Ball nochmal etwas vorlegen müssen, um von dort aus Richtung Grün zu kommen, es sei denn...

      „Wie weit kommen Sie mit einem Neuner-Eisen, Emma?“

      „Etwa hundert Meter, vielleicht hundertzehn, warum?“

      Erik zeigte auf eine kleine V-förmige Lücke im umgrenzenden Wald. „Das Grün liegt genau hundert Meter durch die Lücke. Dann retten Sie das Par vielleicht doch noch?“ Emma schlich eine Weile um ihren Ball herum und spielte den gewagten Vorschlag offensichtlich im Kopf durch, während Erik langsam begann, immer wieder seine Schläfen zu massieren. Er würde bald eine Pille brauchen, aber noch ging es.

      „Sie können das Grün von hier aus nicht sehen, wissen aber, dass es da drüben ist?“, fragte Emma etwas argwöhnisch. „Ich habe keine Karte dabei. Da ich mich hier auskenne, weiß ich aber, dass sie Recht haben. Ist da nicht doch ein wenig fotografisches Gedächtnis? Sie haben im Clubhaus sicher nur einmal oder zweimal auf die große Karte geschaut und sich das trotzdem eingeprägt?“

      „Winkel und Entfernungen, das prägt sich bei mir leicht ein. Wenn Sie da durchschlagen können, sollten Sie genau auf dem Grün landen.“

      Aber Emma schüttelte nur den Kopf. „Wenn ich das könnte, müsste ich nicht in fremder Menschen Köpfen herumschneiden. Wenn ich vorlege, habe ich die Chance, meine Bestleistung einzustellen. Wenn ich den Schlag mache und versiebe, bringen mich die Strafschläge um.“

      Erik biss nochmal auf die Zähne und schenkte ihr ein Lächeln. „Sie haben vorhin auf mich den Eindruck gemacht, als würden sie nicht unbedingt auf Nummer Sicher gehen. Ich traue Ihnen den Schlag zu. Sie riskieren doch sicher gerne mal was?“

      „Als mein Patient sollten Sie sich nicht wünschen, dass ich das Risiko liebe!“

      Erik zog das Neuner-Eisen aus dem Sack und reichte es ihr. Emma zögerte noch eine Weile. Das Risiko entsprach nicht ihrer Mentalität. Sie zog die Sicherheit vor, aber Erik konnte ihre Bereitschaft spüren, sich von ihm zu diesem verrückten Schlag verführen zu lassen. Sie nahm das Eisen und bereitete sich vor.

      Für