Benedict Dana

Der letzte Weg des Dr. Dembski


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ähnlicher Art in Manhattan verfügt.

      Mein Informant konnte mir mit großer Sicherheit belegen, dass der wahre Besitzer des High Times der russische Oligarch Sergej Romanov ist, der seit jeher dem russischen FSB nahe steht. Diese Tatsache ist in bestimmten Kreisen offenbar kein Geheimnis, denn ich habe von dem Spitznamen des Clubs gehört, der angeblich als Treffpunkt für die Unterhändler gegnerischer Geheimdienste fungiert. Man nennt ihn auch The Meeting Place, weswegen man an diesem Ort in ein wahres Wespennest sticht und wir uns dringend fragen müssen, wie weit wir mit unseren weiteren Untersuchungen gehen sollen. Es könnte uns nicht gut tun, wenn wir dort irgendwen unnötig für uns interessieren und schlafende Hunde wecken – Hunde, die unter Umständen sehr gefährlich werden können, Mr. Abrahams!“

      Silverman schien ernstlich besorgt zu sein, was Leo Abrahams unter diesen Umständen wohlwollend als Vernunft und nicht etwa als unbegründete Angst interpretierte; auch sonst zeigte er sich sehr zufrieden mit Silvermans kurzem und prägnanten Bericht.

      „Ich danke Ihnen, Mr. Silverman! Ich stimme natürlich mit Ihnen darin überein, in dieses Wespennest, wie Sie es nennen, nicht weiter einzudringen. Wenn Moskau hinter der Sache steht, ist dies für uns in diesem Fall positiv zu sehen und es bedarf keiner weiteren Aktionen. Außerdem kämen wir gegen die Russen ohnehin nicht an.

      Haben Sie noch etwas über den Decknamen der falschen Lydia Abramovitch herausgefunden? Wie lautete er noch gleich?“

      Leo schaute fragend in die Runde, ob ihm jemand den Namen nennen konnte.

      „Patricia Stratford“, entgegneten Tosh und Silverman zugleich und allein Silverman fuhr dann weiter fort:

      „Es ist ein Name wie tausend andere und selbst zusammen mit der Mitgliedsnummer des High Times Clubs, die uns Dembski genannt hat, konnte ich auf die Schnelle nichts in Erfahrung bringen, ohne dass meine Untersuchungen für andere zu offensichtlich werden. Ich werde dem weiter nachgehen und Sie, Mr. O’Brian, informieren, falls sich daraus noch etwas ergibt. Ich glaube, hinter dieser Patricia Stratford wird eine russische Top-Spionin stecken, die wahrscheinlich für immer ein Mysterium bleibt.“

      „Und was ist mit dem Betäubungsmittel? Hat es bereits eine Analyse gegeben?“, führte nun Tosh anstatt Leo die Reihe der nötigen Fragen fort.

      „Dr. Fields – falls Sie ihn kennen – ist heute Morgen bei Miss Abramovitch gewesen und hat ihr eine Blutprobe entnommen. Er hat mich unterwegs angerufen und von einem Stoff mit dem Spitznamen Agent O gesprochen, der genauso von den Amerikanern wie den Russen verwendet wird. Es ist ein geruchsloses Mittel, das ähnlich wie Chloroform zur sofortigen Betäubung führt und beim Opfer für einige Zeit Kopf- und Gliederschmerzen und Erinnerungslücken hinterlässt. Mit gesundheitlichen Folgeschäden ist angeblich nicht zu rechnen“, erläuterte Silverman und klang dabei so dienstbeflissen wie der pflichtbewusste Polizist, der er vor seiner Zeit als Privatdetektiv und als Ermittler bei I.I. früher einmal gewesen war.

      „Sehr gut! Ich würde nämlich auf Rache sinnen, wenn unserer Lydia etwas noch Schlimmeres geschehen wäre!“, rief Leo sofort aus und hatte dabei etwas von einem guten, väterlichen Patron an sich, der beherzt für einen seiner liebsten Schützlinge eintrat.

      „Es handelt sich eben um ein Berufsrisiko, das man tragen muss und das durch ein großzügiges Gehalt angemessen ausgeglichen wird, Mr. Abrahams“, entgegnete Lydia Abramovitch darauf so trocken und ungerührt, wie man es von ihr gewohnt war. Sie war in Wahrheit nur froh, dass sie von den beiden Männern, die in ihrer Wohnung auf sie gewartet hatten, nur festgehalten und betäubt und nicht etwa noch vergewaltigt worden war. Dann spannte sie endlich den Bogen direkt zu dem Thema, das sie alle zur Zeit am meisten interessierte und weswegen sie an diesem Mittag zusammengekommen waren - die Übergabe eines riesigen Pakets von NSA-Dateien, die ein großer Unbekannter von Langley aus gehackt hatte.

