Christian Schuetz

CYTO-X


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wir hier offen diskutieren wollen, dann sollten wir es vermeiden, die einen fantastischen Ideen zu akzeptieren, aber über die anderen zu lachen.“

      Plötzlich blickten beide zu Emma, die auf ihrem großen, neuen Smartphone herumwischte. „Was machst du da, Emma?“, fragte Brugger.

      „Nun, ich versuche wenigstens halbwegs mitzukommen worüber ihr da redet. Ich google nebenher die Begriffe, die ihr Euch um die Ohren werft, aber das geht verdammt langsam. Sag mal, Dad, ist dein WLAN aus?“

      Brugger stöhnte. „Ich hab den Router ausgesteckt!“

      Emma blickte ihn völlig verständnislos an. „Warum steckst du deinen Router aus?“

      „Weil ich ...“, begann Brugger, aber um sich weitere Erklärungen zu ersparen, schnaufe er gereizt und stapfte in Richtung Küche, wo das Kabel lag. Jetzt war es wohl auch egal. Sollte Zsolt doch alles in die Welt hinausblasen, dann müsste er sich nicht mehr selbst darum kümmern, was sich hinter dem komplizierten Mist noch alles versteckte.

      Als er zurück an den Tisch kam, sagte Emma: „Ah! Philadelphia-Experiment! Sehr interessant! Danke, Papa! Ohne WLAN ist das kriechend langsam auf meinem Handy.“

      7 - Tokaier

      Brugger räumte den Tisch ab, als er erkannte, dass die Diskussion aus dem Ruder lief. Es war für ihn immer gut, irgendetwas mit den Händen zu machen, wenn sich sein Temperament in einer Debatte zu Wort gemeldet hatte und er wollte nicht durch unbedachte Äußerungen ein zweites Mal wie ein Idiot dastehen. Er brachte dann die etwas kleineren Gläser für den süßen Tokaier und schenkte den beiden und sich ein.

      „Gut! Dann erzählen Sie mir mal, wie weit die Amis oder die Chinesen mit dem phasischen Zustand sind“, gab er sich ganz gelassen. Zsolt hatte schon Recht. Man kann nicht über Zeitreisen reden und andere Science-Fiction-Themen ausschließen.

      „Da gibt es nicht so viel zu sagen. Die Amis arbeiten nachweislich daran. In einem geheimen Memorandum wurde mal niedergelegt, dass man die Entwicklung an unbemannten Kampfflugzeugen forcieren wolle, um die Phasen-Technologie nutzen zu können, sobald sie ausgereift wäre.“

      Zsolt nahm einen Schluck vom Tokaier und rümpfte ganz kurz die Nase. Brugger bemerkte das sofort und wunderte sich. Ein Ungar der keinen Tokaier mag? Bizarr!

      Zsolt überlegte kurz und fuhr dann fort: „Also die Amis sind in der Lage feste, metallische Gegenstände in eine Art molekulare Schwingung zu versetzen. Das sieht dann aus, als vibriere alles und man wartet darauf, dass das Ding sich kurz in Luft auflöst. Passiert aber nicht, weil sie eben noch nicht soweit sind. Organische Materie geht gar nicht. Zumindest finden sie da keinen Ansatz. Deswegen eben unbemannte Flugzeuge. Wenn sie es erreichen könnten, dass sich der Jet für vielleicht eine halbe Sekunde entmaterialisiert, könnte ihn keine gegnerische Abfangrakete mehr treffen. Flutscht dann einfach durch!“

      Brugger konnte in Zsolts Augen die Faszination über eine solche Technologie deutlich sehen und auch, dass dieser Mann alles daran setzen würde, sich so eine Entwicklung unter den Nagel zu reißen und meistbietend zu verkaufen. Die beiden Männer blickten sich an und Brugger konnte förmlich spüren, dass sein Gegenüber versuchte, seinen Blick zu deuten. Leicht würde das nicht werden mit ihm. Woher sollte das Vertrauen kommen, das Brugger brauchte, um mit Zsolt in Norwegen nach weiteren Hinweisen zu suchen?

      Er musste ihm weiter auf den Zahn fühlen. „Sie haben sicher schon einiges gesehen, was für uns hier nur Science Fiction ist! Ich glaube allein in Ihrem Laptop sind schon einige Bausteine, die normalerweise in keinem Rechner vorkommen.“

      Brugger versuchte, einfach von ihm ein paar ehrliche Aussagen zu bekommen, um vielleicht erkennen zu können, wann er log und wann nicht. Ob das möglich sein könnte, wusste er nicht, schon gar nicht bei der kurzen Kennenlern-Zeit, aber einen Versuch war es wert.

