Maryam Munk

Das Kamjuna


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Es erforderte Geschicklichkeit, die Maschine zwischen den Bergen zu lenken. Joog blickte nach rechts. Die Maschine des Trolls befand sich im Abstand von etwa siebzig Fuß fast auf gleicher Höhe.

      "Browag!", schrie Joog in den Blechtrichter. "Wir greifen die Drachen von zwei Seiten an. Ich komme von links, du von rechts. Versuch ihre Flügel zu treffen. Kannst du ins Maul, in die Kehle oder ins Auge treffen, umso besser. Aber gib Acht! Sie können Feuer spucken. Hast du verstanden?"

      Ein gewaltiges Brüllen beantwortete die Frage, und Browag hatte nicht mal den Blechtrichter benutzt.

      Die Drachen nahmen gigantische Formen an. Es waren drei schwarz geschuppte Echsen, mit riesigen Flügeln aus Haut. Sie kreisten über der Kampffront, beugten die Köpfe und stießen fauchend Flammen aus, die fast so lang wie ihre Körper waren. Sie töteten nicht nur Menschen. Mit jedem Feuerstoß verbrannten sie auch Orks. Tausend Fuß mochten die Flugmaschinen noch von den Drachen entfernt sein. Joog hatte das Gefühl, auf einer Libelle gegen Adler zu fliegen. Auf jeden Feuerstoß folgte vielstimmiges Geschrei. Der Wind trug es Joog leise zu, als wollte er ihn warnen.

      "Browag! Du von rechts, ich von links. Verstanden?"

      Ein Brüllen dröhnte wie ein Donnerknall. Diemal hatte der Troll den Blechtrichter benutzt.

      In weitem Bogen zogen die Flugmaschinen auseinander. Der Abstand zu den Drachen verringerte sich rasch. Pfeile zischten zu den Echsen empor. Sie blieben in den Schuppen stecken. Die Drachen schienen sie nicht zu spüren. Nach jedem Flammenstoß, der hinunter leckte, wurden weniger Pfeile in die Höhe geschossen. Joog lenkte seine Maschine geradewegs auf die Drachen zu. Welches der Ungeheuer er angriff, würden der Wind, seine Geschicklichkeit und noch mehr der Zufall entscheiden.

      Einer der Drachen reckte Joog den aufgerissenen Rachen entgegen. Der Abenteurer blickte in den dunklen Schlund, woraus er einen Flammenstoß erwartete. Er sah, wie das Feuer in der Tiefe des Rachens entstand. Als gelblich weiße Kugel rollte es den Schlund entlang. Mit aufgerissenen Augen starrte Joog dem Feuerball entgegen. Sein Herz raste in der Brust. Gleich geschieht es!, dachte er entsetzt. Gleich werde ich zu Asche verbrannt! Mit den Gedanken an seinen Tod, schoss er die erste Lanze ab. Sie löste sich mit einer Gewalt, die die Flugmaschine beben ließ. Es war Joog nicht möglich gewesen, genau zu zielen, deshalb drang die Lanze nicht, wie er es beabsichtigt hatte, in das Maul des Untiers, sondern stieß eine Elle tiefer in die schwarze Unterlippe. Der Drache riss den Kopf empor. Der Feuerstoß fauchte über Joog hinweg. Das Untier schwang den Kopf hin und her, versuchte, die Lanze aus der Lippe zu schütteln. Das Zucken durchzog den gigantischen Körper bis in die Spitze des Schwanzes, der wild umher peitschte. Etwas fiel vom Nacken des Drachen. Ein kleines Wesen stürzte zappelnd in die Tiefe.

      Der Schwanz des Drachen schlug gegen Joogs Flugmaschine, zertrümmerte das Heck, warf die Maschine in den Wind, der sie über das Land trug, ohne dass Joog sie noch lenken konnte. Der Abenteurer hielt sich an den Brettern fest, um nicht aus der umherwirbelnden Maschine zu fallen. Er sah nicht, wie die Pfeile der noch lebenden Bogenschützen, dem Beispiel seiner Lanze folgend, ihre Ziele im weichen Maulbereich der Drachen suchten. Er sah nicht, wie die Formation der Untiere sich auflöste, die Drachen auseinander flogen und einer sich, mit einer Lanze in der Kehle, in der Höhe herum warf und in seinem Todesflug Joogs Maschine folgte.

      Indiga Joog sah das Grün der Erde und das Blau des Himmels in rascher Folge wechseln. Er hing nun zwischen einem Flügel und dem zertrümmerten Heck und klammerte sich an die Flugmaschine. Vom Rotieren der Maschine und dem wechselnden Anblick von Himmel und Erde schwindelte es ihm. Die Maschine hätte längst abstürzen müssen, doch sie hielt sich in der Höhe, flog sogar gegen den Wind, den der Abenteurer mal im Rücken, mal vorne spürte. Das geht nicht mit rechten Dingen zu!, dachte Joog. Da hat jemand eine magische Hand im Spiel! Joog war kein Mann, dem Zauberei imponierte. Er hatte Geschichten von heller und dunkler Magie gehört, deren Wahrheit er aber bezweifelte. Und was gewisse Leute auf Jahrmärkten darboten, erkannte sein wacher Verstand als Blendwerk. Aber das Phänomen seines unnatürlichen Flugs, konnte er sich nicht erklären, es sei denn, es gab tatsächlich Menschen, die Magie beherrschten und die ein persönliches Interesse an seinem Schicksal hatten. Kaum war der Gedankengang beendet, endete auch der wirbelnde Flug. Die Maschine segelte der Erde entgegen.

