John Marten Tailor

SINODIS


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du bist gut!« Mein Schoß stand in Flammen. Küsse, die liebevoller nicht sein konnten, ließen meinen Zorn verrauchen. Gerade als ich anfing, mich ihm hinzugeben, begannen seine Arme unkontrolliert zu zittern und er sank in die Bewusstlosigkeit.

      »Oh nein! Jack, was ist? Sag doch was, verdammt!« Nichts. Ich zog mir in Windeseile einen Morgenmantel an und alarmierte meinen netten fürsorglichen Nachbarn Marten von gegenüber, der als Arzt in einem Krankenhaus in der Stadt arbeitete. Er sah nach Jack und meinte lapidar:

      »Der hat ganz schön was einstecken müssen, aber das wird wieder. Herz und Puls sind in Ordnung. Es sieht schlimmer aus, als es ist. Keine Sorge, Amily.«

      »Ich danke dir, Marten«, sagte ich und brachte ihn zum Ausgang. »Dafür, dass du nach Jack gesehen hast – und für das andere auch.« Gerade als ich die Tür schließen wollte, streckte mir eine behandschuhte Hand eine Pistole entgegen. Ich war wie erstarrt. Jack stand mittlerweile im Flur und schrie:

      »Mach die verdammte Tür zu!« Ein Schuss löste sich, als ich mich aus meiner Starre erwacht gegen das Türblatt stemmte, und mit letzter Kraft die Tür ins Schloss rammte, so dass die Pistole klappernd direkt vor meinen Füßen landete. Komisch, der Schuss war gar nicht so laut, wie man das als Laie erwartete. Im nächsten Moment lag ich im Flur, sah eine ganze Menge Blut und wusste nicht, wie mir geschah.

      »Amily!«

      Ich starrte auf das Blut, das meinen Oberarm entlang rann. »Da ist überall Blut!«

      »Halb so wild, nur ein Streifschuss«, versuchte Jack mich zu trösten, dabei war er so kreidebleich, als hätte er einen Geist gesehen. Ich atmete immer schneller.

      »Oh, toll. Ich … verstehe nur nicht, … warum man auf uns schießt. Wir müssen die Polizei rufen.«

      »Nein! Vertrau mir, die brauchen wir nicht.«

      Jack schleifte mich ins Schlafzimmer, ich hinterließ einen Blutstreifen auf dem Laminat. Er legte mich auf die Matratze, dann musste er selbst kurz verschnaufen.

      »Es tut so weh.« Mein Oberarm brannte wie Feuer. Der Schmerz war mit nichts vergleichbar, das ich kannte, er strahlte bis in die Schulter aus. Schließlich wurde unsereins nicht jeden Tag angeschossen.

      »So, dann wollen wir mal sehen.« Er hatte den Verbandskasten im Flur gefunden und presste Mullbinden auf die blutenden Wunden auf Höhe meines Schlüsselbeines und fixierte alles mit Pflastern. »Fertig. Du bist sehr tapfer, Amily.« Ich lächelte schwach.

      »Nein, bin ich nicht. Bist du auch verletzt?«, fragte ich besorgt. Kopfschüttelnd antwortete er:

      »Nein. Du bist wichtig, nur du.« Er gab mir einen Kuss.

      »Jack?«

      »Ja, Amily?«

      »Für dich würde ich sterben.« Er sah mich lange an, bevor er entgegnete:

      »Ich weiß. Ich auch für dich. Liebe dich, okay?« Dann wurde mir schwarz vor Augen.

      Zwei Tage später erwachte ich. Sofort durchbohrte der Schmerz meinen geschwächten Körper und erinnerte mich daran, was passiert war. Es musste später Vormittag sein, so wie das Licht durch das Schlafzimmerfenster fiel. Von Jack keine Spur. Nicht noch mal! Vor Wut darüber, dass er noch mal abgehauen sein könnte, hievte ich meinen malträtierten Leib aus dem Bett und schleppte mich mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Küche. Wehe … »Jack?« Er saß auf einem Stuhl, das Kinn auf der Brust. Er musste über mich gewacht haben, bis ihm die Augen zugefallen waren.

      »Komm ins Bett, Jack. Du musst dich ausruhen. Wie lange sitzt du denn da schon?« Er schlug die Augen auf, murmelte etwas wie: »Ich muss eingeschlafen sein«, stand auf und folgte mir wie in Trance ins Schlafzimmer. Jetzt war es an mir, über ihn zu wachen, also legte ich mich zu ihm. Er drehte sich um, nahm mich in den Arm, wobei er seine morgendliche Erregung kaum zu verbergen vermochte.

