Christian Schuetz

CYTO-X


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Erdboden gleich.

      Ein kleiner Teil des Wassers folgte dem berühmten Highway 101 über einen kleinen Pass nach Südosten. Dort lag knapp hundert Kilometer südlich von San Jose die Stadt Hollister. Am Ende des Tages gab es diese Stadt nicht mehr, dafür aber einen „Lake Hollister“ von über einhundert Quadratkilometern.

      Der weitaus größere Teil der Wassermassen allerdings machte sich daran, das Ostufer der Bucht von San Francisco zu zerstören. Freemont, Oakland und dann zu Bruggers großem Entsetzen auch die Stadt Berkeley, die berühmt für ihre Universität war.

      Dort wurden Nobelpreisträger fast systematisch gezüchtet und auch der Professor kannte dort einige Kollegen persönlich. Es schnürte Brugger den Magen zu, obwohl das Ereignis, laut einer Anzeige im Bild, erst im Jahre 2098 stattfinden würde und weder er, noch seine Bekannten, die Katastrophe miterleben würden.

      Der nördliche Teil der Bucht blieb während des ARK-Storms noch verschont, sobald aber die Unmengen an Wasser sich den Weg Richtung Pazifik suchten, war es auch um malerische Orte wie Sausalito geschehen. Die letzten Bilder der Präsentation brachten Emma dann endgültig zum Weinen. Es waren hochauflösende Bilder, jenseits der derzeitig bekannten HD-Qualität.

      Die „Golden-Gate-Bridge“ wankte, als die Fluten gegen ihre stolzen, gen Himmel gerichteten Pylone krachten. Die fast zwei Kilometer lange Hängebrücke verbog sich wie ein Papierband im Wind und das Wasser stieg immer weiter an. Dann neigte sich der nördliche Pylon in Richtung des Pazifischen Ozeans und zog den südlichen Pfeiler mit sich.

      Die Spannbrücke zerriss und die Pylone stürzten seitlich gegen ihre jeweiligen Ufer. Als das Wasser abgeflossen war, ragten nur noch kümmerliche Reste der rostroten Stahlschönheit aus dem Wasser.

      Erik war so fasziniert von den Möglichkeiten des Neuro, dass er nicht mehr bemerkt hatte, wie mitgenommen seine beiden Zuschauer waren. „Und das alles, weil die großen Vereinigten Staaten von Amerika keine lausigen drei Milliarden Dollar für ein satelliten-basiertes ARK-Storm-Abwehrnetz übrig hatten.“

      Emma bemerkte die Verbitterung und auch die Verachtung in Eriks Worten. Er war selbst noch nicht über die Vision hinweg. Aber sie hatte auch bemerkt, dass er nun eine kleinere Zahl angegeben hatte. „Ich dachte, es waren fünf Milliarden?“, fragte sie nach.

      Erik blickte wieder auf. Waren ihre Augen verweint oder nur überanstrengt? Er räusperte sich und beichtete dann, dass ein paar Kollegen und er die Technologie fortentwickelt und sie den Amerikanern angeboten hatten.

      „Dann trägst du eine Mitschuld daran!“, sagte sie nur trocken. Brugger zuckte hoch. Er war gerade in Gedanken bei seinen Kollegen aus Berkeley, doch nun roch er den ersten Streit zwischen den beiden „Verliebten“.

      „Das ist jetzt nicht dein Ernst, Emma!“, wehrte sich Erik entrüstet.

      „Natürlich! Wie viel hättet ihr denn daran verdient?“

      „Wir wollten lausige fünfzehn Millionen dafür. Das waren über zwei Jahre Entwicklung und da haben, glaube ich, zeitweise acht Leute dran gearbeitet, das ist viel bei uns.“

      „Na ja, ich verdiene keine Million pro Jahr und ich glaube nicht, dass ihr da nonstop dran gesessen seid. Gehen dir da nicht ein wenig die Relationen verloren?“

      „Du, wir hatten auch Ausgaben in der Zeit. Am Ende wären mir da vielleicht fünfhunderttausend übrig geblieben.“

      „Zusätzlich zu deinen anderen Jobs?“

      Erik kochte. Das hatte er nicht verdient. Sie hatten das bewusst deshalb weiterentwickelt, weil sie nicht wollten, dass das Projekt völlig unter den Tisch gekehrt wurde. Das war für die Verhältnisse der Brain Factory ein Mega-Super-Sparpreis, eben weil es um das Verhindern einer möglichen Katastrophe ging. Eine sehr unwahrscheinliche, wie alle Berechnungen zeigten, aber was man von Wahrscheinlichkeiten halten musste, das war gerade eben klar zu sehen gewesen.

