Benedict Dana

Der letzte Weg des Dr. Dembski


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beschäftigte Leo sich intensiv mit seinem Essen, da er etwas Zeit gewinnen wollte, um seinen Freund und wichtigsten Manager auf eine sehr schwerwiegende Neuigkeit vorzubereiten. Dabei wusste er selbst noch nicht, dass es eine Neuigkeit war, die schon sehr bald in engem Zusammenhang mit den Vorgängen um Dembski stehen würde. Nach einer Weile enthüllte er dann endlich:

      „Es gibt da einen Deal, über den ich nur spreche, weil deine spezielle Erfahrung benötigt wird. Vielleicht wirst du es nur schwer glauben, aber ich habe mich im Sommer persönlich mit Marc Rutherford, dem Direktor der Intelligence Community, in New York getroffen und etwas vereinbart, was uns bei unseren Verhandlungen sehr zugute kommt.“

      „Rutherford!?“, wiederholte Tosh voller Unglauben mit scharfer Stimme. „Bist du verrückt? Manche sagen, dass seine Macht in Vielem nicht unter der des Präsidenten steht!“

      „Vielleicht sogar noch darüber! Dementsprechend artig habe ich mich benommen. Mit ein wenig Geschick werden so aus Feinden plötzlich Freunde gemacht. Verurteile mich nicht, wenn ich dir beichten muss, wie sehr dieser Deal erheblich mehr als bloß unlauterer Wettbewerb ist....“, deutete Leo mit ernster Miene den gefährlich schmalen Grat zwischen der Wahrung ethischer Grundsätze und der reinen Verfolgung von Firmeninteressen an, den er durch die geheime Absprache betreten hatte.

      „Du solltest vorsichtig sein, denn sobald du solche Spiele anfängst, kann sich das Blatt irgendwann auch gegen dich wenden! Welches Interesse besteht seitens der betreffenden Kreise in der Intelligence Community?“

      Tosh, der von Haus aus Ingenieur und im weitesten Sinne Techniker war, hatte seine Laufbahn einst selber bei einem der Geheimdienste begonnen, weshalb er aus verschiedenen Gründen – Gründen, die Laien nicht nachvollziehen konnten - bestürzt über Leos Enthüllung war.

      „Ich hoffe, es wird sich nur um national-strategische Interessen der harmloseren Art handeln, die im besten Fall vom Kongress und Weißen Haus unterstützt werden. Für die Politik ist es einfacher einem privaten Unternehmen die Arbeit zu überlassen, als offen eine staatliche Intervention durchzuführen oder die Chinesen mit noch brutaleren Methoden vom Markt zu drängen. Wahrscheinlich glauben ein paar Leute im Pentagon, man könnte uns im Kriegsfall Gift ins Trinkwasser schütten oder wir würden durch die Besitztümer fremder Mächte auf unserem Boden Schritt für Schritt die Kontrolle über unsere eigene Infrastruktur verlieren.

      Der Deal ist übrigens ganz simpel, ich verrate ihn dir: Es wird keine weiteren Anfeindungen gegen Independent Internet geben, wenn wir nach und nach die restlichen Teile unseres Internetgeschäftes freiwillig an LOGO übergeben und dafür in Projekte gehen, die von einigen eingeweihten Köpfen der Intelligence Community für uns bestimmt und protektioniert werden“, führte Leo in einer für Toshs Geschmack viel zu leichten, ja geradezu leichtfertigen Art aus, was in seinen Augen bewies, dass er die wahren Dimensionen und möglichen Folgen dieses Deals bei weitem noch nicht ausreichend durchdacht hatte.

      „All das könnte man auch verbotene Staatswirtschaft oder Manipulation des freien Marktes nennen, Leo! Ich frage mich, warum du dich darauf einlässt und warum du plötzlich dein Grundprinzip von Unabhängigkeit und Freiheit aufgibst! Was denkst du, hätte dein Vater darüber gesagt?“

      „Mein Vater und mein Großvater haben niemals das Geschäft in dieser Größe, mit solchen großen Chancen und Risiken gesehen! Ich habe mich entschlossen, I.I. lieber an die Leine zu legen, als den schleichenden Untergang weiter mit anzusehen! Es ist immer noch besser, unter eingeschränkten Bedingungen weiterhin einen respektablen Einfluss auf den amerikanischen Markt zu haben, als ihn sich durch seine eigenen Prinzipien ganz zu zerstören.

      Das Blatt wird sich bestimmt eines Tages wieder wenden und vielleicht wird Theodore einmal eine neue, blühende Zeit erleben, in der I.I. wieder zu seiner alten Größe und seinen goldensten Prinzipien zurückfindet!“

      Es so sah aus, als würde Leo wirklich glauben, was er da sagte; vielleicht war es aber auch nur eine Hoffnung, an die er sich klammerte, um für sein Lebenswerk eine neue, zukünftige Größe herbeizusehnen. Tosh musste nun an alles, was ihm je über LOGO zu Ohren gekommen war, auf einmal denken und wusste gar nicht, wo er mit seinen Einwänden beginnen sollte, damit I.I. nicht schon bald den ersten Schritt in die Richtung desselben Schicksals tat.

