Christian Schuetz

CYTO-X


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man ja schon abgelehnt. Kam der Todeslaser vielleicht jetzt?

      Andererseits ließ es seine Neugier nicht zu, nun schnell aus dem Zimmer zu rennen, um sich in Sicherheit zu bringen. Das war ein historischer Moment in der Geschichte der Wissenschaften, so viel war sicher. Nur erzählen konnten sie es, außer vielleicht Emma, vorerst niemandem und möglicherweise auch nie!

      Die grüne Kugel breitete sich nun aus und beide wichen ein wenig zurück. Es waren nur Strahlen ohne jegliche Substanz, wie eine Kugel aus grünem Laserlicht, die sich schnell ausbreitete, und immer, wenn das Licht etwas berührte, verlangsamte sich die Ausdehnung.

      Brugger vermutete, dass das eine Art Scan war, aber er war so betäubt von dem Ereignis, dass er nicht in der Lage war, seine Erkenntnis mit Erik zu teilen. Nun berührte die Lichtkugel Erik. Der grüne Schimmer legte sich über seine Konturen, durchdrang ihn und wanderte weiter. Brugger sah ihm an, dass er sie gespürt hatte, also war das keine reine Lichterscheinung. Aber bevor er ihn fragen konnte, was er gespürt hatte, berührte der Scan nun auch ihn.

      Brugger hatte mit beiden Händen recht verkrampft die Lehne eines Stuhls vor ihm gegriffen und dort berührte die grüne Kugel ihn zuerst. Allerdings bemerkte er auch, dass es bereits keine echte Kugel mehr war. Wo sich kein Widerstand bot, breitete sich das Phänomen schneller aus, als dort wo es Mobiliar oder Mensch abzutasten hatte und am Boden stoppte es gänzlich und lag wie grüner Bodennebel auf den Fliesen.

      Bruggers Finger zuckten. Das kitzelte leicht, aber nicht unangenehm. Es war als krabbelte das Licht durch seinen Körper. Brugger hatte etwas annähernd Elektrisches erwartet, aber bei ihm gab es kein Kribbeln und kein Aufstellen von Härchen, wie das bei elektrischen Ladungen zu erwarten gewesen wäre.

      Fast schon konnte man es als angenehm bezeichnen und nun spürte Brugger, wie die grüne Schicht auf seinem Gesicht, seinem Hals, seiner Brust und eben auch tiefer lag. Es war ihm etwas peinlich, an diesen Stellen berührt zu werden, zumal er auch auf diese Berührung ein wenig reagierte. Aber dann floss diese grüne Welle durch ihn hindurch und er traute sich wieder zu atmen.

       Bin ich gerade betatscht worden?

      Zumindest hoffte er, dass am anderen Ende des Scanners eine Frau saß. Wenn sie noch dazu hübsch war, würde er über die sexuelle Belästigung hinweg sehen. Brugger drehte sich um, um dieser Welle oder Kugel oder diesem Laser oder „Was-auch-immer“ hinterher zu sehen.

      Der grüne Schimmer hatte nun alle Wände, den Boden und die Zimmerdecke erreicht, hielt kurz inne und zog sich dann im Bruchteil einer Sekunde wieder zusammen. Das Licht verschwand in dem Pad, verweilte dort für einige Sekunden als grüner Punkt und erlosch dann.

      „Ich glaube, das hat die letzten Zweifel beseitigt, ob das Ding aus der Zukunft ist, oder?“, fragte Brugger mit leicht zittriger Stimme.

      Erik nickte und wollte gerade Brugger über seine Erleuchtung aufzuklären, da erschien aus dem Nichts auf dem Stuhl, der Erik gegenüber stand, ein Mann.

      Nein, kein Mann, sondern die Projektion eines Mannes! Ein Hologramm, so lebensecht, dass man schon zweimal hinschauen musste. Und es war auch nicht irgendein Mann; es war Professor Thorwald Magnussen.

      Das Hologramm war so perfekt angepasst, dass es die Ellbogen der leicht verschränkten Arme direkt auf der Tischplatte positionierte, die Schuhsohlen den Boden berühren ließ und den Allerwertesten des Professors mittig auf der Sitzfläche platzierte. Magnussens Abbild machte einige Bewegungen, die so aussahen, als würde er sich vergewissern, dass die Aufnahme lief und räusperte sich dann.

      Brugger umkreiste die Projektion langsam und bestaunte sie fasziniert. Er holte kurz aus, um mit der Hand durch das Hologramm zu fahren, aber hielt dann doch inne. Das war zu realistisch, als dass er da einfach mit der bloßen Hand hätte hindurch wischen wollen.

      Außerdem dachte er an das grüne Abtastverfahren. Das war auch nicht völlig materielos gewesen und Brugger hatte den Verdacht, dass er etwas spüren würde, wenn er das Hologramm berührte. Oder schlimmer noch: Das Hologramm könnte spüren, dass es berührt wurde! Nein, danke! Er konnte vorerst darauf verzichten, diese These zu überprüfen.

