Christian Schuetz

CYTO-X


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dem Ausland, so richtig groß in die Forschung einzusteigen, um dann von einem Projekt zum nächsten zu hetzen, nur um irgendwann einen Nobelpreis zu bekommen oder haufenweise Kohle zu scheffeln. Ich bin froh, dass ich mich da nie habe locken lassen.

      Eine Tochter großzuziehen war sicher auch nicht gerade die Comfort-Zone für einen Experten in Theoretischer Physik, aber ich denke, meine Frau und ich haben das richtig gut hinbekommen. Und deshalb bin ich darauf viel eher stolz als auf irgendwelche Auszeichnungen, die ich mal bekommen habe, bloß weil ich über theoretisch vorhandene Teilchen oder hypothetische Energiemodelle geschwafelt habe.“

      Die beiden schwiegen sich daraufhin eine ganze Weile gegenseitig an, bis Erik auf seine Uhr blickte und befand, dass es langsam an der Zeit war weiterzufahren. Brugger fühlte sich nun wieder viel besser, und als er beim Anschnallen die Mullbinde sah, die Erik in den Getränkehalter gestopft hatte, da wusste er auch, dass er keinen falschen Verband brauchen würde.

      Brugger packte die Binde und steckte sie ins Handschuhfach. „Die brauchen wir nicht, aber lass den Motor nachher lieber laufen, falls ich es doch verbocke!“

      19 - Bank-Job

      Brugger stieg die Stufen zum Eingang der „Banken Letzebuerg“ hinauf. In seiner rechten Hand trug er einen Koffer, den Erik besorgt hatte, während Brugger unter der Maske hatte leiden müssen. Der Koffer hatte ein ungefähres Fassungsvermögen von zehn Litern, ähnlich wie das Bankfach. Da es sich mit ziemlicher Sicherheit um Geräte auf organischer Basis handeln musste, würde es wohl kein Gewichtsproblem geben, aber Brugger hatte trotzdem Angst, dass da noch ein schwerer Barren Blei oder Ähnliches im Fach liegen könnte.

      Oder ein Container mit der Aufschrift „hochexplosiv – nicht schütteln“! Es fiel ihm schon recht einfach, hierzu irgendwelche Horror-Szenarien zu generieren. Das Schlimmste, das er entwickelt hatte, war Folgendes: Ein Wissenschaftler aus der Zukunft wollte Erik Zsolt-Stolz töten und hatte deshalb einen perfiden Plan entwickelt, der ihn in die Bank führen sollte. Beim Öffnen des Schließfachs würde eine Bombe gezündet oder ein fieses tödliches Gift freigesetzt, das ihn innerhalb von Sekunden in ein zuckendes Häufchen Elend verwandelte. Oder wie wäre eine Säure, die sich beim Öffnen der Box mit der Luft vermischte und ihn restlos zersetzte?

      Wenn man in der Wissenschaft tätig war, wusste man, dass die am weitesten fortgeschrittene Technologie immer dazu diente, Leben auf immer neue und kreativere Weise zu nehmen. Es war stets Geld dafür da, neue tödliche Geräte oder Substanzen zu entwickeln. Die Medizin musste da betteln, wo man den Waffenentwicklern das Geld von hinten und vorne reinschob. Und Brugger zweifelte ernsthaft daran, dass sich das innerhalb von fünfhundert Jahren ändern würde.

      Die Tür zur Bank öffnete sich automatisch, und Brugger trat ein in einen herrlich gekühlten Marmortempel. Laut Eriks Recherchen eine renommierte Bank mit langer Geschichte und sehr seriös, mit angemessenen Sicherheitsstandards und der Kunde war hier wirklich König. Brugger stand in der Schalterhalle und sondierte das Personal. Erik hatte ihm einen Tipp gegeben: Er sollte sich den Angestellten aussuchen, der ihm auf Anhieb am unsympathischsten wäre!

      Dies sei ein altbewährter Trick, hatte Erik ihm schmunzelnd anvertraut. Frauen sollte er von vorneherein ausschließen, weil diese Männer leichter durchschauten und Reaktionen, vor allem in den Augen und der Mimik, viel deutlicher lesen konnten. Falls es nur Frauen geben sollte, dann sollte er bloß keine hübsche wählen! Sobald er sich also für einen jungen Mann an einem Schalter entschieden hatte, sollte er kurz all seinen Vorurteilen freien Lauf lassen und in Gedanken über den Kerl herziehen.

      Eine gute Dosis Unfreundlichkeit stellte sicher, dass der Angestellte alles daran setzen würde, die Aufgaben so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Offene Feindseligkeit wäre unangebracht, aber es sollte einfach rüberkommen, dass man von seinem Gegenüber nicht sonderlich viel hielt.