      „Science Fiction würde ich es nicht nennen. Wir verwenden gern den Begriff Next Level Technology, also alles, was bald auf den Markt kommt, aber noch nicht ganz machbar ist. Da liegen der größte Profit und eben auch die Möglichkeit, es von Mega-Konzernen oder staatlich finanzierten Forschungseinrichtungen zu stehlen. Wir schauen uns aber gern so Sachen, wie experimentelle Phasen-Modulatoren an, weil wir gern auf dem Laufenden sind und gern wissen, wann es in die machbare Phase übergeht.“

      Zsolt grinste kurz. „Machbare Phase! Das war jetzt nicht als Wortspiel gedacht, klingt aber gut. Gerade bei so etwas Kritischem, weiß ich nicht, wie wir vorgehen würden. Nach Möglichkeit würden wir es sabotieren und hinauszögern oder publik machen, weil eine solche Technologie nicht in den Händen einer einzelnen Supermacht gehört. Fragen Sie mich was Leichteres! Wir können es kaum stehlen und dann im Elektromarkt anbieten.“

      Brugger fand die Offenheit ermutigend, allerdings hatte er auch bemerkt, dass Zsolt sehr vage in den Ausführungen war. Er wusste, dass er nicht fragen brauchte, wer genau das „Wir“ in seinen Ausführungen war, aber wenigstens nannte er das Kind beim Namen: „Stehlen!“

      Das war erfrischend offen, könnte aber auch bedeuten, dass er keine Angst davor zu haben brauchte, dass Brugger vielleicht über ihn redete. Und falls doch, würde er schnell den „Houdini“ machen und war nicht mehr gesehen. Aber ein paar Pluspunkte hatte er gesammelt.

      „Wie soll das morgen ablaufen? Ich meine, ich habe ja keine Ahnung von Spionage oder anderen Nachforschungen.“

      „Haben Sie denn eine Geschichte parat, die sie Frau Magnussen erzählen wollen? Also, Sie müssen ihr schließlich irgendwas sagen, was Sie gefunden haben oder was Sie vermuten.“

      Brugger nickte. Er war froh, dass er sich hierzu schon eine Geschichte zurechtgelegt hatte. Er hatte immerhin drei Tage Zeit gehabt und sie in der Hinsicht sinnvoll genutzt.

      „Ich sage ihr, dass wir Spuren verschiedener Verbindungen gefunden haben, in ganz geringen Mengen, die uns keine weiteren Aufschlüsse erlauben. Wir vermuten, das Ganze hätte mit dem Magnetfeld und vielleicht der Sonnenstrahlung zu tun und dass unter gewissen Umständen Veränderungen der Luft auftreten. Aber wir stecken in einer Sackgasse.

      Falls es in Magnussens Unterlagen vielleicht doch Hinweise gäbe, zu den Zusammenhängen, dann bräuchten wir die Versuchsanordnung nicht komplett neu ansetzen. Die alten Proben können schließlich nicht mehr verwendet werden, weil sie zu alt sind, aber vielleicht hat mein Kollege dazu Notizen gemacht, die erst jetzt Sinn ergeben, mit den Ergebnissen, die wir erzielt haben.“

      Zsolt nickte. Applaus war es nicht gerade, aber das musste auch nicht sein. „Die erste Hälfte ist sehr gut, aber versuchen Sie nicht zu sehr ins Detail zu gehen, das wirkt dann gerne mal überzogen. Die Frau wird sicher eh nachfragen und je mehr Sie an Erklärungen einsparen können, desto besser, aber das klingt sehr schlüssig. Ich nehme an, die Witwe hat keinen wissenschaftlichen Hintergrund?“

      „Habe ich geprüft!“, warf Emma sichtlich stolz ein. „Als sie sagte, sie mag es nicht, wenn man sie Frau Professor nennt, habe ich mich schlau gemacht. Die ist gut zwanzig Jahre jünger als ihr Mann war und hat früher als Model und Fernsehmoderatorin gearbeitet. Und ich dachte am Telefon, ich sprech' mit einer netten, alten Dame!

      Wie und wo sie sich kennengelernt haben, weiß ich nicht, aber mit Naturwissenschaften hat sie nix am Hut! Arbeitet heute ehrenamtlich für eine norwegische Kinderschutzinitiative. Das klingt alles nach einer sehr engagierten Dame.“

      Sie blickte die beiden eine Weile an. „Gern geschehen!“, sagte sie und grinste. Ein bisschen mitspielen würde sie wohl schon gerne, dachte Brugger, aber als Spiel empfand er selbst das so gar nicht. Aber vielleicht würde ihm ein wenig der Leichtigkeit seiner Tochter gut tun.

      „Ich beschäftige also die Witwe und Sie durchsuchen die Unterlagen?“, schlug Brugger vor.

      „Prinzipiell ja. Ich hoffe aber, die Dame gibt uns ein paar Freiheiten, so dass Sie mir helfen können. Sie kennen die Untersuchungsberichte sicher besser als ich.“

      Brugger bezweifelte, dass er Zsolt eine große Hilfe wäre, schließlich