Christian Schuetz

CYTO-X


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hatte.

      Brugger konnte nur hoffen, dass hinter ihrer Verliebtheit doch noch ein wenig Menschenkenntnis steckte. An dieser hatte er bisher nie gezweifelt, aber hier war sein Vertrauen echt gefordert. Schlecht geschlagen hatte sich Zsolt nicht. Aufrichtigkeit hatte bei Brugger schon immer punkten können.

      Eines hatte er aber nicht erwartet. Dass es bei ihm kribbelte, wenn er daran dachte, morgen spionieren zu gehen. Die Geheimniskrämerei hatte Brugger nun fast fünf Tage lang regelrecht zermürbt. Mit niemand reden zu können, außer mit Emma, war furchtbar und sie hatte selbst gesagt, dass sie da nicht wirklich mithalten konnte. Sie war Ärztin und keine theoretische Physikerin.

      Aber dieser Zsolt war vielleicht ein Genie, vielleicht ein Freak; ein wenig Wissenschaftler, ein wenig Spion und Dieb. Jedenfalls nicht der schlechteste Diskussionspartner für den vorliegenden Fall. Und wenn Brugger ganz ehrlich war, konnte er nun auch verstehen, warum seine Tochter diesen Mann mochte. Nach einer Weile „wollte“ man ihm einfach glauben, dass er ein moderner Robin Hood war.

      Oder war es doch nur der süße Tokaier, der ihm zu Kopf stieg? Er würde skeptisch bleiben, das versprach er sich, aber es war trotzdem schön, endlich über seine Entdeckung reden zu können. Brugger war einfach gespannt auf den morgigen Tag und stellte sich schon vor, wie sie gemeinsam nach geheimen Fächern suchten oder wie gar ein Buch im Regal nach vorne kippte, sich die Tür zu Magnussens finsterem Labor öffnete und sie im Keller die Zeitmaschine fänden.

      „In welche Zeit würden Sie gern reisen, Erik?“, fragte er so überraschend, dass Erik und Emma sich erst mal sprachlos anblickten.

      „Ich würde nie durch die Zeit reisen!“, kam es dann doch recht spontan zurück.

      „Aber gerade Zeitreisen wären doch in Ihrem Beruf eine wahre Goldmine oder täusche ich mich da?“

      „Ich denke, dass jeder, der durch die Zeit reist, mit seinem Leben und dem anderer Menschen spielen würde. Reist man in die Vergangenheit, kann jede Aktion dazu führen, dass man selbst oder jemand, der einem etwas bedeutet, gar nicht existiert. Reist man in die Zukunft und wieder zurück, um aus dem Wissen Profit zu schlagen, verändert man die Zukunft, die man dort gesehen oder erlebt hat. Damit ist der Blick in die Zukunft dann auch nichts mehr wert.“

      „Also haben Sie sich mit der Thematik schon beschäftigt?“

      „Nicht sonderlich! Aber ich kann Ihnen eins versprechen: Sollten wir eine Zeitmaschine finden, werde ich alles daran setzen, sie zu zerstören. Aber wie gesagt, ich glaube nicht an Zeitreisen.“

      Brugger nickte zufrieden. Eriks Antwort kam ihm nicht einstudiert vor, und Brugger mochte den Respekt, den er der Thematik zollte. Vielleicht war er doch kein so schlechter Kerl? Wenn es nach ihm ginge, würden die „Eloi“ also weiterhin von den „Morlocks“ gefressen werden, aber das war eben der Lauf der Dinge, in den auch Brugger nie eingreifen würde.

       Zumindest nicht wissentlich oder absichtlich!

      8 - Mister Brugger und sein Chauffeur

      Brugger saß auf dem Beifahrersitz des teuren Mercedes, den Erik am Flughafen angemietet hatte. Ob das nun ein „CL“ oder ein „SL“ war, konnte er nicht sagen, aber die junge Frau am Schalter war sehr erfreut über die Vermietung.

      Ein Modell der obersten Vermietungskategorie, das war klar, dazu das komplette Versicherungspaket und alles auf eine schwarze Kreditkarte. Angeber! Ob er mit ihr auch flirtete, konnte Brugger nur erahnen, schließlich unterhielt sich Erik mit ihr selbstverständlich in der Landessprache.

      Seit dem Flug in der „Business-Class Plus“ hatte er schon nicht mehr das Gefühl, sie reisten als der Professor und sein Assistent, sondern eher als Erik Zsolt und „Sidekick“. Ja! „Business-Class Plus“, so nennt man das heute, weil es auf so kurzen Strecken keine „Erste Klasse“ gibt, aber die Airlines trotzdem darauf achten, dass es deutliche Klassenunterschiede zwischen den Passagieren gibt. Dabei war er eingestiegen, hatte sowohl den Champagner als auch den Tomatensaft dankend abgelehnt und war eingenickt.

