Christian Schuetz

CYTO-X


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Eisen den Ball traf wusste er, dass er sich bei ihr unters Messer legen könnte.

      Der kurze, aber spitze Freudenschrei, den sie ausstieß, als der Ball die Lücke exakt traf, überraschte ihn zwar etwas, aber gegen ein wenig Feuer im Blut war nichts einzuwenden, und als er ihre blitzenden Augen sah, war ihm bewusst, er könnte sie haben, weil sie ihn ebenso wollte, wie er sie, aber das alles stand nicht zur Diskussion. Beide zwangen sich nach dem kurzen Jubel zurück in ihre Reserviertheit und wanderten in froher Erwartung einer guten Ablage über das Fairway.

      „Können und wollen Sie mich unter den genannten Umständen als Patient akzeptieren, Emma?“

      „Nun, ich werde Ihre Operationen als Tumorentfernung deklarieren. Ich brauche zwei Assistenten für die OP, aber Sie haben Glück! Meine Mutter kann als Anästhesistin arbeiten. Und meine OP-Schwester ist verschwiegen. Für den Fall eines schlechten Ausgangs ... Verzeihen Sie, dass ich das ansprechen muss, aber ich brauche Dokumente, die die OP erklären, falls sie diese nicht überleben sollten. Ich brauche Ihre Einwilligung zu den Eingriffen, die ich genau beschreiben muss. Sobald Sie diese unterschrieben haben, kommen sie in mein Bankschließfach. Und Sie müssen dafür sorgen, dass alle Operationen im Voraus bezahlt sind, damit niemand aus der Verwaltung nachfragt. Fürs Erste reicht Ihre Anzahlung ja eine Weile. Können Sie mit meinen Konditionen leben, Erik?“

      Er spürte eine Gänsehaut, als sie von seinem möglichen Ableben sprach. Sie hatte in allen Punkten Recht. Er hatte ihr nur nicht zugetraut, das alles so nüchtern und sachlich rüberzubringen, nachdem sie vor fünf Minuten noch freudig quietschend einen Golfschlag bejubelt hatte. Einen zugegeben exzellenten Schlag, der den Ball bis auf zwei Meter an die Fahne befördert hatte, wie sie nun sahen.

      „Ich bin einverstanden! Und jetzt holen Sie sich Ihren Rekord!“

      Während sie aufs Grün schritt, griff er in seine Jacke und holte schnell das kleine Döschen raus. Drei Tabletten hatte er noch. Er wusste, dass die Dinger nicht gut für seinen Magen waren, aber sie nicht zu nehmen, war angesichts des bohrenden Schmerzes im Kopf auch keine Alternative. Er schluckte schnell eine davon, bevor Emma es sehen konnte. Sie waren klein und glatt und ließen sich auch mal ohne Getränk einnehmen.

      Nun hoffte er, dass die Wirkung schön schnell einsetzte, denn er wankte schon ein wenig. Seine Pupillen zitterten und das führte natürlich zu leichtem Schwindel, aber er konnte noch sehen wie Emma einlochte und dann ihren Rekord mit einem lauten „Ja!“ feierte.

      Emmas Lächeln verschwand schnell, als sie seinen Zustand bemerkte. Wie aus dem Nichts hatte sie plötzlich eine kleine Taschenlampe zur Hand und leuchtete ihm in die Augen. Sie stützte seinen Hinterkopf und auf ihrer Stirn war nun mehr als nur die eine Falte zu sehen, die Erik so gefallen hatte.

      Dann steckte sie die Lampe schnell weg, weil sie merkte, sie würde beide Hände brauchen, um ihn zu stützen. Sie hielt seine Hände und sah ihm in seine zuckenden Augen. Erik sah mindestens zwei Emmas.

      „Wir fangen morgen an!“, erklärte sie entschlossen. „Sie haben bei der Beschreibung der Schmerzen entsetzlich untertrieben. Ich fürchte, wir müssen uns beeilen, sonst bringt Sie der Druck in ihrem Kopf um. Und ich spreche hier nicht von Monaten oder Jahren. Morgen zehn Uhr Kernspin. Ich verschiebe eine Patientin, bei der es nicht auf ein paar Tage ankommt. Wir operieren Sie spätestens in drei Tagen, also nehmen Sie sich nichts anderes vor. Und falls Sie verschwinden müssen, bleiben Sie trotzdem, sonst sterben Sie!“

      6 - Brugger

      Brugger saß mürrisch auf einem seiner Barhocker und musste zusehen, wie ein bekannter, vielleicht sogar von mehreren Staaten gesuchter Dieb, seine Studie inspizierte. Er hatte sich vorbereitet, diesem Kerl, den seine Tochter angeschleppt hatte, zu erklären, was er gefunden hatte, welche Rückschlüsse er gezogen hatte und welche Aspekte seiner Forschung ihm die meisten Sorgen bereiteten. Aber der Herr hatte gemeint, er würde sich gerne alleine hineinlesen, weil er unbefangen vielleicht eine andere Sichtweise liefern könnte.