      „Ich habe dir gesagt, womit ich mein Geld verdiene. Und wenn meine Organisation genauso gewissenlos agieren würde, wie die Regierungen der großen Nationen dieser tollen Welt, dann könnten wir leicht das Zehnfache an Kohle verdienen, aber wir wählen sehr bewusst aus, was für Jobs wir übernehmen. Und das, was wir da verlangt hatten, war eine bessere Aufwandsentschädigung!“

      „Scheinbar war den Amis Eure kleine Aufwandsentschädigung trotzdem noch etwas zu hoch angesetzt!“

      „Selbst wenn wir es ihnen geschenkt hätten! Die hätten immer noch das restliche Geld ausgeben müssen, um die Satelliten hoch zu schicken. Wir haben denen sogar vorgeschlagen, dass sie die Technologie auch an Großbritannien und Neuseeland weiter verkaufen könnten. Das sind die anderen Länder, die für so eine Katastrophe in Frage kommen. Die wollten einfach nicht!“

      „Nun, da du jetzt weißt, was passieren wird, wie wird das weitere Vorgehen deiner tollen Firma aussehen?“

      Für Brugger war das ganz großes „Beziehungs-Tennis“. Emma stand vorne am Netz und ließ die Bälle einfach schnell zu Erik zurückprallen, der stark in die Defensive gedrängt stand und sich mit allem verteidigen musste, was er hatte. Emma hatte mittlerweile auf ihren Stur-Modus geschaltet, den er selbst schon oft hatte genießen dürfen. Er wollte sehen, wie Erik damit fertig wurde.

      Erik blickte Emma eine Weile an und musste sich gut überlegen, was er sagen würde. „ICH werde mir die Aufzeichnung jetzt weiter ansehen. Und wenn du es noch nicht bemerkt hast, DEIN Anteil an der Rettung von San Francisco wird es sein, mir zwei Liter Cyto-X in den Körper zu waschen.“ Daraufhin drehte er ihr den Rücken zu und kochte still weiter vor sich hin.

      Brugger sah, dass auch Emma kochte, also blieb er einfach mal still. Sollte Staam Erik wirklich damit beauftragen, diese Katastrophe zu verhindern, dann würde er mitmachen. Das Kind zu retten, war ein nobler Auftrag. Die Frage war nur, wie drastisch durfte man in die Zeitlinie eingreifen, um das Leben eines Kindes zu retten?

      Brugger war davon ausgegangen, dass es sich um eine kleine Korrektur handeln würde, die Erik zu erledigen hatte oder vielleicht sogar eine Tat in seiner eigenen Gegenwart, ganz ohne Zeitreise. Auch wenn es grausam klingen mochte und er bei solchen Überlegungen schnell ein schlechtes Gewissen bekam, aber massive Eingriffe in die Leben von Tausenden konnte man für ein einzelnes Kind nicht rechtfertigen.

      Das hier aber war eine echte Lebensaufgabe! Auch dieses Opfer hatte natürlich für ihn eine Art „Gesicht“ und zwar in Form einer seiner Universitäten: Berkeley! Aber auch ohne diesen persönlichen Touch war klar, dass sie alle hier helfen mussten, sofern sie die Chance dazu bekämen.

      Zur Not würde Brugger dafür sogar vorzeitig in Ruhestand gehen. Als Grund würde er Burnout angeben. Das würde ein Spaß werden, wenn die Kollegen sich das Maul über ihn zerrissen!

      24 - Eine neue Hoffnung

      Es war etwas zeitaufwändig mit all den Exkursionen, die sie unternehmen mussten, und Erik merkte, dass er alleine viel schneller wäre, aber er wollte sicher nicht wieder zum Einzelkämpfer werden, auch wenn das auf diese Weise seine Nachteile hatte. Die Vorteile überwogen. Er fühlte sich wegen des Streits mit Emma ein wenig schuldig, auch wenn ihre Argumentation schon sehr naiv war, in Bezug auf das zu erwartende Verhalten der USA.

      Mit solchen Regierungen konnte man sowieso schwer verhandeln. Gerade die USA taten gern so, als hätten sie alle Ressourcen der Welt und wären nie darauf angewiesen, etwas von privaten Firmen zu erwerben, noch dazu von welchen, die ihren Sitz nicht in den Staaten hatten. Auch deshalb hatte man den Verkaufspreis am untersten Limit angesetzt, aber die Verbohrtheit der USA hatte wieder einmal gesiegt.

      Da es bereits nach Mitternacht war, einigten sie sich darauf, den Rest anzuhören, egal wie lange es auch dauerte, aber bevor man irgendwelche Entscheidungen traf, sollte erst drüber geschlafen werden.

      Brugger musste sich nach dem kleinen Streit der beiden auch keine Sorgen machen, dass sie in seinem Appartement ihr „erstes Mal“ feierten, also würde er seine Couch für Erik umbauen, und sein eigenes Bett war groß genug für zwei, denn