Christian Schuetz

CYTO-X


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schockierte Brugger. Ganz gleich, wie talentiert Erik auch sein mochte, so gab er doch ein schlechtes Beispiel ab. Heutzutage glaubten die jungen Leute sowieso, man könne alles im Internet lernen. Brugger dagegen hatte schon geflucht, als er sich als Mitglied des Universitätsausschusses nicht gegen dieses „Krüppel-Studium“ namens „Bachelor“ hatte wehren können.

      Brugger blickte wieder auf das Pad. Jetzt waren alle Buchstaben verschwunden „Was ist passiert?“, fragte er Erik.

      Sein Partner rollte nur mit den Augen und sagte vorwurfsvoll: „Also so vor einer knappen Viertelstunde, als du dich aufgeregt hast, meinte die Kiste Identifikation abgebrochen und hat sich ausgeschaltet.“

      Brugger äffte ihn kurz nach, wusste aber, dass es wohl sein Fehler gewesen war. Er ließ sich von solchen Diskussionen über Grundsätze zu leicht ablenken. Dabei hatten sie das gar nicht wirklich zu Ende diskutiert, aber dafür würde sich schon noch Zeit finden, auf der Fahrt nach Köln.

      Brugger beugte sich erneut über das Pad und sagte: „Hallo! Ich bin wieder da! Bitte weitermachen!“, aber es passierte nichts. Widerwillig wischte er wieder mit der Hand über das Gerät.

      „Enter name“

      „Ach, das ist doch nicht wahr jetzt! BRUGGER hier! Professor Arno Brugger! Aus Straubing! 1969! Mit lachhaften Eins Komma Vier!“

      „Calibrating“

      Er schnaufte tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Ist ja gut, alles der Reihe nach!

      Er dachte an Emma. Das half, wenn er sich aufregte. In ihrer Gegenwart versuchte er sich immer vorbildlich zu benehmen und mit diesem Trick beruhigte er sich allmählich wieder.

      Verschiedene Anzeigen erschienen der Reihe nach auf dem Pad: „Kalibrierung abgeschlossen“ - „Professor Arno Brugger“ - „Aktuelles Datum 03.07.2013“

      Brugger blickte leicht erschrocken zu Erik. Das war ein anderer Verlauf als vorher. Noch dazu verfügte das Gerät über einen Zeitgeber. Ausgehend davon, dass es aus der Zukunft gekommen war, war dies ein interessantes Feature.

      „Nummer des Reisepasses“

      Das traf Brugger nun wirklich. Welche Details wollte dieses Ding denn noch von ihm wissen? Wie viele Daten hatte es gespeichert, wenn es ihn, bezogen auf das aktuelle Datum, anhand der Nummer seines Reisepasses identifizieren konnte? Trotzdem suchte er den Pass und las die Nummer dann brav vor.

      Erik stand dabei neben ihm mit gespitzten Lippen, so als würde er wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass Brugger nun konzentrierter bei der Sache war. Für einen spitzen Kommentar war aber keine Zeit.

      „Mädchenname der Mutter“

      „Wanke“, kam es erstaunlich schnell. An diesen Namen hatte er seit Jahren nicht gedacht und er war nun froh, ihn so schnell parat zu haben. Er würde immerhin auch nicht wollen, dass sich ein Fremder mit ein paar vagen Information über seine Vita in einen Supercomputer aus der Zukunft einloggen konnte, aber das ging schon recht weit.

      Mulmig wurde ihm nur zumute, als er sich überlegte, was passieren könnte, wenn er sich bei ein paar Nummern vertan oder den Namen verwechselt hätte. Traf ihn dann der Todeslaser und aus war es mit Brugger? Und was, wenn die Datenbank falsch gefüttert worden war?

      „Hochzeitsdatum“

      „18.09.1980“

      „Identifikation abgeschlossen“

      „Vielen Dank, du Drecks ...!“, verkniff sich Brugger gerade noch eine umfangreiche Beschimpfung.

      Es dauerte nicht lange und das Gerät wechselte wieder die Anzeige. Eingeblendet wurden die Worte „Temporale Relevanz 7,5 %“

      „Relevanz? Ist das jetzt eine Beleidigung oder wie ist das gemeint?“

      Noch bevor Erik ein Urteil hätte abgeben können, beantwortete das Pad Bruggers Frage auf seine ganz eigene Art und Weise: „Zugriff verweigert“

      Der Impuls, das Ding zu packen und in den Vestvannet hinauszuschleudern, war für einen kurzen Moment sehr groß. Das Display war wieder verschwunden und das Gerät hüllte sich erneut in seine mysteriöse Aussagelosigkeit.

