I. Tame

Bestiarium


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      „Fick dich doch selber!“, brüllt Keno ihm hinterher. Bang! Das ist wohl das Desinfektionsmittel, welches da von innen gegen die Türe knallt. „Mika und ich! Mika und ich!“, keift er geifernd hinterher.

      „Und glaub bloß nicht, dass Mika die Sauerei wegwischt!“, ruft John ungerührt vom Flur aus. „Dein Zimmer! Das machst du gefälligst selber sauber!“

      „Du blöder Wichser!“, schreit Keno, nur um hinterher laut aufzuheulen. „Aauu, verdammt!!“

      „Mimimimimi“, äfft John Kenos Gemeinheit von vorhin nach und grinst immer noch, als er die Küche betritt.

      „Hast du mit ihm geredet?“, fragt Mika mit besorgtem Gesicht.

      „Klar, Süßer!“, beruhigt John ihn. „Dem geht’s schon bald wieder besser.“

      „Er hat ganz schön gebrüllt!“, wendet Mika misstrauisch ein.

      John fährt ihm zärtlich durch den strubbligen Haarschopf.

      „Du kennst ihn doch. Man muss ihn immer erst mal ein wenig schreien lassen.“

      Sie lächeln sich an. Wenigstens fühlt sich Johns Kopf schon viel besser an.

      „Komm, ich lad‘ dich zu einer Pizza ein!“, fordert er Mika auf. „Ich brauch‘ dringend was Fettiges.“

      Mika lacht laut auf. „Es ist erst 11:00 Uhr.“

      John schlendert bereits Richtung Haustüre. „Wir finden schon was“, erwidert er fröhlich.

      *

      Keno starrt auf die Sauerei, die er veranstaltet hat. Glänzend sickert immer noch ein kleines Rinnsal vom Desinfektionszeug am Türblatt herunter, während die am Boden liegende Flasche ihn hämisch an seinen Jähzorn erinnert.

      Da ist keine Wut mehr in seinem Blick … nur noch Verzweiflung und Trauer. Sie sind tatsächlich einfach abgehauen. Kein Wunder! Wenn man sich so beschissen benimmt wie ich. Keno stöhnt auf, als er seinen Fuß bewegt. Sie waren bei Jackson zu Hause gewesen. Der bewohnt mit seinem heißgeliebten Luca eine stattliche Villa am Rande von Loewenherz. Die Hälfte einer alten Scheune hat er sich zum Motorrad-Paradies umgebaut. Dort stehen seine zweirädrigen Schätzchen trocken und geschützt. Egal bei welchem Wetter: hier kann man nach Herzenslust herumschrauben. Und das hatten sie auch vor. Deshalb waren direkt zu Beginn ihres Treffens Kenos schwere Motorradstiefel in irgendeine Ecke geflogen und bequemen Sportschuhen gewichen.

      Nach einer Stunde begann Jackson von seinen krassen Ausflügen in die nahegelegene Kiesgrube zu erzählen. Wie geil das ist, dort mit einer Motocross-Maschine durchzujagen. Sie hatten sich gegenseitig durch ihr Gerede hochgeputscht, bis Jackson ihm schließlich seine leichte Cross-Maschine vorgeführt hatte. Auch Keno drehte erst einmal eine Runde durch den parkähnlichen Garten. Wow, war das Teil wendig! Natürlich kein Vergleich zu seinem neuen Motorrad, doch ideal, um gewagte Manöver in unwegsamem Gelände zu starten. Die Kiesgrube liegt ja kaum zehn Minuten entfernt. Jacks hatte doch tatsächlich noch ein älteres Duplikat seines leichten Cross-Bikes in einer Ecke des Schuppens stehen. Das Teil zu checken und einen Schluck Sprit einzufüllen war in Minutenschnelle erledigt. Tja, und spätestens ab diesem Moment war von Motorrad-Stiefeln keine Rede mehr.

      Keno zieht laut die Luft durch die Zähne. Wie leichtsinnig, wie unglaublich doof muss man als Biker sein, um dermaßen gedankenlos mit seiner Gesundheit umzugehen, faucht er sich selbst in Gedanken an. Sein Knöchel sieht aus wie gescherbeltes Gyros. Er weiß, dass es schlimmer aussieht als es tatsächlich ist, doch jetzt – verdammt nochmal – darf er sich auch noch selber verbinden. Und das ist gar nicht so einfach. Grübelnd runzelt er die Stirn. Wie soll ich denn die enge Lederhose über den Knöchel ziehen? Er beugt sich vor und greift nach unten, um die Dehnbarkeit des Leders zu testen. Verdammt eng.

      Keno steht auf und humpelt zu einem kleinen Schubladenschrank in der Ecke seines Zimmers. Aus diesem klaubt er ein Haargummi heraus, um sich erst mal die Haare zurückzubinden. So fallen sie ihm nicht ständig ins Gesicht, wenn er sich bückt.

