Christian Schuetz

CYTO-X


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ich weg.“

      Brugger beobachtete Erik von der Seite und studierte ihn dabei. Da war sie wieder diese Offenheit, die er so schätzte.

      „Aber ich war immer wieder kurz bei Sinnen und habe gehört, wie sich Emma mit ihrer Mutter stritt. Sie würde ihre Zulassung riskieren, falls sie das machen würde, hörte ich die Mutter sagen. Dass das Medikament streng genommen Gift sei und für diese OP weder erprobt noch zugelassen. Und Emma sagte nur: Wenn ich es nicht mache, stirbt er! Scheiß auf die Zulassung! Dann war ich wieder die meiste Zeit weg und kam erst wieder richtig zu mir, als alles vorbei war.“

      Brugger hörte mit großer Sorge, dass seine Tochter so drastisch gegen Vorschriften verstoßen hatte. Er kannte ihre Leidenschaft für ihre Patienten zwar, aber soweit war sie seines Wissens nie gegangen.

      „Als ich aufwachte, beugte sie sich über mich und lächelte mich an. Ich war zwar noch benommen und mir nicht ganz sicher, ob ich lebte oder tot war, aber ihre Erleichterung konnte ich sofort sehen. Ich hab' sie direkt gefragt: Wie knapp war es? Ihr Lächeln verschwand und sie gestand ein, dass es sehr knapp war.

      Streng genommen, hat sie die Ränder meines neuen Lappens vergiftet, um das Wachstum dort zu stoppen. Besser kann ich es nicht erklären, da müssten Sie sie selbst fragen. Jedenfalls wäre es keine endgültige Lösung. Irgendwann würde sich das Gewebe soweit regenerieren, dass es wieder zu wachsen anfängt. Dann geht alles von vorne los.“

      Brugger sagte nichts. Die beiden schwiegen sich eine Weile an und tauschten unsichere Blicke aus.

      „Ich verdanke Emma mein Leben, das steht fest. Dafür hat sie ihre Karriere riskiert. Und das für einen Mann, den sie gerade mal fünf Tage kannte und der ihr gestanden hatte, dass er sein Geld mit unehrenhaften Mitteln verdient. Ich glaube kaum, dass viele Ärzte so reagiert hätten. Wenn diese Frau mich also bittet, ihrem Vater bei einem Problem zu helfen, dann werde ich das ebenso bedingungslos durchziehen.“

      Brugger blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er hatte ihn offen damit konfrontiert, dass er ihm nicht recht vertraute und Erik hatte ihm eine ausführliche Begründung gegeben, warum er sich Emma gegenüber verpflichtet fühlte. Er beschloss die Sticheleien fürs Erste ruhen zu lassen, da auch Eriks Stimme bereits ein wenig gereizt klang, aber sein Chauffeur war noch nicht fertig.

      „Wissen Sie, als Emma mich kontaktiert hat, da habe ich erst mal ihre Uni überprüft. Ihre Sicherheitsstandards sind verheerend. Das sind so die gängigen, aber recht ineffektiven Sicherheitspakete. Ich war innerhalb von fünf Minuten auf einem zentralen Server, der mich fast höflich danach fragte, wo ich denn wildern möchte. Ihre Akten dort sind zwar nicht direkt via Internet verfügbar, aber weit ist der Schritt nicht.

      Ich bin nur froh, dass Sie Ihre Arbeit zu dem Thema zu Hause vervollständigt haben und so schlau waren, die Ergebnisse eben nicht mehr am Uni-Server zu speichern. Ihre derzeitige Studie über Black-Spots hat bereits eine digitale Signatur, die anzeigt, dass externe Quellen sich regelmäßig über den Stand erkundigen.“

      Brugger war das jetzt etwas unangenehm. Er war in die Defensive gedrängt und es wuchs langsam zu einer Standpauke an. Die Kritik richtete sich zwar hauptsächlich gegen seine Uni, aber nach so langer Zeit identifizierte man sich mit dem Arbeitgeber dann doch irgendwie.

      Andererseits spürte er eine seltsame Zufriedenheit, dass man seiner Studie anscheinend eine gewisse Aufmerksamkeit schenkte. Fast hätte er gefragt, welchen Codenamen seine Studie bei der CIA hätte, aber er merkte, dass Erik noch nicht mit seinem Bericht fertig war.

      „Ich habe Ihnen gestern eine kleine Extra-Firewall auf ihren Rechner und Ihren Laptop geladen. Die sollte verhindern, dass jemand von Ihrer Uni aus auf ihre Rechner zu Hause zugreifen kann. Bisher war das nämlich möglich, solange ihr Router am Stromnetz hing. Ich kann Ihnen empfehlen, das ruhig öfter zu machen. Also, den Stecker aus dem Router zu ziehen. Das hilft wirklich! Trotzdem sollten Sie die Studie baldigst zu Grabe tragen, damit nicht irgendwelche Informationen auf unsere Nachforschungen deuten. Bisher ist Black-Spot nur von sehr geringem Interesse für die Feinde, weil es keine Ergebnisse gibt. Seien Sie froh!“

      Erik musste dann wieder zu Atem kommen und Brugger war leicht perplex. Entweder hatte dieser Erik wirklich Ahnung oder er war ein paranoider Spinner. „Feinde“ hatte er gesagt! Das klang schon mal etwas suspekt.

