Benedict Dana

Der letzte Weg des Dr. Dembski


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den ich Ihnen anbieten kann.“

      Da er bereits vor drei Wochen eine Datenprobe zu Independent Internet geschickt hatte, schien es ihm ziemlich kleinlich zu sein, eine weitere Untersuchung durchzuführen. Er war deshalb fest entschlossen, zuerst noch einmal mit „Emerson“ zu sprechen.

      Als er entgegnete, „ach, wissen Sie, Lydia, ich würde lieber noch einmal in Ruhe über alles nachdenken. Ich finde das Maison Rouge sehr gemütlich und könnte wochenlang dort bleiben“, ereignete sich in kaum 50 Yards Entfernung etwas, das mit ihrem Gespräch in direktem Zusammenhang stand, von ihnen aber nicht bemerkt werden konnte:

      Der Besitzer des High Times Clubs, der halbseidene Clyde Taylor, erhielt einen Anruf von einem gewissen Walter Silverman, den er nur mit seinem einschlägigen Spitznamen „Silverboy“ ansprach. Taylor wurde in seinem Büro von einer großspurig wirkenden Einrichtung aus schweren Teakmöbeln umgeben und saß an einem wuchtigen Schreibtisch mit mehreren Bildschirmen, die wechselnde Ansichten der Clubräume zeigten. Als sich Silverman meldete, war Taylor über den Anruf des Ermittlers, der in der Sicherheitsabteilung von Independent Internet angestellt war, nicht begeistert. Der dicke, unsympathische Kerl hatte ihn schon immer abgestoßen, auch wenn er an ihm regelmäßig den einen oder anderen schnellen Dollar verdienen konnte.

      „Was liegt an, Silverboy?“, fragte er in dem kalten und harten Ton, den er sich in seinem halb kriminellen Geschäftsmilieu angewöhnt hatte.

      „Bei Ihnen müsste im Moment Agneschka sitzen. Ich nehme an, Sie wissen, wie sie aussieht“, entgegnete Silverman scheinbar beiläufig, womit er von Anfang an aus Gründen einer geschickten Preispolitik signalisieren wollte, kein übertrieben großes Interesse an dem kleinen Auftrag zu haben, der sich durch seinen Anruf ergab.

      „Das Aussehen einer solchen Frau vergisst man nicht.“

      Taylor begann sich bei dieser Feststellung bereits durch eine Reihe von Kameras zu schalten, die überall in den Clubräumen unsichtbar installiert waren. Währenddessen fuhr „Silverboy“ fort:

      „Sie müsste mit einem Mann zusammensitzen, der etwa Mitte 60 ist – mehr weiß ich über ihn nicht.“

      Es war eine glatte Lüge, denn er hatte bereits mehrere Aufnahmen von Dembski, die von einem seiner Mitarbeiter in der Nähe des „Maison Rouge“ aufgenommen worden waren. Außerdem hatte man ihn beobachtet, als er etwas aus seinem geparkten Wagen geholt hatte, weswegen man sich bei Independent Internet mit Hilfe des Kennzeichens über seine Identität inzwischen fast sicher war. All dies war jedoch Teil seiner offiziellen Aufgabe gewesen, während es nun um etwas Anderes ging.

      Taylor hatte sich inzwischen durch die verschiedenen Kamerapositionen gescrollt und Lydia Abramovitch – alias Patricia Stratford alias Agneschka – tatsächlich bald gefunden, da es um diese Zeit in dem Club noch nicht sehr betriebsam war – es war erst etwa 17 Uhr. Er zoomte Lydia und David mit einer kleinen, beweglichen Kamera heran, die unter der Deckenverkleidung verborgen war, und meinte:

      „Falls ich Aufnahmen von dem Mann machen soll, müsste ich mich beeilen, da er offenbar gehen will. Es ist ein untersetzter Kerl mit grauem Bart und Haaren und zieht sich gerade sein Sakko an. Hat in der Art etwas von einem Professor an sich…“, kommentierte er gelangweilt und war längst dabei, Davids Aufbruch aus verschiedenen Blickwinkeln aufzunehmen.

      Während Taylor weiter das kleine Schaltbrett für die Steuerung der Kameras bediente, das für ihn seit Jahren viele tausend Dollar an zusätzlichen Einnahmen generierte, war David tatsächlich dabei sich von Lydia zu verabschieden, auch wenn die ehrgeizige Privatagentin dies um keinen Preis zulassen wollte. Sie war daran gewöhnt ihre Aufträge erfolgreich zu Ende zu führen und hatte sich fest vorgenommen, die „Geschenke aus Langley“ noch an diesem Tag entgegenzunehmen oder zumindest Proben davon einer genaueren Analyse zu unterziehen. Sie hatte nicht mit Davids jüdischem Dickkopf gerechnet, der sich unbedingt Leo Abrahams’ persönlicher Protektion versichern wollte. Nachdem er ihr Angebot, mit ihr in der Limousine zurück nach Brooklyn zu fahren, mehrmals abgelehnt hatte, wusste sie nicht mehr, womit sie ihn noch zurückhalten konnte.