       Keinerlei Abschluss in irgendeinem Fachbereich, aber er wollte einem der Top-Physiker dieser Welt eine zweite Meinung anbieten? Na, bravo!

      Sicher hatte Emma versucht, ihm zu erklären, dass es sich bei Zsolt um einen modernen Robin Hood handelte, aber Brugger hatte auch gemerkt, dass seine Tochter in diesen Mann irgendwie verschossen war und somit keine wirklich objektive und klare Sicht hatte.

      Er hatte es vermieden, sie darauf hinzuweisen, dass dieser Mann anscheinend Millionen mit seiner Industriespionage und möglichen anderen Betrügereien verdient hatte. Da war die Rede von Wohnsitzen in London, Australien und Südafrika. Das Haus der Mutter in Malmö nicht zu vergessen! Seines Wissens war Robin Hood nicht reich geworden, als er von den Reichen stahl, um es den Armen zu geben.

      Zsolts Kleidung war zugegeben einfach gehalten, aber das schien mehr dem Zweck der Unauffälligkeit zu dienen. Die Uhr an seinem Handgelenk war teuer, sehr teuer. Der Laptop, den er mitgebracht hatte und auf Bruggers Bitte hin auf einem kleinen Tisch außerhalb seiner Reichweite abgelegt hatte, trug keine Herstellerlogos. Brugger konnte sehen, wie vorsichtig er mit dem Gerät umging und wie er seither immer wieder kurze Blicke auf den Laptop warf, anscheinend um zu prüfen, ob er noch da war. Brugger würde jede Wette halten, dass dieses Gerät nahezu unbezahlbar war.

      Auch sein Handy hatte er auf Bruggers Wunsch hin außer Reichweite ablegen müssen. Keine Spionage im Hause Brugger, das hatte er sich geschworen. Er bereute es ein wenig, seiner Tochter vertraut zu haben. Ihr Urteilsvermögen hatte er immer geschätzt, aber in dem Moment, als Brugger sie gemeinsam gesehen hatte, und gesehen hatte, wie sie ihn ansah, da wusste er, dass sie zumindest für ihn schwärmte, wenn nicht sogar in ihn verliebt war. Und damit war er sich nicht mehr so sicher, ob Emma in der Lage sein konnte, diesen Mann richtig einzuschätzen.

      Brugger blickte nervös und gereizt auf seine Uhr. Emma musste nochmal schnell weg, nachdem sie Zsolt bei ihm abgeliefert hatte. „Ein paar Besorgungen machen!“, hatte sie gesagt und danach würde sie etwas zu essen mitbringen.

      Es war schon klar, dass sie wollte, dass sie sich etwas gegenseitig beschnupperten, ohne dass sie dabei störte, aber solange Zsolt mehr oder weniger versunken in die Studie war, blieb Brugger nichts anderes übrig als ihm dabei zuzusehen. Alleine lassen würde er ihn sicher nicht mit seiner Arbeit und er würde auch kontinuierlich ein waches Auge auf ihn haben.

      Es war nun Dienstagabend. Morgen in aller Frühe würde er mit diesem Fremden nach Norwegen aufbrechen müssen. Er hatte in den vergangenen Tagen mehrfach versucht, Emma dazu zu überreden, doch an Zsolts Stelle mit ihm zu fliegen, aber zum einen konnte sie wohl ihre Termine nicht verschieben und zum anderen lag das Problem einfach nicht in ihrem Fachbereich.

      Da hatte sie ganz Recht, aber für Brugger war es einfach furchtbar, gerade bei diesem heißen Eisen einen Fremden einzuweihen. Für ihn stand fest, dass diese Entdeckung in der Welt ein Chaos ungeahnten Ausmaßes erzeugen könnte, falls sie in die falschen Hände geriet.

      Und dass dort drüben „falsche Hände“ saßen, stand für Brugger fest. Diese waren übrigens gerade dabei, das Analyseprogramm zu starten. Brugger war besonders stolz auf sich, daran gedacht zu haben, seinen WLAN-Router auszustecken. Er wollte nicht riskieren, dass dieser Profi-Hacker einen Trick kannte, mit dem man den Ein- und Ausschalter digital umgehen konnte, also hatte er lieber gleich das Übel an der Wurzel gepackt und den Stecker rausgezogen.

      Die Daten waren komplett vorhanden, eine Internet-Verbindung also nicht nötig. Er konnte nicht verhindern, dass sich Zsolt wichtige Details im Kopf merkte, aber alle anderen Dokumentations- oder Datenübertragungsoptionen hatte er ihm genommen.

      Eigentlich sollte Zsolt ihn nur bei der Spurensuche in Norwegen unterstützen, aber dazu musste er alle Erkenntnisse mit ihm teilen, sonst wäre er sicher kein guter Assistent in Frau Magnussens Haus. Brugger bezweifelte aber, ob sich dieser Zsolt mit der Rolle eines Assistenten begnügen würde.

      Mittlerweile spürte er seinen Magen rumoren und das nicht nur, weil er langsam Hunger bekam. Es zwickte einfach unbehaglich, als wolle sein Körper ihn warnen, aber eine Alternative zu Emmas Plan hatte