      „Guten Tag! Es ist etwas seltsam hier ins Leere zu sprechen, während meine Worte aufgezeichnet werden, aber wenn alles so eintrifft, wie es mir versprochen wurde, dann spreche ich nun zu einem Herrn Erik Stolz. Ich möchte Ihnen erklären, wie es dazu kam, dass Sie mich nun sehen können, während ich aller Voraussicht nach nicht mehr unter den Lebenden weile.“

      Man konnte erkennen, dass Magnussen während der Aufzeichnung angeschlagen war. Etwas belastete ihn sichtlich und machte ihm das Reden schwer.

      „Mein Sohn Leif wurde ermordet, als er noch keine vier Jahre alt war. Ich habe eines Nachts einen Mann in seinem Zimmer gesehen, der mit irgendeinem Gerät sein Leben ausgelöscht hat. Später sagten die Pathologen etwas von einem Gendefekt, aber das war Unfug. Mein Sohn war gesund bis zu dieser Nacht. Die Tür zu Leifs Zimmer schlug vor meiner Nase zu, und als ich in das Zimmer kam, war der Mann weg und mein Sohn war tot. Meiner Frau sagte ich später, dass ich mir das alles wohl eingebildet haben muss, aber ich weiß noch heute genau, was ich da gesehen habe.“

      Brugger hatte sich an die lange Seite des Tisches gesetzt, auf halber Höhe zwischen Erik und dem Hologramm. Magnussens Lippen bewegten sich leicht asynchron zu den Worten, und Brugger vermutete, dass der Professor bei der Aufzeichnung auf Norwegisch gesprochen hatte und das Pad nun nicht nur die Übersetzung ins Deutsche lieferte, sondern auch versuchte, die Lippen des Professors an die neue Sprache anzupassen.

      Das war ein faszinierend unwichtiges Detail, das sicher jede Menge Rechenpower benötigte, aber anscheinend musste man sich in der Zukunft, aus der dieses Gerät kam, keine Gedanken über die Auslastung eines Arbeitsspeichers machen.

      Magnussen fuhr fort: „Ich habe dann begonnen, neben meiner Arbeit nach unerklärten Phänomenen zu suchen. Das meiste waren Spinnereien von irgendwelchen Wichtigtuern, aber ab und zu ... Nun ja, anfangs dachte ich an Außerirdische, aber dann lernte ich einen Kollegen kennen, der die Theorie hatte, dass eine Organisation aus der Zukunft Korrekturen an der Zeitlinie durchführte. In dem Moment, als dieser Kontakt zufällig entstand, wurde ich wohl temporal relevant.“

      Brugger schmunzelte, als Holo-Thorwald dabei Anführungszeichen in die Luft malte. Die beiden hatten offensichtlich mehr gemeinsam, als stahlblaue Augen und die Leidenschaft zur Physik.

      „Jedenfalls bekam ich daraufhin Besuch aus der Zukunft.“ Magnussen blickte eine Weile in die Kamera oder besser gesagt, zu der Stelle, an der damals wohl das Pad vor ihm aufgebaut war. Er verzog das Gesicht, als wäre es ihm peinlich über etwas wie Zeitreisen oder gar Besucher aus der Zukunft zu reden.

      Brugger konnte dies gut nachvollziehen. Oder interpretierte er diese Gefühle einfach in Magnussens Mimik hinein? Jedenfalls war zu erkennen, dass der alte Norweger sich sehr gut überlegte, was er sagen würde und auch wie.

      „Es ist schon komisch, über so ein Thema mit dieser Selbstverständlichkeit zu reden. Noch vor einem Jahr hätte ich schallend über mich selbst gelacht oder mich gleich einweisen lassen, aber ich habe unwiderlegbare Beweise und Technik aus der Zukunft gesehen. Sie haben das Neuro ja vor sich! Keine Angst, es beginnt gerade erst, sich mit Ihnen zu verbinden. Anfangs sind die Fähigkeiten und vor allem die Kommunikation noch beschränkt, aber wenn Sie es eine Weile regelmäßig benutzen, werden Sie damit eine Einheit bilden.“

      Brugger blickte zu Erik. Dessen Augen wurden gerade sehr groß und er lehnte sich nun in seinem Stuhl weiter nach hinten, so als wolle er den Abstand zu dem Pad vergrößern. Nein, zu dem „Neuro“, um damit diese Verschmelzung zu verhindern.

      Brugger hingegen war durchaus neugierig, wie diese Bildung einer Einheit aussehen würde. Neugierig zu sein, war als Wissenschaftler auch seine verdammte Pflicht und hatte nichts mit Schaulustigkeit zu tun, aber mittlerweile hielt sich die Enttäuschung über seine relativ geringe temporale Relevanz auch in Grenzen.

      Das Hologramm erklärte weiter: „Vieles wird Ihnen klarer werden, sobald Sie sich mit Ihrem Neuro besser verstehen. Ich hatte gelinde gesagt Schwierigkeiten mit dieser Verbindung, aber selbst mit