Christian Schuetz

CYTO-X


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gäbe es keine Alternativen.

       Darf ich mir auch noch eigene Gedanken dazu machen?

      Aber die Beweise waren erdrückend. Vor allem, als das grüne Licht sie abgetastet und der Holo-Professor sein Plädoyer an sie gerichtet hatte, war klar, dass es sich hier um Technik aus der Zukunft handeln musste. Und als ihr Erik dann noch demonstrierte, wie sich das Pad in ein Stirnband verwandelte, da war ihr klar, dass es nicht um einen Zeitsprung von ein paar Jährchen ging.

      Emma brauchte mehr Zeit das alles zu verdauen. Sie war noch am Überlegen, ob die Rettung des Kindes diese Reise rechtfertigte, aber ihre beiden Helden waren ungeduldig und scharrten bereits mit den Hufen.

      „Dein Vater hat gesagt, in Eurem Haus steht ein Dialysegerät. Ich meine, das ist doch schon ein kleiner Wink des Schicksals.“

      „Schöner Wink! Mama hat ihre Tante da behandelt, bis die vor zwei Jahren gestorben ist.“

      Erik blickte sie zerknirscht an. „Tut mir leid! Das habe ich nicht gewusst. Aber trotzdem ist das ideal für unsere Zwecke. Wir hätten so ein Gerät sonst noch kaufen müssen. Mit dem Zeug ins Krankenhaus gehen und fragen, ob man mir das reinpfeift, ist eher keine Option.“

      „Ja, und wie erkläre ich Mama, wenn sie aus Eritrea heimkommt, dass ihr Dialysesystem neongrün ist?“

      („Ah, Eritrea“, dachte Brugger, „nicht Äthiopien oder Ägypten!“ Andererseits war das für ihn alles die gleiche Ecke.)

      Erik schmunzelte. „Das ist keine eigentliche Farbe, sondern eher eine Funktion des Cyto-X, die anzeigt, dass es einsatzbereit ist. Wenn Du normale Zellflüssigkeit und dieses Zeugs miteinander verbindest, dann wird das je nach Mengenverhältnis langsam in reines Cyto-X umgewandelt. Und wenn es soweit ist, dann leuchtet es wieder grün.“

      Das war sie wieder diese Selbstverständlichkeit, mit der alles erklärt werden konnte. Auch ihr Vater war da keine große Hilfe. Normalerweise wäre er bei solchen Statements schnell hineingegrätscht und hätte Beweise verlangt oder die These zumindest angezweifelt, aber das war bei den beiden Herren Zeitreisenden wohl nicht mehr von Nöten.

      Während der Erklärungen hatte Emmas Vater vor ihren Augen den Koffer mit den Sachen aus der Bank ausgeräumt. Da war diese Flüssigkeit in Neongrün, die in Eriks Körper sollte. Sie sah so dermaßen giftig aus, dass sie das nie in ihn einleiten könnte. Sie hatte als Medizinerin einen Eid geschworen! Das musste ihr Vater doch wissen, oder nicht?

      Jetzt waren sie dabei zu diskutieren, wie sie denn am besten den Inhalt dieses Mini-Neuros studieren sollten, so dass sie alle etwas davon mitbekamen. Emma hob den Lappen vom Tisch, den ihr Vater aus dem Koffer geholt hatte, und breitete ihn aus. Er war etwa achtzig mal achtzig Zentimeter groß und als er ausgebreitet war, wurde das Loch in der Mitte deutlich. Sie blickte durch das Loch hindurch Erik an, der gerade versuchte, das „Mini“ mit dem „Maxi“ zu verbinden.

      Emma fragte sich, ob das nun ein recht unpraktischer Putzlumpen sein sollte oder irgendein rituelles Kleidungsstück aus der Zukunft. Vielleicht ein Kragen oder so?

      In diesem Moment bewegte sich der Stoff! Emma stieß einen spitzen Schrei aus und ließ den Teufelsfetzen fallen. Die Farbe hatte sich von schmutzigem Beige in Dunkelgrau geändert und es war nun eher eine Raute als ein Quadrat, aber immer noch mit Loch. Erik bückte sich und schnappte sich den Fetzen nun und schon hatte er den Kopf durch die Öffnung gesteckt.

      „Sag mal, spinnst du?“, rief Emma erschrocken. „Du kannst doch nicht ... du bist wie ein kleines Kind, das alles in den Mund stecken muss!“

      Der Stoff begann sich zu verformen, noch bevor Erik antworten konnte, sofern überhaupt die Absicht dazu bestanden hatte. Der Fetzen breitete sich nun über Eriks Körper und seine normale Bekleidung aus und wurde zu einer Art wallendem Umhang. Erik fuchtelte mit den Armen, als wolle er gleich losfliegen. Wie ein kleines Kind freute er sich über dieses Wundergewand.

      Emma dagegen war das unheimlich. Sie stellte sich zu ihrem Vater, der dann endlich mal den Arm um sie legte. Wurde aber auch Zeit, dachte sie, dass sich mal jemand um mich kümmert und mich nicht nonstop zutextet.

