Christian Schuetz

CYTO-X


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      Und da war wieder das zögerliche, wenn nicht sogar leicht ängstliche Gesicht bei Erik. Brugger wusste, nun war es soweit. Die große, feierliche Enthüllung des Objekts, das Erik so viel Sorgen zu machen schien.

      Gänsehaut bei Brugger! Das hatte er auch nicht alle Tage! Erik stellte die Platte, auf der das Abendessen angerichtet war, neben die Tür auf den Boden, legte dann den grauen Beutel auf den freien Tisch und ließ langsam einen kleinen, rechteckigen Gegenstand aus ihm gleiten, anscheinend sehr darauf bedacht, ihn nicht mit den Fingern berühren zu müssen.

      „Und da ist wohl das Passwort drin versteckt?“, fragte Brugger.

      Erik starrte den Fund fast apathisch an. „Da ist sicher viel mehr drin, als nur ein Passwort!“

      11 - Das Pad

      Brugger war verdutzt. So viel Drama um eine mobile Festplatte? Aber bevor er sich die Blöße gab, seine Meinung kundzutun, betrachtete er das Ding erst mal näher. Da waren weder Fugen noch Schrauben oder Einbuchtungen für Anschlüsse. „Ist das Ding auf der Unterseite genauso glatt?“, fragte er nach. Erik nickte nur, während er weiter auf das Kästchen starrte.

      „Darf ich es anfassen?“ Erik nickte wieder. Brugger berührte es mit dem rechten Zeigefinger und spürte die seltsame Oberfläche. Das war nicht kalt, wie erwartet, zwar auch nicht warm, aber irgendwie weich wie Haut und dennoch fest.

      Er blickte Erik an, der auf etwas zu warten schien. Brugger klopfte dreimal mit dem Finger auf das Teil, als wolle er um Einlass bitten, dabei zuckte Erik leicht zusammen.

      „Jetzt ist es aber gut, Erik! Das ist bisher zwar seltsam, aber höchst unspektakulär. Hast du Angst, hier fliegt gleich alles in die Luft?“

      Erik zuckte mit den Achseln. „Streich mal mit der flachen Hand darüber! Das müsste funktionieren.“

      Brugger tat wie befohlen. Er hatte zwar Respekt, aber er wollte nun endlich Ergebnisse sehen und die bekam er auch. Ohne sichtbaren Bildschirm stand da auf der Oberfläche nun: „Enter name“!

      Brugger stieß einen schrillen Pfiff aus, wandte sich dann aber wieder an Erik: „Hat irgendein Verein auf der Erde eine solche Technik?“

      Erik schüttelte den Kopf.

      „Also Erik, wir können gern mit Nicken und Kopfschütteln weitermachen, aber wie wäre es, wenn du mir sagst, was das deiner Meinung nach ist?“

      Erik blickte ihn verloren an. „Ich weiß es nicht. Ich schließe eine außerirdische Herkunft aus, weil ich nicht glaube, dass Aliens mit unseren Schriftzeichen arbeiten und schon gar nicht mit einer unserer Sprachen. Bleibt also eigentlich nur eine, na ja, temporale Erklärung.“

      Brugger grinste ihn an. „Ich habe das Gleiche vor fünf Tagen auch durchmachen müssen, Erik! Zeitreisende und außerirdische Besucher waren für mich wissenschaftlicher Unfug. Aber als ich das Ergebnis meiner Analyse sah, musste ich mein Dogma hinsichtlich der Zeitkiste einfach revidieren. Warum hat das für dich nicht gereicht? Du glaubst erst daran, seit du das Gerät gefunden hast, oder?“

      Erik nickte wieder leicht abwesend.

      „Also Erik, das mit dem Nicken hast du langsam echt gut drauf. Da kannst du im Fernsehen mit auftreten!“

      „Entschuldige, aber das ist für mich, als hörte der Papst, dass es Gott nicht gibt.“

      „Das ist ziemlich theatralisch! Ich habe mein Leben mit der theoretischen Physik und solchen Diskussionen verbracht. Wenn, dann müsste ICH hier der Papst sein! Warum kannst du dich so überhaupt nicht damit abfinden, dass alles auf Zeitreisen hindeutet?“

      Erik schaute ihn nachdenklich an. „Wir haben mal an etwas gearbeitet, was in diese Richtung mit der Krümmung von Raum und Zeit ging. War ein absoluter Flop und ich war froh darüber. Aber ich habe mit Kollegen und Freunden lange drüber diskutiert. Also für mich ist die Zeit eine Gerade. Ich kann akzeptieren, dass jemand in die Zukunft reist, aber nicht wieder zurück.

