Christian Schuetz

CYTO-X


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Händeschütteln.

       Und jetzt?

      Entweder hatte sie gefragt, wie es ihm geht oder festgestellt, dass man sich lange nicht gesehen hatte. Gab es noch andere typische Floskeln? Brugger überlegte, ob er sich lieber mit einer schnellen Flucht oder einer gespielten Ohnmacht aus der Affäre ziehen sollte, wobei er für die Ohnmacht nicht mehr viel spielen müsste.

      Er wich ihren Augen aus und stammelte: „God Dag!“

      Das war alles, was er gerade auf Norwegisch sagen konnte, ohne sich bloßzustellen. Durch die Aufregung verschluckte er sich aber und begann erst zu röcheln und dann auch noch zu husten. Er hatte Angst, dass er sich die Maske von der Visage husten würde. Die junge Dame, die sich gerade als „Solange“ vorgestellt hatte, fragte besorgt, nun zum Glück auf Englisch, ob sie ihm etwas zu trinken bringen dürfte.

      Brugger nickte und setzte sich wieder auf die Ledercouch. Er realisierte, dass es mit dem norwegischen Wortschatz bei Solange doch nicht so weit her war und schaute sich um, ob er irgendwo sein Gesicht kontrollieren konnte. Links von ihm war ein Werbeaufsteller mit einer Glasfront. Er beugte sich über die Lehne der Couch und sah, dass wohl noch alles an seinem Platz war. Einige Augenpaare in der Halle waren auf ihn gerichtet. Mit der Unauffälligkeit war es also schon ein wenig vorbei. Die Blonde würde sich sicher eine Weile an ihn erinnern.

      Er räusperte sich weiter, um den Frosch endgültig aus dem Hals zu kriegen. Als Solange mit dem Glas Wasser kam, ging es eigentlich schon wieder; er entschloss sich aber, etwas heiser zu spielen, damit sie ihn nicht weiter mit ihren Sprachkenntnissen beeindrucken würde.

      Brugger sagte, er hätte Probleme mit dem Hals und sie hätte ihn mit seiner Muttersprache überrascht. Dann schwieg er und hielt sich damit an einen weiteren Rat, den Erik ihm gegeben hatte: „Falls dich jemand was fragt, sag wenig und verwende einfache Worte und kurze Sätze!“

      Seine Kundenbetreuerin führte ihn dann in die Eingeweide der Bank, nach unten in den Keller, der mit vielen Sicherheitsschleusen und Stahltüren ausgestattet war. Sie erwähnte auf dem gemeinsamen Weg kurz, dass sie natürlich kein Norwegisch sprach, aber es sich angewöhnt hatte, ausländische Kunden immer in der Landessprache zu begrüßen. Das wäre für sie ein Zeichen des Respekts, und Luxemburg läge so zentral in Europa und wäre so klein, dass es ohne eine gewisse Mehrsprachigkeit gar nicht ging.

      Brugger hatte sich wieder ein wenig beruhigt und versuchte nun in Gedanken über Solange zu lästern, um sich so wieder auf eine gewisse unfreundliche Distanz zu bringen. Er konnte höchstens mutmaßen, dass ihr erfreuliches Erscheinungsbild ihre Karriere beschleunigt hatte, aber so richtig herziehen über sie ging nicht. So versteckte er sich weiter hinter kurzen, gebrummelten Worten und wartete auf seine Erlösung.

      Gerade als Bruggers Blick sich ein wenig an ihrem Allerwertesten festgesaugt hatte, erreichten sie einen Terminal. Er blickte auf und erkannte, dass sie ihn mit den Augen gerade tadelte. So hatte es unterbewusst also doch noch funktioniert mit dem „Unbeliebtmachen“. Juhu! Sie bat ihn, an dem Terminal, der fast wie eine Wahlkabine mit Sichtschutzwänden verbaut war, Name, Vorname und Passwort einzugeben.

      Brugger trat an die Tastatur und schon sauste sein Finger zielsicher auf das B. Mit zittrigen Händen fand er die Rücktaste und löschte es wieder. Für die Sichtschutzwände war er nun sehr dankbar. Langsam tippte er nun „Magnussen“, „Thorwald“ und „Novalik“ ein und dann auf „Bestätigen“. An der Stahltür neben ihm leuchtete nun eine grüne Lampe auf, und das Schloss wurde deutlich hörbar geöffnet.

      Er folgte Solange in den Tresorraum mit den Schließfächern. Sein Fach war eines in der untersten Reihe, sehr groß, musste immerhin auch zehn Liter fassen. Solange ging leicht in die Hocke, um den Schlüssel der Bank einzuführen und wartete dann darauf, dass er das zweite Schloss öffnete.

      Bruggers Finger waren nun fast noch zittriger als an der Tastatur vorhin, aber er schaffte es gerade so. Das Fach schwang auf, und er sah einen dunkelgrauen Behälter, der auf kleinen Schienen saß. Dies war also noch nicht das große Geheimnis, sondern ein Bestandteil des Schließfachs.