      Ungeduldig will er die Sache schnell über die Bühne bringen. Ruppig zerrt er die Hose über das rechte Bein. Während das Leder über den lädierten Knöchel scherbelt, gibt er Geräusche von sich, die einem Hund ähneln, der sich in ein Stück Stoff verbissen hat und daran zerrt. Schwer atmend setzt er hinterher den blutigen Fuß auf dem Handtuch ab. Gott sei Dank, das hat er schon mal hinter sich. Die Verbandskiste steht immer noch vor seinem Bett. Mit zusammengebissenen Zähnen schneidet er vorsichtig die aufgeschrammten Hautfetzen weg. Salbe drauf, Verband drum – nicht schön, dafür zweckmäßig.

      Eine Dusche kommt jetzt wohl nicht in Frage. Ach, auch egal! Stöhnend lässt er sich auf sein Bett sinken. Der Knöchel pocht wie verrückt. Welcher Teufel ihn nur geritten hat, mit Jackson durch diese Kiesgrube zu jagen? Keno starrt Löcher in die Luft. Es scheint der gleiche Teufel zu sein, der ihn nachts mit zweihundertfünfzig Sachen über die Autobahn fegen lässt.

      „Das ist nicht fair“, murmelt er mit belegter Stimme. Seine Augen werden feucht. Ich schaff‘ es einfach nicht, mit John anständig zu reden … und mit Mika schon gar nicht. Dabei sollte ich doch gerade das in der Therapie gelernt haben. Und ich weiß doch wohl am besten was passiert, wenn man nicht miteinander redet. Warum schaffe ich das nicht?

      Vor seinem geistigen Auge erscheinen diverse Szenen. Und immer bildet deren Mittelpunkt: Mika und John, John und Mika. Wie sie gemeinsam lachen, sich küssen oder in den Arm nehmen; wie sie sich beim Sex verlieren. Mika und John … die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben. Er liebt sie so sehr. Keno reibt seine Augen an den Schultern trocken.

       Wenn ich ihnen sage, was mich so verrückt macht, zerstöre ich alles. Und das will ich auf keinen Fall. Ich muss mich wirklich zusammen reißen. Obwohl ich nicht weiß, wie lange ich das noch aushalte.

      Kapitel 3

      Zärtlich … ganz sanft wird Keno zwei Stunden später wachgeküsst. Selbst mit geschlossenen Augen weiß er sofort, dass es sich um Mika handelt, der sich rittlings auf ihn setzt. Immer wieder liebkosen ihn weiche Lippen. Küsse werden auf seine Wangenknochen und die Augenlider gehaucht. Eine freche Zungenspitze tupft kitzelnd Kenos Lippen.

      „Mhmm, Knoblauch. Wie lecker!“ ärgert er Mika grinsend.

      „Hmhmm“, lacht sein Süßer brummend, während seine Hände über Kenos Arme und den Brustkorb streichen. „Hast du etwa Hunger?“

      „Ich sterbe vor Hunger!“

      „Na, dein Glück, dass wir dir eine doppelte Portion Nudelauflauf mitgebracht haben!“, schnurrt Mika und schiebt Kenos Shirt hoch, um die harten Brustwarzen zu verwöhnen.

      Jetzt öffnet er doch die Augen. Fast gleichzeitig hebt Mika sein Gesicht. Ihre Blicke treffen sich … so intensiv, dass es Keno erschreckt.

      „Ich liebe dich“, haucht Mika. Zärtlich fährt er seinem Geliebten mit den Fingerspitzen über die Wangenknochen. „Und wenn du dich noch so bescheuert benimmst. Ich werde dich immer lieben und ich werde jederzeit alles für dich tun!“

      „Wowow“, überspielt Keno lachend diese innige Liebeserklärung. „Vielleicht denkst du nochmal darüber nach. Du könntest dich womöglich übernehmen.“

      Übergangslos beginnt er Mika zu kitzeln. Dessen Lachen schallt daraufhin durch das ganze Haus. So ärgern sie sich gegenseitig eine Weile, bis Keno eine unbedachte Bewegung mit seinem rechten Fuß macht. Zischend zieht er die Luft durch die Zähne. Sein Gesicht verzieht sich zur Grimasse.

      „Fuck! Dieser scheiß Knöchel!“, flucht er aus vollem Herzen.

      Erschrocken springt Mika von ihm herunter. Und wie viele in so einer Situation, fragt er überflüssigerweise: „Tut’s weh?“ Mitleidig runzelt er die Stirn.

      Keno setzt sich auf und winkt ab. „Ach, kaum!“

      „Als würdest du das jemals zugeben!“, brummt