Maryam Munk

Das Kamjuna


Скачать книгу

wo er stand und hantierte mit einem Seil. Irgendwo in seinem Orkhirn kam Zerk dies merkwürdig vor, aber die Wut ließ kein Erstaunen zu.

      Der Ork war auf zwanzig Fuß heran, als er lautstark zu grunzen begann. Joog lief los und schleuderte das Seil. Die Schlinge wirbelte durch die Luft und sank über dem Ork nieder. Joog zog das Seil mit einem Ruck stramm. Der Ork taumelte. Die Schlinge presste ihm die Arme an die Brust. Die Axt in seinen Pranken war nutzlos. Joog drehte sich mehrmals, wobei das Seil sich um seine Hüften wickelte. Der Abenteurer warf sein ganzes Gewicht in den Zug und riss den Ork von den Beinen.

      Zerk begriff es nicht. Das Seil schlang sich um ihn, und der Mensch wirbelte umher. Zerk geriet aus dem Gleichgewicht, fiel zu Boden. Die Schlinge löste sich etwas, sodass er die Arme bewegen konnte. Er schwang die Axt gegen den Mensch. Einen Fuß vor dessen Stiefeln schnitt die Doppelklinge durch das Gras.

      Während der Ork stürzte, drehte Joog sich aus dem Seil. Wieder schwang er es, damit eine weitere Schlinge entstand und noch eine, die beide über den Kopf des Orks glitten. Der bekam die Arme frei und schlug mit der Axt. Joog zurrte die Schlingen straff um seinen Hals. Der Ork verzog die Schnauze. Er ließ die Axt los, stemmte sich mit einer Pranke hoch und versuchte mit der anderen das Seil vom Hals zu lösen. Joog zerrte kraftvoll. Der Ork spannte die Halsmuskeln an. Die schwarzen Augen richteten sich drohend auf den Abenteurer.

      Joog erkannte, wie sinnlos es war, ein Wesen erdrosseln zu wollen, das nur aus Muskeln zu bestehen schien. Er musste an die Axt kommen. Joog ließ das Seil los, griff nach der Axt und bekam einen Tritt, der ihn drei Fuß weit von der Waffe fort beförderte. Joog rollte sich zur Axt, doch der Ork war schneller.

      Grinsend beugte Zerk sich über den Mensch, die Axt in der Pranke. "Wenn du die suchst? Ich habe sie zuerst gefunden." Er stemmte einen Fuß auf die Brust des Menschen, nicht allzu fest, er wollte ihn nicht töten, nur auf dem Boden halten.

      Joog stöhnte unter dem Gewicht, das ihm die Luft aus den Lungen presste. Bevor ich in die Dunkelheit gehe, werde ich noch eine Glocke läuten, zitierte er in Gedanken ein Sprichwort seiner Heimat. Am Seil, das vom Hals des Orks baumelte, zog er sich mit einer Hand hoch, gleichzeitig stach er mit dem Jagdmesser zu. Der Ork grunzte.

      Der Stich war seitlich in den Oberschenkel gedrungen und hatte Zerk mehr erschreckt als verletzt. Ein größeres Problem war, dass der Mensch ihm nun so nahe war, dass er mit der Axt nicht nach ihm schlagen konnte. Der Mensch hing ihm buchstäblich am Hals. Einen weiteren Stich parierte Zerk eher zufällig, als er die Axt zwischen sich und den Gegner presste, um den Mensch von sich zu stoßen.

      Zum ersten Mal in seinem Leben kam Joog einem Ork hautnah. Er roch dessen Ausdünstung und ekelte sich vor dem fremdartigen Gesicht. Als er dem Ork das Messer in die Hüfte stechen wollte, brachte der die Axt zwischen die beiden Körper und lenkte den Stich seitwärts ab. Dann stieß er Joog von sich. Der Abenteurer taumelte zurück, blieb aber auf den Beinen.

      Blut rann Zerk das Bein hinab. Er merkte es nicht. Er schritt auf den Mensch zu, hob die Axt über den Kopf. Die Augen des Menschen, die so braun wie das kurze Fell auf seinem Kopf waren, weiteten sich. Zerk sah die kleinen schwarzen Punkte in dem Braun noch kleiner werden. Dies war aber nicht der Grund dafür, weshalb er nicht zuschlug. Er hörte ein Brüllen. Es klang rau und kam aus vielen Kehlen.

      Auch Joog hörte das Bellen. Seine Augen folgten dem Blick des Orks. Wesen in schwarzen Fellen rannten in gestrecktem Lauf heran. Ein Rudel wilder Hunde griff ihn und den Ork an. "Ork, nun müssen wir zusammen kämpfen!"

      Zerk verstand nicht, was der Mensch sagte, es interessierte ihn auch nicht. Das Rudel fächerte auseinander. Es bildete einen Ring um Mensch und Ork. Diese stellten sich Rücken an Rücken. Die Hunde fletschten die Zähne, knurrten die beiden an. Zerk waren diese Tiere unbekannt, aber die Drohung, die von ihnen ausging, war unmissverständlich.

