Gesa Walkhoff

Kleinstadt-Hyänen


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Runde am Tisch.

      „Und warum wurde nichts daraus?“, will Daniela wissen.

      Nepheles Miene verfinstert sich. „Irgend so eine Schlampe hat sich auf dem Abiball an ihn `rangewanzt, einen Joint mit ihm geteilt und ihn dann auf dem Damenklo im Kulturzentrum durchgevögelt. So wurde es mir jedenfalls zugetragen.“

      Julia gniggert in sich hinein. Nephele schaut sie empört an. „Du lachst darüber?“

      Nun kann Julia nicht mehr an sich halten. Sie prustet lauthals los und schlägt sich auf die Schenkel. Als sie sich ein bisschen erholt hat, beteuert sie: „Es tut mir leid, Nephele, wirklich! Aber ich erinnere mich an die Szene. Und es war wirklich zu komisch!“ Wieder bricht sie in wieherndes Gelächter aus.

      Thekla fällt mit ein. „Meine Güte, natürlich! Wie konnte ich das vergessen? Ich war ja auch dabei!“ Die beiden biegen sich über den Tisch vor Lachen. „‘Tschuldigung, Nephele, aber es war wirklich ein Bild für die Götter!“, erklärt Thekla, während sie mühsam versucht, sich zu beherrschen. Als ihr das gelingt, teilt sie ihre Erinnerungen mit den anderen. „Wir standen im Foyer vor dem Ballsaal. Eine Frau kam an uns vorbei – vermutlich eine der Mütter. Sie war leichenblass und ihre Lippen zitterten vor Empörung. Julia fragte besorgt, ob sie helfen könne. ‚Irgendwer vergisst sich auf der Damentoilette. Unmöglich sowas!‘, stammelte die Dame. Wir wussten gar nicht, was sie meint! Aber Julia und ich wurden neugierig und gingen aufs Mädchenklo. Dort hatte sich bereits eine Traube von Schülern, auch ein paar Jungs waren darunter, feixend vor einer der Kabinen versammelt, um dem, was da drinnen vor sich ging, zu lauschen. Ein besonders vorwitziger Bengel probierte die Klinke und tatsächlich: Die Tür sprang auf! Diejenigen, die da drinnen zugange waren, hatten es entweder nicht für nötig befunden oder im Eifer des Gefechts vergessen abzuschließen.“ Erneut wird sie von einer Lachsalve geschüttelt und kann nicht weitersprechen.

      Das übernimmt Julia für sie. „André stand auf dem Klo und hielt sich am Wasserkasten unter der Decke fest. Vor ihm stand eine Frau und blies ihm mit Leidenschaft ein Ständchen. Wir haben gebrüllt vor Lachen!“

      Das tun nun auch die anderen am Tisch. Sogar Nephele wird davon angesteckt. Schließlich lacht sie selbst am lautesten von allen. „Weiß eigentlich jemand, wer diese kleine Schlampe war? Ich habe ihren Namen nie erfahren“, will sie wissen, während sie sich die Lachtränen aus den Augen wischt.

      Daniela schüttelt bedauernd den Kopf. „Tut mir leid – ich war nicht dabei. Ich höre heute zum ersten Mal davon!“

      Julia und Thekla schauen sich fragend an, Letztere zuckt die Schultern. „So weit reichen meine Erinnerungen nicht. Es muss wohl jemand aus unserer Penne gewesen sein. Irgendeine, bei der es niemanden überrascht hat, dass sie sich so ungeniert gibt. Andernfalls hätten wir vermutlich im Gedächtnis behalten, wer sich dort um Andrés Wohl bemühte.“

      „Demnach kann es keine der Mütter gewesen sein, denn daran hätten wir uns erinnert!“, stimmt Julia zu. Sofort brüllen wieder alle vor Lachen.

      Als sie sich von diesem neuerlichen Heiterkeitsausbruch erholt haben, meint Miriam: „Es ist so lange her. Eigentlich ist es doch auch gar nicht mehr wichtig.“

      „Für mich schon!“, widerspricht Nephele halb im Ernst, halb im Scherz. „Schließlich haben André und ich deswegen nicht geheiratet. Niemals hätte ich mich an einen Kerl verschwendet, der mich betrügt!“, erklärt sie mit Nachdruck.

      „Oooohh“, raunen die vier anderen gespielt betroffen im Chor.

      „Miriam hat recht. Sei froh, dass dir diese Frau, wer immer sie auch war, die Augen über Andrés vielseitiges Interesse an der Damenwelt geöffnet hat, und …“ Thekla stockt. Entgeistert starrt sie die Arztgattin an. Die senkt den Blick, zieht ihre Chanel-Tasche auf ihren Schoß und beginnt darin herumzukramen. Die Augen der anderen sind auf Thekla gerichtet in der Erwartung, dass sie ihren Satz beenden wird, doch sie schweigt.