      Das bedeutet doch, wenn du im Laufe deines Lebens irgendetwas machst, was jemandem in der Zukunft nicht passt, dann kann der einfach in deine Zeit kommen und dich ausknipsen, bevor du es machst. Also ist irgendwie alles, was wir im Laufe unseres Lebens erreichen, nichts wert, weil irgendein Depp mit einer Zeitmaschine es rückwirkend ungeschehen machen könnte. Für mich ist das ein philosophisches Fiasko!“

      Brugger nickte. Das war alles logisch und gleichzeitig lachhaft. Was würde denn passieren, wenn man in die Vergangenheit reiste und sich selbst erschoss? Das ließ sich doch einfach nicht beantworten. Aber eines war ihm klar und deshalb legte er den Arm um die Schulter seines jungen Protegés und ... Brugger blickte kurz verdutzt auf, bevor er seine wohlwollende Ansprache an Erik richtete.

       Protegé? Wann war denn DAS passiert?

      „Erik, hast du heute dieses Ding, was auch immer es ist, gefunden oder nicht?“

      „Ja, natürlich, aber ...“

      „Kein Aber! Du hast es gefunden und jetzt finden wir raus, was es damit auf sich hat. Falls irgendein Zukunfts-Depp das nicht möchte, dann soll er doch kommen! Meinst du denn, du merkst, wenn jemand deine Vergangenheit ändert? Sicher nicht! In einer parallelen Realität, hast du das Teil heute vielleicht nicht gefunden, weil dich der Depp bei der Suche gestört hat. Rückwirkend wird dir niemand etwas wegnehmen können, was du bereits erreicht hast. Da zerbrichst du dir den Kopf sinnlos.“

      Erik schnaufte tief durch, seufzte ein wenig und schien die Philosophie zu akzeptieren. Weder er noch Brugger konnten zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass gerade für Erik Zsolt Ausnahmen gelten würden.

      „Also, wie gehen wir jetzt vor?“, fragte Brugger. „Soll ich einfach laut Arno Brugger sagen und dann schauen, was die Kiste ...?“

      Er stoppte abrupt, als er sah, dass Erik bereits Richtung Pad fuchtelte. Er hatte es wohl laut genug gesagt, denn statt „Enter name“ stand da nun „Calibrating“ und schon fünf Sekunden später „Kalibrierung abgeschlossen“.

      Brugger und Erik standen da und staunten, denn es ging gleich darauf weiter. Die Anzeige änderte sich laufend alle fünf bis zehn Sekunden.

      „Professor Arno Brugger“, dann folgte „Geboren 10.05.1951“, dann „Nennen Sie Ihren Geburtsort“. Brugger drehte sich zu Erik und sprach mit vorgehaltener Hand leise: „Soll mich das identifizieren?“

      Erik zuckte mit den Achseln: „Ich glaube ja.“

      Brugger beugte sich demonstrativ über das Pad und sprach: „Straubing!“

      Erik kommentierte leise: „Oh, Niederbayern! Das hört man dir aber nicht an!“ Brugger grunzte ein kurzes „Danke!“ und folgte wieder den Anweisungen des Pads.

      „Abitur am Ludwigs-Gymnasium in Straubing“, zeigte das Display an. „Nennen Sie das Abschlussjahr und die Abschlussnote!“

      Brugger zögerte kurz und sagte leicht mürrisch: „1969. Eins Komma Vier.“

      Erik sagte nichts, aber Brugger konnte ein kurzes Zucken der Augenbrauen und der Mundwinkel bei ihm erkennen. Oder er bildete es sich zumindest ein.

      „Das war ein Bayrisches Abitur! Das ist nicht so einfach wie im Rest von Deutschland!“

      „Hey, ich hab nicht mal Abitur! Ich hab nix gesagt!“

      Brugger drehte sich zu ihm um und schien das Pad völlig vergessen zu haben. „Ohne Abitur ein reiches Wunderkind geworden? Wie geht denn so was? Du klingst, als hättest du schon einige Universitäten besucht und jetzt hast du nicht mal Abi?“

      Erik hielt die Hände beschwichtigend vor die Brust. „Das Schulsystem in Schweden ist anders. Da musst du schon wissen, was für einen Beruf du ergreifen willst, bevor du Abi machst. Außerdem kannst du in fast jede Uni der Welt und in jeden Hörsaal reinmarschieren, wenn du was lernen willst. Das geht auch ohne Zeugnisse! Ich wollte nie einen Abschluss und brauchte