Christian Schuetz

CYTO-X


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musste schmunzeln. Er hatte schon beim ersten Mal, als er den alten Magnussen vor sich hatte, damit geliebäugelt, in der Holo-Substanz herumzufuchteln.

      „Also auf den ersten Blick ist der Schädel nicht anders geformt, als bei einem heutigen Menschen.“ Emma setzte sich und rieb sich immer noch die Hände an ihrer Jeans ab. Sie würde so schnell kein Hologramm mehr anfassen.

      „Meinst du etwa, Eriks Kopfschmerzen rühren daher, dass in seinem Schädel nicht genug Platz ist?“, fragte Brugger neugierig.

      „Das ist eine der Möglichkeiten, aber jetzt, wo wir gerade erfahren haben, dass sein Dad wirklich aus der Zukunft kam, glaube ich einfach, dass es das Ergebnis der Fortpflanzung eines Zukunftsmenschen mit einer Vertreterin unseres aktuellen Evolutionsstandes ist. Die DNA hat sich vermischt, die Anlage für den Lappen war da, und als er begann, sich zu entwickeln, wusste er nicht genau, wohin er sich entwickeln sollte.“

      Brugger liebte es, wenn Emma wie eine Forscherin klang. Er hatte ihr schon immer bahnbrechende Innovationen auf dem Gebiet der Gehirnforschung zugetraut. Dieses Ereignis könnte sie anspornen, sich wieder etwas mehr in diese Richtung zu bewegen. Die meisten Gehirnoperationen, die sie durchführte, konnten auch normale Chirurgen machen.

      Er sah ihr Potenzial einfach nicht ausgereizt, aber er liebte auch ihre Leidenschaft für ihre Patienten. Brugger hatte es bisher immer ihr überlassen, wo sie ihre Schwerpunkte setzte und würde das auch weiter so halten. Aber vielleicht konnte er ihr nach dieser Angelegenheit doch noch einen kleinen Schubs Richtung Forschung geben?

      Erik kam zurück und setzte sich ohne große Umschweife einfach wieder an seinen Platz. Emma beugte sich vor, legte eine Hand auf seine Schulter und fragte, wie es ihm ginge. „Geht schon! Ich musste nur was überlegen!“

      Dann stand er auf und wandte sich beiden zu. „Ich habe nur überlegen müssen, weil das doch eine direkt an mich gerichtete Nachricht ist und mir der gleich erzählen wird, wer mein Vater war.“

      Emma stand auf und hatte auch ihren Vater schon an der Hand gepackt, um ihn mitzuziehen. „Du willst das alleine anhören! Sorry, ich war so vertieft! Natürlich lassen wir dich alleine.“

      Aber Erik schüttelte bereits den Kopf. „Nein, ich sagte nur, dass ich deswegen überlegt habe.“

      Dann blickte er zu Emmas Vater. „Brugger, du hast mir heute so schön erklärt, wie leicht ich es habe. Keine Familie, keine Bindungen. Dass ich jederzeit einfach abhauen kann, wenn es mir zu heiß wird.“

      Emma blickte ihren Vater sofort vorwurfsvoll an, aber Erik konnte sie stoppen, bevor sie ihre verbale Schelte starten konnte. „Nein, Emma! Er hatte völlig Recht. Und er hat mich dadurch auch ein wenig wachgerüttelt.“

      Erik zögerte ein wenig. Brugger dachte wieder an den Begriff der „Comfort-Zone“. Das war wohl auch gerade keine für Erik. „Meine Mutter starb, kurz bevor ich achtzehn wurde. Das ist jetzt vierzehn Jahre her und seitdem hatte ich nichts, was auch nur annähernd einem Freundeskreis oder einer Familie ähnelte.“

      Emma beugte sich vor und legte ihre beiden Hände über Eriks linke Hand, mit der er sich auf dem Tisch abstützte. Die beiden blickten sich tief gegenseitig in die Augen. Erik konnte die Rührung in ihren Augen sehen und das machte es ihm schwer, weiter zu reden.

      „Wollt ihr zwei euch jetzt hier verloben oder was wird das?“, unterbrach Brugger den heimeligen Moment. Emma drehte sich sofort zu ihm und ließ dabei Eriks Hände los.

      „Dad! Du bist so ein Kotzbrocken!“ Sie rollte mit den Augen so stark, dass sie ihn einfach nicht mehr anschauen musste. Brugger nutzte den Moment und blinzelte Erik kurz zu. Der nickte kurz zurück, denn er war nicht undankbar für die Auflösung dieses etwas schmalzigen Moments.