      Auf einmal werden auch Julias Augen groß wie Untertassen. Erschrocken blickt sie erst zu Miriam, dann zu Thekla. Einen Moment später hat sie sich wieder im Griff. „Gibt’s noch Prosecco?“, fragt sie beiläufig. Doch ihr Ablenkungsmanöver kommt zu spät.

      Statt Julia zu antworten, fährt Nephele wie von der Tarantel gestochen zu Miriam herum: „Du warst das?“

      Miriam kramt immer noch in ihrer Tasche. „Daran kann ich mich nun wirklich nicht erinnern“, antwortet sie ausweichend.

      Nephele glaubt ihr kein Wort. „Aber natürlich!“, platzt sie heraus. „Wer hätte es sonst sein können? Du warst doch die Jahrgangsmatratze! Du hast mit jedem `rumgemacht, der nicht bei drei auf dem Baum war! Und jeder wusste das!“

      Empört hebt Miriam den Kopf. „Ich muss doch sehr bitten!“

      Nepheles Augen verengen sich zu Schlitzen. „Gib es wenigstens zu!“, zischt sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.

      Julia schreitet ein. „Mädels, das alles ist Jahrzehnte her. Ihr werdet euch doch jetzt nicht wegen so einer Sache in die Haare kriegen?“

      „Und warum nicht?“, kontert Nephele aggressiv, ohne Miriam auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen. „Wir waren damals schließlich befreundet! Jedenfalls habe ich das geglaubt.“

      Miriam scheint indessen entschieden zu haben, dass Angriff die beste Verteidigung ist. Energisch klappt sie ihre Tasche zu und stellt sie beiseite. Hochmütig wirft sie den Kopf in den Nacken. „Du liebe Güte! Willst du deswegen jetzt tatsächlich einen solchen Aufstand machen?“, sagt sie von oben herab.

      Nepheles Augen beginnen gefährlich zu funkeln. „Bis eben hätte ich darauf verzichten können, aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher“, knurrt sie.

      „Mädels, beruhigt euch!“, ermahnt Julia sie erneut. „Nephele, du wirst in deinem eigenen Lokal doch keine Schlägerei anzetteln wollen?“

      Die Wirtin denkt über diese Worte nach, ohne jedoch ihren Blick von Miriam zu wenden. Schließlich nickt sie mit dem Kopf in Richtung der Tür. „Raus!“, zischt sie Miriam an.

      „Bist du verrückt geworden?“, empört die sich. „Julia hat vollkommen recht. Denk an den Ruf deines Lokals!“

      „Das tue ich!“, faucht Nephele. „Deshalb dulde ich hier drinnen keine Schlägerei. Draußen schon. Also Abmarsch! Oder muss ich nachhelfen?“ Blitzschnell schnellt sie von ihrem Platz in die Höhe, langt über den Tisch und packt Miriam an deren langen roten Haaren.

      „Geht’s noch?“, empört die sich.

      Ihr Protest prallt an Nephele ab. Immer noch hält sie Miriams Haar fest umklammert. Entgeistert verfolgen die drei anderen die Szene. Julia fängt sich als Erste wieder und redet beschwörend auf die Wirtin ein.

      „Nephele, Liebes, hältst du das für klug? Willst du wirklich wegen dieser alten Geschichte den Ruf deines Restaurants ruinieren? Das ist sie doch nicht wert!“

      „Ich muss doch sehr bitten!“, empört sich Miriam und funkelt Julia böse an.

      Julia schnalzt ungeduldig mit der Zunge. „Ich meine die Geschichte“, korrigiert sie sich schnell.

      „Ich denke nicht daran, sie einfach so davonkommen zu lassen!“, faucht Nephele, ohne den Griff um Miriams Haar zu lockern.

      Julia zuckt die Schultern. „Na gut“, sagt sie und wendet sich Miriam zu. „Dann bleibt dir wohl nichts anderes übrig, als dich zu entschuldigen.“

      „Ich wüsste nicht wofür!“, erwidert Miriam böse, woraufhin Nephele kräftig an ihren Haaren zieht.

      „Au!“, kreischt Miriam auf.

      Thekla lehnt sich entspannt zurück und verschränkt ihre Arme vor der Brust. „Also, ich habe nichts gegen einen handfesten Skandal, wenn’s gut fürs Geschäft ist. In L.A. hat es so manchem abgehalfterten Star geholfen, wieder ins Gespräch zu kommen. Ob das allerdings auch für eine Restaurant-Besitzerin und eine Gifhorner Arztgattin die