      „Temporal irrelevant also?“ fragte Brugger in Richtung des Pads.

      „Wieso stört dich das so?“, fragte Erik, der sich wohl auch irgendwie angesprochen fühlte.

      „Wieso mich das stört? Das Mistding sagt doch gerade, dass es für die Zukunft scheißegal ist, ob es mich gibt oder nicht! Da wirst du stundenlang abgefragt nach Details aus deiner Vergangenheit, nach Reisepassnummern, Notendurchschnitten und Mädchennamen und dann bist du nicht relevant genug? Warum identifiziert mich die Kiste überhaupt, wenn ich es dann nicht wert bin, zu erfahren, was da drin versteckt ist?“

      „Na, ich persönlich denke, es ist besser, temporal irrelevant zu sein! Außerdem hast du keinen Vergleichswert. Vielleicht ist 7,5 % ja nur knapp daran vorbei, im geschichtlichen Verlauf eine bedeutende Rolle zu spielen?“

      „Wenn dem so wäre, dann hätte ich jetzt sicher Zugriff. Und warum sollte es besser sein, wenn man temporal irrelevant ist?“

      Erik starrte das Pad an und sagte abwesend: „Frag mal Sarah Connor!“

      Brugger rümpfte die Nase, aber er verstand den Vergleich. Emma liebte das Kino. Zum Glück stand sie mehr auf Action und Thriller als auf Schnulzen. Aus Sicht von „Sarah Connor“ wäre es wohl wirklich besser gewesen, nicht ganz so „temporal relevant“ zu sein.

      Brugger entschied, dass er das Pad nun doch nicht auf den Vestvannet hinausschleudern musste.

      12 - Stolz ohne Vorurteil

      Erik spürte sein Herz bis in den Hals hochschlagen. Er hatte sich vier Thesen zurechtgelegt, an denen er sein Handeln hatte festmachen wollen. These eins „Zeitreisen gibt es nicht“ war tot, These zwei „Magnussen hat getrickst“ war so gut wie tot. These vier „Magnussen hat eine Spur hinterlassen“ war durch das Pad und das Schließfach zu hundert Prozent bestätigt und These drei „Magnussen hatte einen Informanten“ stand auf dem Prüfstand, war aber sehr wahrscheinlich.

      Wenn nun also jemand aus der Zukunft Magnussen dazu gebracht hatte, ein Gerät am Nordpol aufzustellen, was seine Reputation als Wissenschaftler in Frage gestellt hatte, dann hatte dieser Unbekannte ihm sicher auch dieses Pad überlassen. Es sei denn, Magnussen hatte es ihm gestohlen, aber das hätte der Fremde aus der Zukunft sicher vorher gewusst. Das erschien Erik jetzt alles sehr kompliziert. Nein, Erik war sich sicher, dass dieses Pad an Magnussen gegangen war, damit dieser es an jemand anderen weitergeben konnte.

      Wie viel wusste Magnussen? Wusste er, dass seine Kiste sechs Jahre rumstehen musste, bevor zwei Männer namens Zsolt und Brugger das Pad und den Schlüssel finden würden? Oder hatte der Fremde ihn im Dunkeln gelassen und Magnussen hatte ihm einfach vertraut? Oder vertrauen müssen aus irgendeinem Grund? Fragen über Fragen quälten Erik, aber er war zu dem Schluss gekommen, dass das Ding für sie beide bestimmt war. Oder zumindest für einen von beiden!

      Wenn er von diesem Gerät nun als „temporal-relevant-genug“ erachtet wurde, dann wäre dies wohl bestätigt. Das würde aber auch bedeuten, dass der Versuch am Nordpol nur dazu diente, Brugger neugierig zu machen und dass dessen Tochter dann die Verbindung herstellen sollte zu ihm, ihrem Patienten!

      Weit hergeholt, aber momentan für Erik die einzig logische Erklärung. Eben deshalb hasste er diese Zeitreisesachen, weil man nicht umhinkam, ständig solche völlig wirren Verschwörungstheorien zusammenzubasteln.

      Erik ging zurück an den Tisch. Seine Knie fühlten sich weich an, das flaue Gefühl im Magen wurde heftiger. Er konnte es sich schon bildlich vorstellen, wie das Pad ihn akzeptierte und seine Geheimnisse offenbarte und er würde sich einfach darauf übergeben.

      Er starrte das Gerät an und wartete auf den richtigen Moment. Auf Brugger hatte er nicht geachtet und deshalb war ihm entgangen,