      Diese Philosophie fand Brugger anfangs erschreckend, nach etwas Überlegen dann aber doch erschreckend einleuchtend. Er hatte auf der restlichen Fahrt noch ein wenig trainiert: „Was für ein billiger Anzug! Und was für eine Visage! Wenn Emma so einen anschleppt, würde ich sie enterben!“

      Er musste mehrmals anfangen, weil er sich anfangs etwas schämte und auch immer wieder zu lachen anfing. Aber nach einer Weile fühlte er sich sicherer und war schon gespannt darauf, wie gut das funktionieren würde. Kaum war er in der Schalterhalle, erblickte er einen rothaarigen jungen Kerl von vielleicht achtzehn Jahren, mit abstehenden Ohren und einem leichten Überbiss. Er wollte schon losmarschieren, da merkte er, dass er hart sein konnte, aber nicht grausam.

      Außerdem hatte der Rothaarige bereits eine Kundin, also ließ er den Blick weiter wandern und erspähte dann, zwischen den meist weiblichen Angestellten, doch noch einen jungen Mann. Das mit dem billigen Anzug stimmte schon mal, dann hatte er noch sehr helle Haut und dunkle Ringe unter den Augen, so dass er optisch etwas rattenhaft auf ihn wirkte.

       Das ging schnell, wenn man etwas Übung darin hatte. Respekt!

      Fast hätte ihn die junge Dame am benachbarten Schalter abgefangen, aber Brugger setzte seinen Weg zum Auserkorenen fort. Er stellte sich einen Haufen Gold vor, auf dem eine grinsende Ratte saß. Für Leute aus dem Finanzgeschäft hatte er noch nie viel übrig, was es sehr einfach machte. Allerdings musste er sich dann doch etwas einbremsen, sonst wäre er noch innerlich eskaliert.

      Der harte Akzent auf seinem Englisch passte für einen Norweger auch hervorragend und Bruggers Forderung, das Schließfach zu öffnen, war unfreundlich genug, so dass der junge Mann nur kurz nickte und nach einem schnellen Blick auf den Reisepass schon die Unterlagen holte. Brugger ärgerte sich fast über die drei Stunden in der Maske, weil „Rat-Boy“ das Bild darin kaum angeschaut hatte.

      Der Zugangsnachweis zu Magnussens Schließfach wies tatsächlich erst eine einzige Unterschrift auf, sie stammte aus dem Jahre 2007, einem Zeitpunkt, der ziemlich genau drei Wochen vor dem tödlichen Lawinenunglück lag. Hier in Luxemburg wusste niemand, dass der Professor nicht mehr am Leben war.

      Woher auch? Brugger malte ein mustergültiges großes M und schmierte den Rest des Namens so „magnussenesk“, dass er richtig stolz auf sich war. „Rat-Boy“ bat ihn, kurz gegenüber in einem Wartebereich mit gemütlicher Leder-Garnitur Platz zu nehmen.

      Brugger ließ sich zufrieden ins Leder sinken und schaute eine Weile dem Treiben in der Bank zu. Er war seit Jahren nicht mehr persönlich in einer Bank gewesen, seit er alles online erledigen konnte. Kredite brauchte er nicht und Sparkonten oder ein paar Aktiengeschäfte bedurften auch keiner physischen Anwesenheit in einem Geldtempel. Hier war viel schöner Schein geboten, und er war froh, dass in seinem Metier auf Äußeres so wenig Wert gelegt wurde.

      Andererseits gab es hier auch was fürs Auge, besonders für das männliche. Er hörte das Klacken der Absätze, bevor er die große Blonde aus dem hinteren Bereich der Bank kommen sah. Sie lächelte ihn im Vorbeigehen kurz an, so schnell, dass er keine Chance hatte, sich zu revanchieren und dann blickte er ihr hinterher. Das war kein billiges Outfit, was die Dame anhatte. Na ja, dachte Brugger, bei der Figur sieht wohl auch Sackleinen teuer aus.

      „Blondie“ steuerte auf „Rat-Boy“ zu. Brugger versuchte zu schätzen, wer von beiden wohl älter sei, aber rief dann ein Unentschieden aus. Wer auf der Karriereleiter der Bank aber bereits höher gestiegen war, war offensichtlich. „Blondies“ warmes Lächeln war verschwunden, in dem Moment, als sie „Rat-Boy“ erreicht hatte oder es war zu einem dämlichen Grinsen mutiert und in dessen Gesicht übergesprungen, so genau war das nicht zu sagen.

      Als sie ihm aber das Dokument abnahm, das er ihr reichte, kapierte Brugger, dass diese Dame für ihn erschienen war. Gehobene Privatkundenbetreuung sozusagen, aber er hätte darauf gut verzichten können, denn nun setzte die Nervosität richtig ein.

       Guter Rat von dir, Erik! Meide hübsche Frauen! So viel dazu!

      Sie kam strahlend auf ihn zu, so als wäre er schon immer ihr Lieblingskunde gewesen. Brugger spürte wie ihm die Farbe ins Gesicht schoss.

       Beruhige dich! Als Magnussen das