      "Du magisches Wesen", flehte Joog, "treibe deinen Spaß mit mir, aber lass mich heil unten ankommen!"

      Die Flugmaschine berührte das Gras und glitt dreißig Fuß weit, bis ein Flügel an einem Baum zersplitterte. Der Aufprall riss die Maschine seitwärts und beförderte Joog, auf einem letzten Flug, zehn Fuß weit von den Trümmern fort. Einen Moment lag der Abenteurer benommen im Gras, dann stellte er fest, dass die Schmerzen zu ertragen waren und richtete sich auf. Abgesehen von einigen Schürfwunden hatte er keine Verletzungen. Das Seil um seinen Rumpf hatte sich gelöst. Während Joog es wieder festzurrte, bemerkte er einen Riss im Hemd. Er schrie und fluchte, als hätte er den Verstand verloren.

      Aus dem Geäst eines Baumes heraus, beobachtete ihn eine weiß gefiederte Gestalt, die sein Verhalten sehr merkwürdig fand.

      Browag zog den Hebel, der eine Lanze aus der Spannung löste. Gleichmütig registrierte er, wie die Waffe dem Drachen vor ihm bis zur Mitte des Schafts in die Kehle drang. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Joogs Maschine sich um sich wirbelnd entfernte. Augenblicklich interessierte Browag sich nicht mehr für die Drachen. Er betätigte weitere Hebel und ließ die Maschine der des Freundes folgen. Eine halbe Meile hielt er den Kurs, dann wechselte der Wind und trug ihn in südöstliche Richtung, während Indiga Joog südwestlich verschwand. Der Troll knurrte zornig und versuchte beizudrehen, was nicht gelang. Der Wind alleine bestimmte die Richtung. War es nicht möglich, die Flugmaschine zu lenken, musste Browag sie auf die Erde bringen, denn je länger der ungewollte Flug dauerte, desto weiter entfernte er sich von Joog. Doch der Wind ließ keine Landung zu. Wieder und wieder betätigte Browag die Hebel, um die Maschine zu senken. Stets hob der Wind sie wieder an.

      Der Troll ließ die Hebel los. Er beugte sich vor und schob den Körper auf den Bug der Flugmaschine. Deren Nase senkte sich. Browag schob sich ein Stück weiter nach vorne. Der Wind versuchte, die Maschine in die Höhe zu drücken, kam aber nicht mehr gegen das Gewicht des Trolls an. Im Sturzflug sank die Maschine nieder. Dicht glitt sie über eine Baumgruppe und sauste auf einen Planwagen zu, der hinter den Bäumen auftauchte. Browag sah mehrere kleine Gestalten, die den von Eseln gezogenen Wagen begleiteten. Sie blickten zu der Flugmaschine hin und liefen in alle Richtungen davon. Kurz bevor die Maschine in den Planwagen knallte, sah der Troll eine Gestalt vom Kutschbock springen.

      Browag saß nicht lange zwischen den Trümmern. Er sprang auf, zerriss die Plane, die ihn und die Flugmaschine bedeckte, und rannte los. Den sprachlosen Zwergen gönnte er keinen Blick. Er lief, als ginge es um sein Leben, aber darum fürchtete er nicht. Seine Sorge galt Indiga Joog. Mit jeder Elle, die Browag hinter sich brachte, glaubte er, sich Joog zu nähern. Tatsächlich entfernte er sich weiter von ihm. Im Dämmerlicht eines Waldes fand ein Tieflandtroll immer seinen Weg. Doch wo das Land waldlos war und die Sonne nur dessen Schatten warf, der sich unter ihr bewegte, verlor ein Tieflandtroll leicht die Orientierung. So jagte Browag seinem Schatten nach, und weil die Sonne im Westen stand, rannte er in östliche Richtung.

      Die Zwerge erholten sich von ihrem Schrecken. So etwas hatten sie noch nicht erlebt. Da saß jemand in einem Bretterkasten und stürzte aus dem Himmel. Und wie am Kopf, hinter dem eine Kapuze geflattert hatte, zu erkennen gewesen war, war es auch noch einer dieser tierischen Trolle gewesen. Ungläubig schüttelten die Zwerge die Köpfe. Ausgerechnet im Wagen, worin sie Lebensmittel zum Heerlager transportierten, war er gelandet. Die Zwerge betrachteten das Durcheinander. Der Wagen lag umgestürzt und zum Teil zerstört. Die Plane war von den Rippenbrettern gerissen. Um den Wagen lagen Brot- und Käselaibe und Schinkenkeulen verstreut. Bis auf eines, waren die Fässer zerschlagen. Der Wein färbte das Gras rot, als wäre es nass von Blut.

      Ailich Steintreter, der das Kommando über den Nachschubtrupp hatte, rückte grimmig seine Kappe zurecht. "Migwer! Balamba! Ihr kommt mit mir!", befahl er. "Ihr anderen flickt den Wagen und fangt die Esel ein! Dann bringt ihr das noch brauchbare Zeug ins Lager!" Er wandte sich den Zwergen, die er aufgerufen hatte, zu. "Den Troll kaufen wir uns. Das hat der nicht umsonst getan. Dafür muss er zahlen." Ailich legte die