      „Wer sind denn Ihrer Meinung nach diese Feinde?“, hakte er dann nach. Am leicht irritierten Blick von Erik merkte er, dass dieser den Begriff wohl im Affekt gewählt hatte und diese Wortwahl nun rechtfertigen musste. Und sicher wollte er dabei nicht zu viel über seinen komischen Verein offenbaren.

      „Wissen Sie, Professor, heutzutage sind es nicht mehr nur die Geheimdienste, wie die CIA, sondern auch private Organisationen, Firmen die für große Konzerne spionieren. Wir machen das streng genommen genauso. Wir hacken uns in Institute oder Universitäten ein und schauen, was es Neues gibt. Wir nennen unsere beiden Leute, die das machen, Scanner. Wenn die was Interessantes finden, schicken sie es an jemanden, in dessen Fachbereich es fällt. Damit derjenige es dann finden kann, muss eine Art Lesezeichen gesetzt werden.

      Im Fall Ihrer Black-Spots habe ich drei verschiedene Lesezeichen gefunden. Ob sich jetzt der CIA, der Mossad, die Chinesen oder private Organisationen dafür interessieren, kann ich nicht sagen. Ich könnte jemanden darauf ansetzen, aber das wollen wir ja nicht, weil es unter uns bleiben soll. Wer auch immer solch ein Lesezeichen gesetzt hat, ist sicher nicht unser Freund und daher spreche ich von Feinden. Das ist leichter, als alle Möglichkeiten aufzulisten.“

      Brugger konnte sicher damit leben, dass er oder seine Uni im Bereich Spionage extreme Laien waren. Eine Uni ist schließlich auch für die Verbreitung von Wissen da und nicht für die Geheimhaltung. Andererseits sollte man nicht alles in die Welt hinaus posaunen, ohne es vorher geprüft zu haben. Also in Sachen Sicherheit und sonstigem Spionage-Zeugs würde Erik das Sagen haben und Brugger würde folgen.

      Allerdings fühlte Brugger sich verpflichtet, diese Aussprache mit einer persönlichen Note abzuschließen, die Erik zeigen sollte, dass er ihm durchaus einen gewissen Vertrauensvorschuss geben würde, ohne aber auf ein gesundes Maß an Wachsamkeit zu verzichten.

      Das war nicht so leicht, weil er sich im Sarkasmus eher zu Hause fühlte, als in korrekten Umgangsformen. Emma und Karina waren in diesen Dingen viel besser. Anscheinend war es förderlich für solche Situationen, wenn man beruflich mit Menschen und ihren Problemen oder gar Dramen zu tun hatte.

      Brugger wollte nicht zu flapsig klingen, aber er wollte auch keine hochtrabenden Worte verwenden. Es dürfte ruhig etwas väterlich klingen, aber wiederum nicht zu altbacken...

      „Wir sind da!“, sagte Erik und Brugger dachte: „Hui! Vom Gong gerettet!“

      9 - Haus am See

      Erik hatte sich auf das Treffen bei Professor Brugger natürlich gründlich vorbereitet. Er hatte sich in den zentralen Server der „Goethe Universität“ eingehackt und hatte sich dort nach Belieben umsehen können. Aber er war hochzufrieden, dass zu Bruggers Spezialproblem nicht wirklich etwas zu finden war. Das war für den weiteren Ablauf sehr wichtig. Ausgehend davon, dass weder Brugger selbst, noch Emma, oder auch er, irgendwelche zusätzlichen Personen mit ins Boot des Vertrauens holen würden, war eine zufriedenstellende Geheimhaltung gewährleistet.

      Erik war auch froh, dass der Professor grundsätzlich misstrauisch und vorsichtig war. Den Router auszustecken, war clever, aber angesichts von Eriks Ausrüstung leider vergeblich. Er trug immer einen mobilen Bluetooth-WLAN-Adapter in einer seiner Taschen. Selbst wenn Brugger alle Adapter seines Laptops deaktiviert hätte, wäre Erik in der Lage gewesen, sie wieder zu starten. Aber es ging auch nicht darum, etwas zu klauen, sondern darum, die beiden Rechner des Professors etwas sicherer zu machen.

      Nebenher hatte er auch das Analyseprogramm und die Daten von Magnussen auf seinen eigenen Laptop transferiert. Von Fernaktivierung von Computern hatte der Professor wohl keine Ahnung. Na ja, jetzt hatte er ihm zumindest gebeichtet, dass er da eine Firewall installiert hatte, und der Professor war auch nicht explodiert. Man