      Als er sich von ihr mit den Worten verabschiedete, „Sie sind eine sehr bemerkenswerte Frau, Lydia, und ich hoffe, dass wir uns noch einmal unter anderen Umständen wieder sehen“, stand er mitten im Visier von Taylors Kamera und wurde in einer Reihe Großaufnahmen direkt in einen Datenordner gesteckt, der wenige Minuten später den Weg durch das Internet zu einer von „Silverboys“ ständig wechselnden Emailadressen nahm.

      Taylor beobachtete, wie David alleine in Richtung des Ausgangs ging und informierte Silverman darüber am Telefon:

      „Dein Mann geht fort, Silverboy. Kaum zu glauben, dass er eine solche Frau einfach sitzen lässt. Vielleicht werde ich gleich selbst einmal zu ihr hinübergehen und sie zu einem Drink einladen. Ich kriege dieses Mal 1000 Dollar für das ganze Bilderpaket.“

      „1000 Dollar!? Ich werde mir gut überlegen, überhaupt noch einmal anzurufen. Das letzte Mal habe ich für etwas Vergleichbares 500 bezahlt!“, beschwerte sich Silverman fassungslos.

      „Da hatte ich nur eine Person auf dem Bild. Ich möchte die Aufnahmen nicht erst noch bearbeiten und Agneschka herausschneiden“, erklärte Taylor ungerührt. Ihm fiel immer irgendein Grund für einen höheren Preis ein, da er für alles, was im „High Times“ vor sich ging, das uneingeschränkte Monopol besaß. Außerdem hatte er ein untrügliches Gespür dafür, wie groß das Interesse seines „Klienten“ wirklich war, was in diesem Fall den Tarif um 100 Prozent in die Höhe schnellen ließ.

      Die sichere Intuition, mit der der erfahrene Taylor den Preis taxierte, erschrak Silverman, da er nicht nur Interesse an einer Aufnahme des Whistleblowers aus Washington, sondern auch an einer Agneschkas hatte, wie sie mit diesem beim Gespräch zusammen saß – wovon jedoch Taylor aus bestimmten Gründen nichts wissen sollte.

      „Ich brauche die Bilder nicht unbedingt. Was würde mich nur das Telefongespräch kosten, wenn ich auf sie verzichte?“, versuchte er so zu tun, als ob die Aufnahmen nicht wirklich wichtig wären.

      Taylor lachte auf und für einen Moment floss eine tiefe Bosheit mit in sein Lachen ein.

      „Nur der Anruf kostet ebenfalls 1000 Dollar. Ich würde empfehlen, für den Preis die Bilder gratis dazu zu nehmen. Schließlich soll mir niemand Geiz und mangelnde Kooperation nachsagen. Bezahlung wie üblich, das Paket ist in wenigen Minuten unterwegs.

      Übrigens solltest du auf deine Kollegin Abramovitch gut achten, da sie, wie ich höre, ziemlich gerissen ist. Wenn sie darauf kommt, wie gut du im Geschäft bist, sind deine Tage bei Independent Internet gezählt.“

      Silverboy ließ daraufhin nur ein kurzes, unwilliges Grunzen hören und verabschiedete sich mit falscher Höflichkeit von dem gefährlichen und mächtigen Taylor. Er hatte von vornherein mit einem übertrieben hohen Preis gerechnet und rief den geldgierigen Clubbesitzer nur noch an, wenn der Nutzen das Risiko und die hohen Kosten klar überstieg.

      -

      Hätte David Gelegenheit gehabt, sich über den „High Times Club“ zu informieren, wäre ihm klar gewesen, wie sehr er sich dort in der Höhle des Löwen befunden hatte, und er hätte sich nicht mehr so sehr darüber gewundert, was in der folgenden Nacht in seinem Hotel geschah.

      Dieses Wundern setzte erst Stunden nach seinem ersten Erwachen am frühen Morgen ein, da ihm zunächst jede Orientierung fehlte. Sein Erinnerungsvermögen war vollkommen ausgeschaltet, wodurch er in einem inneren Vakuum gefangen war und ihm seine Umwelt absolut fremd erschien.

      Er lag schwer wie ein Felsstein auf seiner Matratze und konnte sich nicht einen Millimeter bewegen. Seine Glieder taten weh und er fühlte sich, als hätte er eine schwere Grippe, die ihn auf lange Zeit am Bett fest hielt. Er dämmerte längere Zeit halb bewusstlos vor sich hin und als er zwei Stunden später wieder die Augen aufschlug, fiel ihm noch immer nicht ein, was mit ihm geschehen war und warum er sich in diesem Hotelzimmer befand. Als er mit größter Mühe seinen Oberkörper aufrichtete, um sich fassungslos das Durcheinander in dem Zimmer anzusehen, zersprang ihm fast der Schädel vor Schmerz. Er konnte den Anblick zuerst gar nicht