Elin Bedelis

Pyria


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Plattform, die zu einer weiteren Höhle führen mochte, denn ein Durchgang schien sich dort zu befinden. Man konnte beobachten, wie die Harethi schluckte, und ein leichtes Zittern ergriff das Mädchen, bevor sie dem Schatten den Abstieg hinabfolgte. Die Kehle der Prinzessin war trocken, doch sie trat den Weg dennoch an. Immerhin passte ein Tor zur Unterwelt hier besser hin als in die Vollkommenheit der Welt außerhalb des Vulkans.

      Im Endeffekt musste Koryphelia einsehen, dass der Weg nicht halb so gefährlich war, wie er ausgesehen hatte. Man musste sich nur nah genug an der warmen Wand halten und seine Schritte vorsichtig setzen. Wenn man musste, konnte man vielleicht sogar auf einem Pferd hinabreiten. Es war recht warm im Inneren des Vulkans. Als Mädchen aus Cecilia war es ihr, schon seit sie den ersten Fuß nach Hareth gesetzt hatte, dauerhaft zu heiß. So fiel ihr der Hitzeunterschied kaum mehr auf. Unangenehm war es dennoch und sie begann, unter den langen schwarzen Kleidern zu schwitzen. Am liebsten hätte sie eine Pause gemacht und dann schlug ihr das Adrenalin in den Magen.

      Sie waren nur noch wenige Meter vom Ende des Weges entfernt und die Mädchen hatten erfolgreich zu Machairi aufgeschlossen. Jetzt plötzlich spürte sie Dunkelheit und einen weiteren Schritt später konnte sie den gemeißelten Bogen sehen, der in den Stein um den Eingang der Höhle geschlagen war, auf die sie nun zuhielten. Der Torbogen wölbte sich in feiner Meißelarbeit aus dem Stein über den Eingang und Schriftzeichen waren hineingraviert. Sie waren Koryphelia nicht fremd, aber die Könige von Cecilia hatten irgendwann in den letzten hundert Jahren aufgehört, über sie zu lernen, und so hatte die Prinzessin nicht das nötige Wissen, um die Worte im Zusammenhang zu entziffern, die dort in den Stein gebannt standen.

      Mit einem unruhigen Gefühl im Magen stand sie direkt vor jenem Torbogen und blickte in die gähnende Leere, die sich dahinter erstreckte. Dunkelheit schlug ihnen entgegen und plötzlich schienen die Geräusche der Höhle um sie herum mehr wie ein weit entferntes Echo. Aus dem Augenwinkel sah sie wie Rish strauchelte, Halt suchte und mit einer unsanften Geste von Machairi davon abgehalten wurde, sich am Tor abzufangen. »Kontrolle, Rish«, knurrte er leise und die Melodik der klaren Stimme wackelte. Mit Abfälligkeit betrachtete der Messerdämon das Tor und ein Ausdruck von Hass zierte seine Züge. Eine solch starke Emotion hatte die Prinzessin noch nie bei ihm gesehen und sie war so furchteinflößend, dass sie beinahe einige Schritte zurückgewichen und in den Abgrund gestürzt wäre.

      Mühsam und äußerst wackelig stand Rish, als der Schatten ihren Oberarm wieder losließ, an dem er sie aufgehalten hatte, und man musste sich Sorgen machen, dass sie vielleicht über die Kante stolpern könnte. Koryphelia straffte sich und versuchte, die Angst fortzudrücken, die ihr Herz in kalten Klauen umklammert hielt. »Du bist absolut sicher, dass es keine Alternative gibt, als hier hindurchzugehen?«, erkundigte sie sich ein letztes Mal und musterte Machairi so forschend sie konnte. Sah sie da etwa ein Zögern?

      Panik ergriff sie und beinahe wäre sie fortgelaufen. Wenn nicht einmal er sich sicher war, dass er die Situation im Griff hatte, konnte sie nicht aus… Bevor sie den Gedanken beenden konnte, schloss sich ein weißer Handschuh fest um ihr Handgelenk und sie wurde durch das Tor gezerrt. Mit der anderen Hand zog er Rish in gleicher Manier hinter sich her und Koryphelia konnte nur empört aufquietschen, bevor Dunkelheit sie umgab.

      Es war, als hätte sich plötzlich Druck auf ihre Ohren gelegt. Es gab kein Geräusch, nicht einmal ihren eigenen panischen Aufschrei konnte sie hören, als sie begriff, dass sie fiel. Sie fiel und fiel und fiel durch die Schwärze. Sah nichts, hörte nichts. Alles, was sie spürte, war ein eiserner Griff um ihr Handgelenk und das grausame Gefühl in ihrem Bauch, das nur entstand, wenn man mit rasanter Geschwindigkeit irgendwo hinabraste.

      Sie würden sterben. Egal was am Ende dieses Falls lag, wenn es denn ein Ende gab, den Aufprall würden sie nicht überleben. Die Prinzessin erwartete, in Tränen auszubrechen, aber nicht einmal das konnte sie. Erstarrt fiel sie durch die Dunkelheit und erwartete den Aufprall. Der Dämon hatte sie alle getötet. Konnte man trotzdem an Zylons Tafel landen, wenn man beim Aufprall in der Unterwelt starb? Oder war sie vielleicht in dem Moment gestorben, als Machairi sie durch das Tor gezerrt hatte? Immerhin war es dann schmerzfrei gewesen. Doch sie konnte doch nicht für den Rest der Unendlichkeit durchs Nichts fallen.

