Christian Schuetz

CYTO-X


Скачать книгу

Schübe selbst tastete er ebenfalls ab, um zu sehen ob es dort vielleicht Versteckmöglichkeiten gab, aber fündig wurde er erst in der letzten und obersten Schublade. Dort hatte Magnussen ganz hinten ein kleines, schwarzes Büchlein deponiert, das sich als handschriftlich geführtes Adressbuch erwies.

      Erik steckte es schnell in seine Hosentasche. Es könnte sich noch als nützlich erweisen, und wenn die Witwe es bis heute nicht vermisst hatte, würde sie es wohl auch in Zukunft kaum vermissen.

      Erik hörte Schritte und griff sich schnell einen Stapel Papiere und begann mit dem Einräumen der Kiste. Als er aufblickte, stand Brugger in der Tür. Erik rollte kurz mit den Augen, was dem Professor nicht verborgen blieb.

      „Was ist los? Habe ich doch gut für uns erbeutet die Kiste!“

      Erik atmete tief durch. Jetzt bloß keinen Streit hier, das können wir nicht brauchen. Aber Brugger hatte bereits gemerkt, dass seinem jungen Kompagnon etwas nicht passte.

      „Wir wollten die Kiste also nicht?“, fragte er so sachlich, wie er konnte.

      „Professor, ich wollte hier Zeit schinden mit den ganzen Papieren, damit ich das Zimmer weiter untersuchen kann. Ich habe bisher gerade mal den Schreibtisch geschafft. Die Bücherregale kann ich jetzt vergessen. Ich hoffe einfach, dass da nichts versteckt ist.“

      Erik bemühte sich, leise und mit tiefer Stimme zu sprechen, weil die Unterhaltung bei Frau Magnussen sicher nicht gut angekommen wäre. „Bitte kaufen Sie mir noch zwanzig Minuten. Sie verstehen sich mit ihr ja prächtig. Ich kann dann das Wichtigste hier noch abklopfen.“

      „Aber wir wollen doch die Papiere hier durchlesen? Da könnte doch ein Schlüssel drin versteckt sein!“, mahnte der Professor an.

      „Ja, aber das meiste habe ich schon gelesen und da ist nichts Neues zu finden“, erwiderte Erik und als er sah wie Brugger die Augenbrauen hochzog, schob er nach: „Na ja, nicht alles gelesen, nur überflogen. Ich hatte Ihnen gesagt, dass ich ein schneller Leser bin. Glauben Sie mir, in diesen Unterlagen gibt es keine bahnbrechenden Erkenntnisse und auch keine Schablone, mit der wir unser Problem lösen könnten. Übrigens, wie wollten Sie die Kiste denn zum Flughafen und nach Frankfurt transportieren?“

      Brugger holte Luft, konnte aber nicht antworten. Erik sah ihm an, wie es ihn wurmte, dass er an so etwas Offensichtliches wie das Transportproblem nicht gedacht hatte. „Mit einem Kombi wäre es kein Problem gewesen! Sie mussten ja diesen Flitzer anmieten!“

      Erik nahm es nicht persönlich, da er die Verteidigungs-Mechanismen von Brugger langsam kannte. „Schon okay! Ich gebe den Auftrag an eine Spedition. Ich hoffe, es ist Ihnen Recht, dass ich die Kiste an Ihre Privatadresse liefern lasse?“

      Brugger nickte, obwohl die Frage sehr rhetorisch war, und schob dann leicht geknickt ab, um bei Marit noch ein wenig Zeit zu schinden. Es passte ihm offensichtlich nicht, dass er auf diese Funktion reduziert wurde, aber da konnte ihm Erik nun auch nicht helfen.

      Mitleid hatte Erik sicher nicht! Die Dame des Hauses war sehr attraktiv für ihr Alter. Nein, sie war sehr attraktiv. Punkt! Sollte der Professor sich ruhig bei Emma beschweren, dass er ihn gezwungen hatte, Zeit mit einer tollen Frau zu verbringen, während er die Arbeit machte.

      Viel wichtiger war nun, die Geheimfächer der Kiste zu öffnen. Die metallenen Abdeckungen waren etwa handtellergroß und er versuchte es zunächst mit sachtem Druck und Schieben, aber noch bewegte sich nichts.

      Nach rein optischen Gesichtspunkten musste es möglich sein, die Abdeckungen nach oben zu schieben, über den Bereich, an dem sich außen die Griffe befanden, aber irgendeine Schraube oder Niete blockierte die Bewegung. Er schnappte sich die Lampe, die auf dem Schreibtisch stand und leuchtete in die Armeekiste hinein, um nach eventuellen Kratzspuren zu suchen.

      Dann sah er das leicht zerkratzte Schräubchen. Jetzt fehlte ihm nur noch ein passender Schraubenzieher. Er holte seine Geldbörse heraus und kippte das Kleingeld aus. Zum Glück hatte er immer Geldstücke in Fremdwährung dabei, denn das Ein-Cent-Stück war deutlich zu dick.