      „Machen Sie nur eine Entnahme oder auch eine Befüllung?“, fragte Solange. Brugger war so in Gedanken, dass er sie zwar reden hörte, aber keine Ahnung hatte, was sie gerade von ihm wollte. „Falls Sie etwas Zeit benötigen, zeige ich Ihnen einen kleinen Raum, in dem Ihnen Büromaterial und sogar ein Internetzugang zur Verfügung stehen.“

      Brugger kapierte nun und deutete ihr mit den Händen fuchtelnd an, dass er nur transferieren würde. Es ging jetzt gar nicht darum, den Heiseren weiter zu spielen. Er hatte einfach nur einen so dicken Kloß im Hals, dass er gar nichts mehr sagen konnte.

      „Ich erinnere Sie daran, dass wir in diesem Raum Kameras an den Wänden haben.“ Dabei zeigte sie in die oberen vier Winkel des Raumes, in denen die Überwachungskameras montiert waren. „Falls Sie möchten, können Sie den Container in den Nebenraum dort hinter der schwarzen Tür nehmen. Dort sind keine Kameras installiert.“

      Sie zeigte auf die Tür, und Brugger war schockiert, wie unaufmerksam er vor lauter Aufregung war. Die Tür war nicht gerade klein und farblich deutlich von den silbernen Schließfächern abgesetzt, aber wahrgenommen hatte er sie bisher nicht.

      Solange leierte routiniert die weiteren Informationen herunter. Brugger bekam noch so einigermaßen mit, dass sie ihn nun allein lassen würde, dass er sie mit der Gegensprechanlage rufen könnte, dass in beiden Räumen rote Notfallknöpfe installiert waren, falls Unerwartetes geschehen sollte und dass er am Ende den Container zurück ins Fach schieben und abschließen sollte. Der Gegenschlüssel der Bank sei dafür nicht notwendig.

      „Bis gleich, Herr Professor! Falls ich in fünfzehn Minuten nichts von Ihnen höre, muss ich Sie gemäß der Sicherheitsbestimmungen unserer Bank auf dem Intercom rufen. Wenn Sie nicht antworten, dann müssen wir den Raum von außen öffnen. Ansonsten kann bis dahin niemand durch diese Tür kommen.“

      Sie nickte ihm kurz zu, nahm den Schlüssel der Bank mit und ließ ihn alleine zurück.

      Als erstes stützte Brugger sich schwer atmend auf dem Tisch in der Mitte des Raumes ab. Er hatte die letzten Minuten vor Spannung wohl die Luft angehalten, so ausgepumpt war er. Aber er wollte nun auch nicht länger als unbedingt nötig in dieser Bank verweilen, also packte er den Container am Griff und zog ihn heraus. Eine Art Doppelschiene sorgte dafür, dass das Behältnis komplett herausgezogen werden konnte, bis man es an zwei seitlich angebrachten Klappgriffen bequem aus der Führung heben konnte.

      Schwer war der Container schon mal nicht, das freute ihn. Er trug den Container zur schwarzen Tür, die er mit dem Hinterteil bequem aufdrücken konnte und stellte den Kasten im Nebenraum auf einen Tisch. Danach holte er seinen Koffer und stellte ihn neben den Container.

      Brugger war leicht schwindlig und er bemerkte, dass er wieder hyperventilierte. Dafür hatte er nun wirklich keine Zeit, aber zum Glück hatte er noch die Plastiktüte von der Raststätte in einer Tasche seiner Hose verstaut. Ein paarmal tief in die Tüte geatmet und es ging wieder. Er würde in Zukunft darauf achten, immer eine Tüte dabei zu haben, wenn er wieder illegale Unternehmungen vorhatte.

      Brugger öffnete den Container an zwei Schnapp-Verschlüssen und zuckte zusammen, denn es zischte, als er den Deckel anhob. Er merkte nun, dass der Behälter leicht gekühlt war und dass die Kühle wohl eher aus dem Inneren kommen musste. Er beugte sich über den Behälter und blickte hinein.

      Da lag obenauf ein Stofffetzen, irgendetwas aus Leinen. Er nahm ihn heraus und erblickte dann eine flächendeckende Schaumstoffauflage mit fünf Aussparungen; vier großen und einer kleinen in der Mitte. In den großen befanden sich vier matt-graue Ringe von circa zehn Zentimetern Durchmesser, in der kleinen ein rechteckiges Teil, das wie ein Akku für eine Kamera aussah oder wie ein „Mini-Neuro“. Brugger vermutete zweites wäre wahrscheinlicher.

      Er hob die komplette Schaumstoffauflage heraus und als er sie auf den Tisch neben seinen Koffer legte, konnte er schon das grüne Leuchten aus der Box sehen. Er lugte über den Rand und sah ein rundes Behältnis, das scheinbar weder einen Verschluss noch eine andersartige Zugangsmöglichkeit zu dem eigenartigen Inhalt aufwies.