      Je weiter sie fielen, desto kälter wurde die Angst um ihr Herz und sie war sich schrecklich sicher, das Sterben noch vor sich zu haben. Sie verlor das Gefühl von Zeit und Raum und wurde wahnsinnig in der anonymen Schwärze. Wäre Machairis Griff nicht so spürbar gewesen, hätte sie sicherlich den Verstand verloren. Es war so furchtbar leer.

      Der Aufprall war ähnlich unerwartet wie der Fall. Plötzlich war der Boden einfach da. Es war nicht schmerzhaft. Sie spürte kein Bremsen, als sie plötzlich aufhörte hinabzurasen. Stockstarr lag sie auf steinigem und sandigem Untergrund, der zuvor schlicht nicht dort gewesen war, und konnte ihr eigenes Keuchen wieder hören.

      Unheimliche Schwermut fing sie ein und erst langsam kehrte das Gefühl, die Gewalt über ihre Gedanken und ihren Körper zu haben, zurück. Jede Faser ihrer physischen Form schien überreizt zu sein und zu schmerzen. In einem unheimlichen Kraftakt öffnete sie die Augen einen Spalt und fühlte sich so schrecklich schwer. Ganz langsam kehrte das Leben in sie zurück. War sie tot? Nein. Hatte sie sich alle Knochen gebrochen? Vermutlich. Es fühlte sich jedenfalls unmöglich an, sich zu bewegen.

      Es dauerte einen Augenblick, aber sie schaffte es, die Augen ganz zu öffnen. Ihre Hand lag direkt neben ihrem Gesicht und sie betrachtete die Haut an ihren Fingern. Sie wirkte farblos und grau. Vorsichtig versuchte sie, einen Finger zu bewegen, und zu ihrer Überraschung war es überhaupt kein Problem. Tatsächlich kam mit dieser Bewegung die Wahrnehmung ihres eigenen Körpers fast schlagartig zurück und Koryphelia sah sich in der Lage, vorsichtig die Extremitäten zu bewegen und sich dann langsam auf die Seite zu drehen, damit ihr Gesicht nicht weiter auf einer Seite in den Dreck am Boden drückte.

      Langsam und bedacht setzte sie sich auf und betrachtete sich. Die schwarzen Kleider waren noch da und sie saß auf einem vollkommen grauen Boden voller kleiner Steinchen. Ein graues Grasbüschel wuchs neben ihrem Fuß und langsam drehte sie den Kopf. Das Erste, was sie sah, war Machairi, der neben einem Körper am Boden hockte und auf das Mädchen einredete. Rish bebte. Ihr Körper zitterte, als schüttle jemand sie unkontrolliert und schnell, und ihre Körperteile zuckten willkürlich. Die Augen hatte sie weit aufgerissen und Panik lag darin. Hatte sie einen Anfall irgendeiner Art?

      Mühselig kam die Prinzessin auf die Beine. Es war, als würde man hier stärker an den Boden gezerrt. Erst als sie die graue Haut der beiden anderen sah, fiel ihr ihre eigene Hautfarbe wieder ein, und sie sah erneut an sich herab und danach panisch in die Umgebung. Alles war grau. Es war, wie durch einen Trauerschleier zu blicken. Sie standen in einer dürren Steppe aus grauem Sand und sogar robuste Pflanzen wuchsen aus dem kargen Boden. Nirgends war auch nur der kleinste Fleck Farbe zu sehen. Es war beängstigender, als es hätte sein sollen. Auch die seltsame Verzweiflung war nicht gewichen. Alles an diesem Ort war frustrierend und machte ihr Herz schwer. Unkoordiniert, als müsse sie das Laufen erst neu lernen, stolperte sie zu dem Harethimädchen und fiel neben ihr wieder zu Boden. »Was ist mit ihr?«, fragte sie ängstlich und schrie aus Versehen viel lauter als beabsichtigt. Waren die Farben verschwunden, schienen Klänge hier ganz neue Nuancen zu bekommen und ihre Stimme war ein hässliches Knarren, das durch viele Schichten gleichzeitig gedrückt zu werden schien.

      Das Schwarz der Augen des Dämons war fast beruhigend, weil sich nichts daran geändert hatte. Er musterte sie kurz und warf dann einen Blick hinab auf das Mädchen. »Leén«, sagte er sanft und Koryphelia starrte ihn perplex an. Nicht wegen des Namens, sondern weil seine Stimme hier noch eindrucksvoller war als zuvor. In der seltsamen Feinheit des Klanges an diesem Ort trug seine Melodie perfekt durch die Ödnis. »Erinnerst du dich an gestern?« Der beinahe weiße Handschuh legte sich an ihr Kinn und er zwang das zitternde Mädchen ihn anzusehen. »Kontrolle.«

      Es war ein nicht zu verleugnendes Maß an Zärtlichkeit in der Art, wie er mit ihr umging, auch wenn es unter der Grobheit der Aufforderung fast verloren ging. Koryphelia erinnerte sich, dass er Rish am Vortag nach der unseligen Offenbarung des Reiseziels mitgenommen hatte. Noch immer zitterte die Harethi, aber ihre sonst braunen Augen hafteten an dem Schatten und die Panik wich tiefergehender Angst. Trotzdem wurde das Zittern etwas