      „Bist du dir wirklich sicher, Dad?“, fragte sie ihn leise, so als wolle sie Erik nicht beim Spielen stören. Der hatte sich mittlerweile sein Stirnband aufgesetzt und konnte nun den Stoff noch besser kontrollieren.

      „Kleines, wenn jemand mit Freude diesen ganzen Mist im Main versenken würde, dann wäre das sicher ich. Aber ich glaube, Erik hat keine andere Wahl.“ Dabei drückte er sie noch etwas fester, und Emma bemerkte, dass da noch etwas ganz anderes in ihm köchelte.

      „Wenn du mir nicht sofort sagst, worum es geht, dann schmeiß ICH das Zeug in den Main!“ Er nahm den Arm fast erschrocken von ihrer Schulter, aber so richtig zu einer Antwort war er nicht fähig. Also wandte Emma sich an Erik, der plötzlich in einer Art Ganzkörper-Latexanzug vor ihr stand.

      „Was ist das denn?“, fragte sie erstaunt. Erik blickte selbst etwas erschrocken an sich hinab. Emma mochte dieses Kleidungsstück zwar nicht, aber so sah es sehr professionell und sogar modisch bis elegant aus.

      „Ich hab nur nach dem Standard-Outfit für Zeitreisen verlangt. Und schon ... Au! Das zwickt!“ Schon reduzierte sich der Fetzen wieder in sein Anfangsstadium zurück.

      „Ich denke, da darf man sonst nichts anderes drunter tragen“, sagte Erik noch leicht keuchend, schob seine Gürtelschnalle etwas nach unten und offenbarte so eine hässliche rote Druckstelle. Emma ließ sich dadurch jetzt aber nicht abbringen und fuchtelte mit ihrem Zeigefinger vor Eriks Gesicht herum.

      „Wenn mein Vater schon den Mund nicht aufkriegt, dann bist du an der Reihe! Ihr verbergt doch irgendwas!“ Daraufhin piekte sie ihn einmal sehr kraftvoll mit dem Finger auf die Brust, so dass er richtig zusammenzuckte. „Und glaub' jetzt nicht, dass das fest war!“

      Emma hatte es sehr positiv aufgenommen, dass die beiden sich nach ihrem dreitägigen Trip durch Europa nun duzten. Ihr Vater war keiner der schnell mit jemand per du war und sie hielt sich jetzt nicht für altmodisch, aber bei dem Altersunterschied der beiden, ging sie davon aus, dass ihr Vater es angeboten hatte.

      Natürlich hieß Duzen bei ihm, dass man ihn „Brugger“ zu nennen hatte und nicht „Arno“. Wenn Mutter ihn ärgern wollte, nannte sie ihn „Arno“, am besten noch leicht gesäuselt, damit es noch schlimmer war.

      Aber dass die beiden sich gleich so gut verstehen mussten, dass SIE nun plötzlich die Außenstehende war, das ging gar nicht. Erst hatte Emma sie mühsam zusammenbringen müssen und jetzt verheimlichten die beiden Dinge vor ihr. Das würde sie nicht tolerieren. Wie sie ihren Vater nehmen musste, das wusste sie, aber Erik war noch in der Versuchsphase, und da sie gerade etwas zornig war, würde sie ihm zeigen, dass sie nicht nur die verständnisvolle Ärztin war.

      Erik blickte hilfesuchend zu Emmas Vater, aber von dem war in dieser Situation nichts zu erwarten. Er nickte nur, so als wollte er sagen: „Ja! Sie kann mit dem Finger noch viel fester zustechen!“ Also gestand Erik ihr seine Theorie, was passieren könnte, wenn Novalik Stamm keiner der Guten wäre und er sich weigerte zu reisen.

      „Du meinst, er bedroht dann jemand anders, der dir persönlich etwas bedeutet? Deine Mutter?“

      Erik lachte kurz. „Nein, es muss schon jemand sein ...“, wobei er nun etwas rot im Gesicht wurde. „Jemand, der noch lebt.“

      Nun wurde auch Emma rot und die beiden standen sich peinlich berührt gegenüber. Emma war ihrem Vater sehr dankbar, als er verkündete, dass sie wohl nun alle einen Weinbrand brauchen könnten. Sie nickte und wandte sich dann wieder den Beutestücken zu, die auf dem Tisch ausgebreitet waren.

      Diese matt-grauen Ringe gingen fast als Schmuck durch und sie nahm einen davon aus der Schaumstoffhalterung heraus. Erik machte schnell einen Schritt auf sie zu und drückte ihre Hand mitsamt dem Ring wieder nach unten.

      „Emma, bitte! Das Zeug braucht keine Knöpfe und Eingabefelder. Du hast es doch an dem Stoff gesehen. Wir sollten erst die weiteren Informationen von dem Mini-Neuro abrufen.“

      Emma