      Dann räusperte Erik sich und sagte: „Was ich sagen wollte, war einfach, dass ich glaube, wir sind mehr als nur ein gutes Team.“

      Emma hatte sich wieder gefangen und sah den kurzen Blick zwischen ihren beiden Männern. Sie erkannte, dass da etwas hinter ihrem Rücken gelaufen war und schwor, es den beiden doppelt und dreifach heimzuzahlen, sobald sie die Chance hatte. Brugger goss nun auch Erik nochmal nach und die drei stießen ohne viele Worte kurz miteinander an.

      Erik war seit langer Zeit mal wieder richtig glücklich. Brugger hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Seine Jobs sorgten für Befriedigung und jede Menge Kohle, aber teilen konnte er die Erfolge mit niemand. Insofern eilte er von einem Job zum nächsten, um diesen Level an Befriedigung aufrechtzuerhalten. Eigentlich nichts anderes, als das, was ein Drogensüchtiger machte.

      Hier war es plötzlich anders! Ob Erfolg oder Misserfolg, das war ihm tatsächlich mehr oder weniger egal. Wichtig war ihm nur, dass die beiden dabei nicht zu Schaden kämen. Und so wollte er auch die Offenbarungen über seinen Vater mit ihnen teilen.

      „Also, wer will wissen, wer mein Vater wirklich war?“

      23 - Hermelin

      In das Hologramm kam langsam wieder Leben. Erik hatte sich nun etwas mehr seitlich gesetzt, aber die dreidimensionale Kopie des Wissenschaftlers aus der Zukunft hatte sich mitgedreht, um wieder direkt auf ihn gerichtet zu sein.

      Emma hatte bemerkt, dass das Hologramm diese Ausrichtung durch einen kleinen seitlichen Schritt bewirkt hatte. Für sie war das eine typisch männliche Spielerei bei der Programmierung. Sie war unnütz, aber beeindruckte.

      „Erik, das Neuro hat, seit du es verwendest, Daten über dich gesammelt, um festzustellen, wie viel du über deinen Vater schon weißt. Es würde nun unnütze Teile meiner Informationen aus der Übertragung herausschneiden.“ Es war ein minimaler Ruckler in der Aufzeichnung zu erkennen, doch danach folgten weitere Informationen von Novalik Staam.

      „Professor Hermelin Stolz hat am Bau des Krümmungs-Generators direkt mitgearbeitet. Viele der Wahrscheinlichkeits-Algorithmen, mit denen wir die Auswirkungen von Zeitsprüngen vorher berechnen, sind von ihm geschrieben worden. Wenn es noch genügend Menschen auf diesem Planeten gäbe, die sich für die Wissenschaften interessierten, würde man ihn sicher in einem Atemzug mit Newton, Einstein oder Giddrich nennen.“

      Das Hologramm blieb wieder stehen. Erik blickte sich zu den beiden um. „Hermelin? Hab' ich das richtig gehört?“ Vater und Tochter zuckten beide mit den Achseln, nickten aber dabei gleichzeitig. Während Erik sich noch über die simultane Geste wunderte, lief das Hologramm wieder an, ohne dass er es befohlen hatte. Er realisierte, dass das Neuro versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen.

      Die Mimik und Gestik von Holo-Staam waren nun nicht mehr hundertprozentig synchron. Das Neuro hatte zweifellos auf seine Frage reagiert und kreierte nun eine Antwort, die es von Professor Staam vortragen ließ. Erik wurde bewusst, dass es so nicht ging. Er rief erst in Gedanken „Pause“, dann auch laut, drehte sich um und griff sich das Gerät vom Tisch. Das Hologramm wackelte dabei nicht.

      Emma beugte sich zu ihrem Vater und fragte: „Wer ist eigentlich Giddrich?“

      Aber Brugger zuckte nur mit den Achseln und bevor er mutmaßen konnte, dass der vielleicht noch nicht geboren war, sprang Erik ein und erklärte, dass Giddrich der Vater der Organischen Technologie werden würde.

      Erik gab seinem Neuro gedanklich den Befehl „Circlet“ und schon begann das Gerät mit seiner Transformation. Emma sah diese Verwandlung nun zum zweiten Mal. Das löste schon eine gewisse Faszination aus. Wollte sie beim ersten Mal noch rufen: „Erik, fass' das nicht an!“, so war der spontane Gedanke nun eher: „Ich will auch so eins!“

      Erik wollte das jetzt alles richtig benutzen und dazu war „Circlet“ einfach nötig. Er bekam hier nicht nur eine einfache Aufzeichnung präsentiert. Das Neuro würde Zwischenfragen für ihn visuell und akustisch aufarbeiten. Er wünschte sich den Verlauf einfach um zehn Sekunden zurückgestellt und schon bekam er die Antwort auf seine Frage von Staam „holo-persönlich“.

      „Die Eltern von Professor Stolz waren Mitglieder einer Gruppierung, die ihre Kinder nach ausgestorbenen Tierarten benannten. Professor Stolz verwendete im 20. Jahrhundert den