      „Wie Sie wissen, habe ich die Untersuchung der Dateien organisiert, die uns der Mann, der höchstwahrscheinlich Dr. David Dembski heißt, vor etwa drei Wochen zur Probe zugesendet hat. Daran, dass sie echt sind, können inzwischen so gut wie keine Zweifel mehr bestehen, da es sich um einen Auszug aus einem geheimen digitalen Dossier über Mr. Abrahams handelt, dessen Inhalt auf uns zu 100 Prozent authentisch wirkt. Aber selbst wenn das Dossier nur als ein Lockmittel von der CIA fingiert worden wäre, um uns später eines illegalen Geheimnisverrats zu überführen und erpressbar zu machen, müssten wir uns natürlich sofort die Frage stellen: Warum und wozu?

      Ich möchte nämlich in diesem Zusammenhang an einen bestimmten Deal erinnern, in den vielleicht nicht alle hier eingeweiht sind. Daher muss ich zunächst Mr. Abrahams fragen, ob ich in dieser Richtung überhaupt weiterreden darf...“

      „Nun ja, Mr. O’Brian weiß wie immer Bescheid und Mr. Silverman wird hiermit zu absolutem Stillschweigen verdonnert. Es wäre mir allerdings sehr recht, wenn Sie sich die Details ersparen und an der Oberfläche bleiben, Miss Abramovitch“, bat Leo mit einem verschmitzten und etwas verschämten Lächeln, so als würde er sich einer unlauteren Geheimniskrämerei schuldig machen.

      „Gut, dann werde ich eben von nicht mehr als einem Deal mit bestimmten Kreisen in der Intelligence Community sprechen. Es ist ein Deal, durch den I.I. so sicher wie nie zuvor während der letzten 20 Jahre ist, weshalb seit etwa zwei Monaten ein offensiver Angriff seitens der Geheimdienste absolut unwahrscheinlich geworden ist.

      Wie Ihnen längst bekannt ist, hat die Untersuchung der Dateien ergeben, dass sie durch so genannte elektronische DNA – auch EDNA genannt – markiert worden sind, weshalb sie von uns nicht ohne eine gründliche vorherige Säuberung weitergegeben werden sollten. Es bleibt übrigens unklar, ob der große Unbekannte, der Dr. Dembski mit den Dateien versorgt hat, etwas davon gewusst hat. Unser Mr. Krueger glaubt, dass der Hacker, der hinter Dembski steht, ein junges Genie sein muss. Vor Dembskis Ankunft wurde in dem System unserer Sicherheitsabteilung eine Nachricht hinterlegt, die nach Kruegers Ansicht die Handschrift eines Cyber-Rebellen trägt, wie er für die junge Generation typisch ist. Dies könnte die Vermutung zulassen, es mit jemandem zu tun zu haben, dem trotz seiner Fähigkeiten aufgrund seines jungen Alters eine ausreichende Erfahrung mit den aktuellen Arbeitsweisen der Geheimdienste noch fehlt.

      Vielleicht sollten wir Dembski und seinen Partner vor der EDNA warnen; wer weiß, was sie mit diesen Dateien alles anstellen und ob ihnen Langley nicht schon längst auf den Fersen ist.“

      Abramovitchs Erläuterungen führten zu einem Moment des allgemeinen Schweigens und Nachdenkens, bis Silverman, der in der warmen Septembersonne ziemlich zu schwitzen begonnen hatte und sich mit einem Stofftaschentuch nervös seine breite Stirn abtupfte, fragte:

      „Ich höre den Begriff EDNA zum ersten Mal und weiß nicht, was man sich darunter genau vorstellen soll. Könnten Sie es mir erklären, Miss Abramovitch?“

      „Wahrscheinlich könnte uns das der genannte Mr. Krueger am besten darlegen. Er ist der Top-Informatiker in unserem Labor und wird auch damit beauftragt werden, die Dateien umzuschreiben, sobald wir sie von Dembski erhalten haben. Soweit ich ihn verstanden habe, haben die Geheimdienste ein spezielles Netzwerk aufgebaut, in dem der Weg bestimmter markierter Datenpakete und ihr Speicherort sehr viel exakter als über das öffentliche Internet festgestellt werden kann. Es ist sozusagen eine geheime Datenspur, die sich nicht mehr verwischen lässt und beispielsweise bei der Beschlagnahmung von Computern helfen kann, wenn sie mit irregulären Datenströmen zu tun haben. Ich kann hier heute leider nur diese oberflächliche Erklärung abgeben, aber sie genügt für das, was wir wissen müssen.“

      Obwohl Abramovitchs Erläuterung laienhaft war, schien sie Leo Abrahams zufrieden zu stellen, da er sich darauf – wie so oft – mit besonderer Freundlichkeit an seine bevorzugte Angestellte wandte:

      „Ihren Vorschlag Dr. Dembski und seinen Partner vor der EDNA zu warnen, nehme ich hiermit bereitwillig an, Lydia. Allerdings sollte dies nicht geschehen, bevor wir die Dateien entgegengenommen haben, damit er nicht etwa plötzlich Furcht bekommt und einen Rückzieher macht. Der Mann scheint mir so oder so verloren zu sein, da ihm die CIA früher oder später sicher auf die Spur kommen wird. Es würde für ihn keinen Unterschied mehr machen, ob er uns die betreffenden Festplatten gibt oder nicht und so sollten wir nicht