      „Du weißt, wie sehr LOGO durch den Einfluss der Geheimdienste quasi unter halbstaatlicher Kontrolle steht; wie lange kann es da dauern, bis das Gleiche für uns selber gilt? Du wirst immer weniger Spielraum für eigene Entscheidungen bekommen und Theodore wird irgendwann nur noch eine hohle Puppe, ein Schauspieler auf dem Chefsessel sein, der der Öffentlichkeit das Märchen freier Märkte vorspielt. Ich kann nicht verstehen, wie du...“

      Tosh wurde unterbrochen, da Li Lin an den Tisch trat und sie über Lydia Abramovitchs und Walter Silvermans Anfkunft unterrichtete. Leo ließ die beiden wichtigen Mitarbeiter sofort durch die Hausdame herbei bitten und wies sie an, Getränke und etwas zu Essen für sie anzurichten.

      Die echte Lydia Abramovitch, die die besonders heiklen Aufgaben in der Sicherheitsabteilung von I.I. übernahm, reichte nicht ganz an die strahlende Attraktivität ihrer rätselhaften Doppelgängerin „Agneschka“ heran, aber konnte sich mit ihren halblangen, schwarzen Haaren im Pagen-Schnitt und ihrem intelligenten und hübschen Gesicht absolut sehen lassen und hätte auf Dembski sicherlich eine ebenso betörende Wirkung gehabt. Walter Silverman, der mit seinem enormen Bauch und der ausgeprägten Halbglatze etwas Gemütliches und Gutmütiges, aber auch etwas Ungehobeltes und Verschlagenes an sich hatte, hatte sich für den Besuch bei dem großen Abrahams, den nicht viele Mitarbeiter persönlich zu Gesicht bekamen, extra sein bestes Jackett angezogen. Das schicke Kleidungsstück verfehlte jedoch seine beabsichtigte Wirkung, da es nicht vollständig über seinen Bauch reichte und eine unfreiwillige Komik ausstrahlte.

      „Miss Abramovitch, wenn ich Sie nicht hätte, Sie sind die Allerbeste! Vor was für einem Unheil haben Sie uns schon oft bewahrt!“, rief Leo bei der Ankunft der Beiden aus und stand sogar auf, um der hübschen Sicherheitsfrau den Stuhl zurechtzurücken, was er sonst niemals tat. Er hätte mindestens 20 bis 30 Jahre jünger sein müssen, um eine echte männliche Schwäche für sie zu entwickeln, und so behandelte er sie nur mit einer besonderen, altväterlichen Höflichkeit, da sie einmal in der Vereitelung eines Anschlages auf sein Leben eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Silverman bekam hingegen nur ein kurzes, freundliches Wort und wurde angewiesen Platz zu nehmen.

      „Wie geht es Ihnen, Miss Abramovitch? Haben Sie sich von dem Vorfall inzwischen etwas erholt? Konnten Ihre Kollegen bereits irgendetwas herausfinden?“, erkundigte sich Leo mit aufrichtiger Anteilnahme, da ihm die attraktive und äußerst fähige Abramovitch schon immer sehr am Herzen gelegen hatte.

      „Bis auf die Kopfschmerzen, die ich wahrscheinlich mit diesem Mr. Burke - oder Dembski - gemeinsam habe, geht es mir gut. Allerdings war es mir natürlich noch nicht möglich, irgendetwas über die Sache herauszufinden. Sie müssen sich also zunächst an unseren Mr. Silverman wenden, weshalb er ja mit mir hergekommen ist. Er hat meiner Meinung nach erstaunlich gute und schnelle Arbeit geleistet“, erwiderte Abramovitch, die sonst extrem selbstbewusst auftrat und der man nachsagte, dass sie lesbisch war, sehr viel zurückhaltender und gedämpfter als üblich. Wie sehr ihr die Sache noch immer in den Gliedern saß, hätte sie wegen ihres ausgeprägten Egos niemals offen zugegeben.

      „So, hat er das… Na, dann geben Sie mir mal eine kurze Zusammenfassung, Mr. Silverman!“, wandte sich Leo daraufhin sofort an den dicken Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung.

      „Nun, ein guter Informant hat uns etwas zugesteckt, was die wahrscheinlichen Urheber der Aktion bereits heute in unser Blickfeld rücken lässt“, begann Silverman beeinflusst von der Kulisse des noblen Landsitzes mit einer seltsam aufgesetzten, geheimnisvoll klingenden Vornehmheit vor seinem obersten Chef zu sprechen, so als wäre er ein Meisterdetektiv wie Hercules Poirot oder Sherlock Holmes, der in dem kurzen Zeitraum der Untersuchung bereits überdurchschnittlich viel herausgefunden hatte.

      „Der High Times Club, in dem dieser Dembski laut eigener Aussage mit Miss Abramovitchs Doppelgängerin gewesen ist, scheint eine wichtige Drehscheibe für verschiedenste Geheimdienstaktivitäten zu sein und führt direkt auf allerhöchstem Niveau