      Anders, als der Ork, stand Joog einer ihm bekannten Gefahr gegenüber. Im Sinne einer naturgegebenen Ordnung erfüllten Wildhunde ihre Aufgabe in den Wäldern und auf den Ebenen. Sie rissen alte oder kranke Tiere aus Hirschrudeln oder Antilopenherden. Normalerweise mieden diese Tiere Menschen. Joog fragte sich, weshalb dieses Rudel sich nicht daran hielt. Er stieß gegen den Rücken des Orks. Der Ork war der Grund! Die Hunde glaubten, ein Tier zu wittern, dessen Geruch seinen menschlichen überdeckte. Doch sie witterten mehr, etwas fremdartiges, was sie irritierte, auf Abstand hielt. Lange würde das Rudel seine Gier nicht beherrschen können. Griff es an, machte es bestimmt keinen Unterschied zwischen Ork und Mensch. Aber was verpflichtete Joog, dem Unhold beizustehen? Er machte einen Schritt. Der Ork grunzte. Joog tat einen weiteren Schritt. Wieder grunzte der Ork.

      Zerk spürte, wie sich der Mensch in seinem Rücken entfernte. "Bleib!", warnte er. Der Mensch ignorierte ihn. "Bleib!", warnte er nochmals. Dann griffen die Tiere an.

      Joog stolperte rückwärts gegen den Ork. Er hielt das Messer in Hüfthöhe, die Schneide noch oben, damit er dem ersten Hund, der ihn erreichte, den Leib aufschlitzen konnte.

      Brüllend schwang Zerk die Axt. Die Tiere waren fast heran, als in der Höhe ein Kreischen erklang. Die Hunde stoppten den Angriff. Sie wischen zurück, duckten sich ins Gras. Sie erhoben sich, tappten mit eingezogenen Ruten wie unschlüssig umher. Schließlich jagten sie in Richtung des toten Drachen davon. Ihnen folgte ein großer, weißer Vogel, der so niedrig flog, dass seine Flügelschläge des Gras in Wellen bewegte. Es schien, als treibe er die Hunde vor sich her.

      Joog richtete seine Aufmerksamkeit auf den Ork, der dem Vogel nach gaffte. Einen Schnitt durch die Kehle! Er musste nur schnell sein.

      Während er das Erlebte zu begreifen versuchte, registrierte Zerk, wie der Mensch sich ihm zu wandte. Sein Instinkt warnte ihn. Er hielt den Kopf reglos und drehte die Augen in den Winkel. Die Hand des Menschen bewegte sich seinem Hals entgegen. Die Axt zu schwingen blieb keine Zeit. Zerk rempelte den schlanken Körper an. Der Mensch fiel ins Gras.

      Der Ork drohte Joog mit der Axt. Obwohl der Abenteurer in dem fremdartigen Gesicht keine Mimik erkannte, war er sich der Wut des Orks bewusst. Joog erwartete den Todesschlag. Seltsamerweise senkte der Ork die Axt.

      "Ich sollte dich erschlagen, Mensch", sagte Zerk. "Ich sollte dein Blut trinken und dein Fleisch essen, damit dein Leben einen Sinn hatte. Aber ich glaube, lebend nutzt du mir mehr." Er streckte dem Mensch die Pranke entgegen. "Gib mir das Messer!"

      Mit Abscheu blickte Joog auf die deformierte Hand, die der Ork ihm entgegenstreckte. Sie war enorm breit, hatte schwielige Muskelballen und dicke Finger, aus denen schwarze Nägel standen. Die Innenfläche der Hand war grau, der Handrücken, wie die gesamte Haut der Kreatur, fast schwarz. "Danke, du Missgestalt, ich komme alleine hoch", brummte Joog. "Wenn du das nächste Mal aus dem Gleichgewicht kommst, stehe ich hoffentlich nicht neben dir. Es freut mich, dass du mich als Partner akzeptierst, aber ich habe schon einen Partner, und der sieht besser aus, als du. Der riecht auch besser." Einen Augenblick lang überlegte Joog, ob Browag tot sein mochte. So robust er war, konnte er einen Absturz selbst auf dem Fels der Berge überstanden haben. Der Ork hielt Joog noch immer die gestreckte Pranke hin. "Auch wenn du meine Sprache nicht verstehst, wirst du vielleicht begreifen, dass ich dir keinen Handschlag gebe. Ich will das hässliche Ding, das eine Hand sein soll, nicht berühren."

      Zerk staunte, denn der Mensch schien sich nicht vor ihm zu fürchten. Er gab schwungvolle Laute von sich und fuchtelte mit der Hand, die das Messer hielt. Zerk schlug es ihm mit dem Axtschaft aus der Faust.

      Joog biss die Zähne zusammen. Er bewegte die Finger. Die Hand schmerzte, schien aber nicht gebrochen zu sein.

      Der Ork hob das Messer auf.

      Kapitel 7

      Den jungen Kriegern aus dem Süden fiel es schwer das Gebirge zu ersteigen. Bragg fluchte und beschimpfte sie und drohte damit, ihnen die Hoden abzubeißen. Aber der Hauptmann erinnerte sich an die eigene erste Begegnung mit den Bergen. Damals war auch er jung gewesen. Den harten Stein unter den Stiefeln und immer wieder Felswände erklettern oder Geröllfelder überwinden, das zehrte schon an den Kräften eines Ork, der nur flaches, sandiges Land gewohnt war. Doch Bragg hatte es geschafft. Er hatte sich das Gebirge empor gekämpft, ohne seinem Hauptmann