      Amerikanisches Kleingeld eignete sich immer hervorragend als Werkzeug und auch diesmal passte der Dime. Wahrscheinlich war es sogar eine amerikanische Kiste und die Jungs bauten die Sachen schon immer so, dass man zur Not mit Kleingeld herumschrauben konnte.

      Erik lockerte die Schraube und schob nun problemlos das Blech nach oben, aber zu seiner großen Enttäuschung war das Geheimfach leer. Also nahm er sich die zweite Seite vor. Erik musste sich beherrschen, um nicht laut „Wusst' ich's doch!“ zu rufen, als er den kleinen grauen Beutel sah.

      These Nummer vier schien bestätigt und sogar in Form von etwas sehr Handfestem. In dem Beutel befand sich etwas Stabiles in Form und Größe eines Smartphones. Erik gönnte sich einen kurzen Blick, wusste aber, dass er nicht mehr die Zeit hatte, den Fund zu untersuchen.

      In dem Kunststoffbeutel lag ein Gerät, das nochmals in Papier eingewickelt war. Erik erkannte schnell den Briefkopf einer Bank aus Luxemburg und nahm nach einem ersten Blick auf das Papier an, dass es sich wohl um den Mietvertrag für ein Bankschließfach handelte.

      Zwischen den Papieren befand sich ein knallrotes Heft oder Mäppchen: Der Reisepass von Thorwald Magnussen! Und sogar noch gültig! Erik steckte ihn zu dem Adressbuch in seine Hosentasche. Das würde er alles später genau untersuchen, aber momentan faszinierte ihn der eigentliche Fund mehr: Ein seltsames kleines Gerät!

      Es sah aus wie eine mobile Festplatte. Einen Bildschirm konnte er nicht erkennen und die Oberfläche fühlte sich seltsam warm an für ein Gerät, das seit über sechs Jahren in einer Metallkiste lag. Erik suchte nach Rändern oder einem Schlitz, um den rätselhaften Gegenstand zu öffnen. Die Oberfläche hatte es ihm angetan. Das war kein Metall, aber was war es?

      Nun spürte er einen leichten Schauer. Erik kannte sicher nicht jede Erfindung auf diesem Planeten, dazu gab es laufend zu viel Neues. Aber er war sich ziemlich sicher, dass er alles kannte, was vor sechs oder mehr Jahren schon auf dem Technikmarkt verfügbar war.

      Er strich mit der flachen Hand über die glatte Fläche, so als wolle er eine imaginäre Staubschicht abwischen, und als er die Hand wegnahm, stand da wie aus dem Nichts: „Enter name!“

      Erik wankte. Seine These Nummer eins wankte ebenfalls. Dieses Gerät kam entweder aus einer anderen Welt oder der Zukunft. Allerdings war es schon recht unwahrscheinlich, dass ein außerirdisches Gerät eine englische Eingabeaufforderung hätte.

      Der Beutel fiel ihm herunter und er hörte ein leises Klimpern. Er legte das Gerät auf den Schreibtisch und sofort verschwanden die Buchstaben. Nein, da war wirklich keine LED-Oberfläche entstanden und wieder verschwunden. Die Schrift war einfach auf dieser nicht-metallenen Fläche erschienen.

      Erik bückte sich, hob den Beutel auf und fasste nochmals hinein. Seine Finger bekamen einen kleinen Stift zu fassen. Er holte ihn heraus und erkannte einen sehr kompliziert aussehenden Schlüssel. Nun, das passte wenigstens. Das war ein Schließfachschlüssel, dazu der Mietvertrag aus Luxemburg. Eine glasklare Spur!

      Aus den Augenwinkeln blickte er wieder auf das „Alien-Pad“. Einen besseren Namen wusste er momentan dafür nicht, obwohl er eher zu einem „Future-Pad“ tendierte, aber das klang komisch. Und seltsamerweise hoffte er auf die Alien-Erklärung, weil dies zumindest sein Weltbild bestätigen würde, in dem es Zeitreisen nicht geben durfte.

      Erik war ziemlich durch den Wind. Ein Zustand, den er nicht mochte. Gerade eben noch hocherfreut, etwas gefunden zu haben, und nun? Dieses Ding da hatte ihm die Laune verhagelt. Er schüttelte sich. Aufräumen war angesagt, und er musste die Sachen wieder verstecken.

      Zurück in die Truhe wollte er die Sachen nicht legen. Eine Spedition würde ein paar Tage brauchen, bis sie die Kiste nach Deutschland brachte und möglicherweise musste sie irgendwelche Sicherheitskontrollen passieren, bevor sie als Luftfracht aufgegeben werden konnte.

      Erik verfluchte die Zusammenarbeit mit Brugger abermals. Ohne den Professor hätte er jetzt ein Sakko angehabt und hätte dieses Pad schnell in einer Innentasche verschwinden lassen können. Wahrscheinlich hätte er auch seinen Laptop-Rucksack mitgenommen und