      Eine Stunde unruhigen Schlafs hätte er auch in der normalen „Business Class“ haben können und wer zum Geier trinkt morgens um acht Uhr Champagner oder Tomatensaft? Ach! Wer zum Geier trinkt zu irgendeiner Uhrzeit Tomatensaft, es sei denn, er ist zufällig an Bord eines Flugzeugs? Dabei schmeckt das Zeug in zehntausend Metern Höhe noch genauso eklig, wie auf dem Boden, dachte Brugger.

      Und nun eben dieses Bonzen-Auto! Gestern Abend hatten sie noch geklärt, was sie anziehen sollten. Erik hatte Anzug vorgeschlagen, aber Brugger hatte nur einen guten Anzug und der war schwarz. Die richtige Farbe für Festakte und Beerdigungen, aber hier empfand er ihn unangebracht. „Wir sind Physiker! Und nicht die Men in Black!“

      Also war der Deal, Brugger würde einen Cardigan statt des Sakkos anziehen und Erik sollte ganz auf Sakko und Krawatte verzichten. Doch nun würden sie in einem Wagen vorfahren, in dessen Benutzerhandbuch bereits vermerkt war, man möge ihn nur mit Anzug und Krawatte fahren. Es waren solche kleinen Dinge, die Brugger störten und seine Laune verhageln konnten. „Toll! Jetzt bin ich underdressed!

      Erik blickte kurz rüber zu ihm und musste dann lachen. „Was gibt es da zu lachen?“, schob der Professor nach.

      „Wissen Sie Herr Professor, Sie haben heute noch keine drei Worte über ihre Lippen gebracht und jetzt klingen Sie, als wollten sie bei Heidi Klum das nächste Topmodel werden.“

      Brugger war kurz sprachlos, dann musste auch er lachen. Es tat gut zu lachen. Er hatte kaum geschlafen, weil er ständig den heutigen Tag in Gedanken durchgespielt hatte. Und er musste nicht nur auf sich selbst, sondern eben auch auf seinen Begleiter achten.

      „Wissen Sie, Erik, ich bin einfach gereizt, weil ich hier nicht hergehöre. Das ist nicht meine Welt! Ich fühle mich unwohl bei dem, was wir vorhaben. Und außerdem traue ich Ihnen einfach nicht so, wie Emma das gern hätte.“

      So! Damit hatte er es endlich mal ausgesprochen. Gestern hatte er sich wegen seiner Tochter immer zurückgehalten, aber er fand es besser und anständiger, das Kind beim Namen zu nennen. Erik schwieg eine Weile, wirkte aber nicht gekränkt.

      „Professor, was hat Ihnen Emma eigentlich über meine Behandlung erzählt?“

      „Sie kennen meine Tochter! Ich weiß nur, dass Sie wohl einen Tumor oder etwas Ähnliches hatten und dass Sie diesen entfernt hat. Berufliche Details oder Vertrauliches würde sie selbst mir nie erzählen.“

      Das war nicht hundertprozentig die Wahrheit. Emma hatte Andeutungen gemacht, dass Erik ein besonderer Fall war, dass sein Gehirn oder sein Verstand eine Besonderheit aufwies, welche ihn für diesen Job geradezu prädestinierte. Und sie hatte auch gesagt, Erik verdanke ihr sein Leben. Er musste ja nicht unbedingt wissen, dass sie ihm das anvertraut hatte.

       Mal sehen, was er MIR erzählt!

      Brugger erhielt eine Kurzfassung von Eriks Intelligenzschub als Kind, von den Kopfschmerzen, bis zu Emmas Entdeckung und dass der Tumor in Wahrheit ein neuer Gehirnlappen war. Ob Mutation oder Evolutionsschub, sollte der Professor für sich selbst entscheiden, aber er möge es bitte geheim halten. Und dann erzählte Erik von der Operation.

      „Ich war völlig hilflos, halb sitzend, halb liegend, mein Kopf wurde in drei medizinischen Schraubzwängen fixiert. Ich durfte mich um keinen Millimeter bewegen, weil diese lange OP-Nadel, gesteuert von einem Roboterarm und einem Computerprogramm, durch meine Nase in mein Gehirn vordrang. Betäubung gab es nur ganz lokal in die Nase, weil ich wach sein und von einem Bildschirm einfache Worte und Zahlen ablesen musste. Emma leitete die Operation und ihre Mutter assistierte.“

      Dass Karina assistiert hatte, war für Brugger neu. Keine von beiden hatte das jemals erwähnt. Schau an!

      „Nach einer Weile blickten mich plötzlich alle erschrocken an und erst da merkte ich, dass ich Blödsinn redete. Statt Hund, Zwölf und Axt sagte ich Blumurumbubu oder etwas Vergleichbares. Was genau, kann ich nicht sagen, weil ich ja dachte, ich sage