      »Jack, ich hatte tierische Angst um dich, ich will das mit uns nicht missen.« Ich küsste seine vollen Lippen.

      »Ich will dich auch nicht missen.« Er sagte das so überzeugend, ich glaubte ihm auf Anhieb.

      »Aber ich verstehe einfach nicht, was das alles soll! Warum hat Marten auf uns geschossen? Es muss Marten gewesen sein.«

      »Marten?« Jack klang verwirrt.

      »Der Arzt. Mein Nachbar!«

      »Ach so. Kann mir auch nicht vorstellen, warum.«

      Nachdem wir ein paar Stunden geruht hatten, stand ich auf, um uns mit den Resten, die ich noch im Haus hatte, ein schönes verspätetes Frühstück zu zaubern. Es war kein üppiges Mahl, eher etwas für den kleinen Hunger, denn obwohl mein Arm weniger wehtat, fielen mir die alltäglichen Handgriffe nicht so leicht wie normal. Ich wollte Jack gerade rufen, da stand er schon im Adamskostüm direkt hinter mir. Überall Muskeln. Was für ein Mann! Schnell wendete ich den Blick ab, nahm die H-Milch aus dem Kühlschrank und schenkte Kaffee ein. »Ich wollte dir gerade Bescheid sagen. Es gibt was zu essen.« Er presste seinen verschwitzten Körper an meinen.

      »Meine kleine Amily, ich bin zum ersten Mal in meinem Leben wahrhaftig verliebt, ich kann nicht beschreiben, wie sehr. Und das seit dem ersten Moment, als ich dich gesehen habe.«

      »Ach, Jack! Wie romantisch.« Bitte sag das nur, wenn du es auch so meinst, flehte ich in Gedanken. Ich wandte mich ihm zu, reichte ihm den Becher, betrachtete ihn im Ganzen, so wie er es mit mir gemacht hatte, lehnte mich zurück und genoss nicht nur den Kaffee, sondern den Anblick von Mr. Jack. Bei dieser Gelegenheit gestand ich Jack, dass es vorher keinen Mann in meinem Leben gegeben hatte, bei dem ich auch nur annähernd ein so ausgeprägtes Verlangen nach Sex und Liebe empfand. Er starrte mich nur verständnislos an.

      »Aber was sage ich. Genug davon, sonst kommen mir gleich die Tränen. Also, was machen wir Schönes?«

      »Wollen wir an der Elbe spazieren gehen? Soll schön sein, hab ich gehört. Und dann vielleicht eine Kleinigkeit essen?«, schlug Jack vor. »Vorausgesetzt du fühlst dich gut genug, natürlich.« Freudig erwiderte ich:

      »Die Schmerzen haben schon nachgelassen. Also gern. Ich brauche nur fünf Minuten.« Ich hatte vor, seine Blicke zu schärfen, und zwar so, dass ihm später als einzige Option der Weg ins Schlafzimmer blieb. Deshalb suchte ich das schönste Minikleid aus, das ich besaß, dazu passend eine dünne Jacke, falls es kühl werden sollte, kombiniert mit Sneakers. Ich gab Jack lächelnd einen Klaps, als ich an ihm vorbeiging, schlich in den Flur und schaute durch den Türspion.

      »Was machst du, Amily?«

      »Die Luft ist rein. Wir können gehen.«

      Ich nahm ein Stück schwarzes Klebeband aus dem Schubladenschrank, öffnete die Tür und klebte damit Martens Türspion zu. Sicher ist sicher. Es lag auf der Hand, dass er derjenige gewesen sein musste, der den Schuss abgefeuert hatte. Keine Ahnung, weshalb er das tun sollte, zumal er mir kurz vorher noch Frühstück gebracht hatte. Ich vermutete zwar schon länger, eigentlich seit einem Nachbarschaftsfest vor zwei Jahren, dass Marten heimlich in mich verschossen war, aber als Mann war er leider gar nicht mein Typ - etwa gleichaltrig und ein erfolgreicher Arzt, aber sowas von langweilig.

      »Komm, Jack, keiner da«, wisperte ich, schnappte mir noch meine Schlüssel, und dann stahlen wir uns durch den Hinterausgang. Die Sonne brannte hell und heiß, Jack fühlte sich unübersehbar wohl in meiner Begleitung. Wie sehr hatte ich mir einen Mann an meiner Seite gewünscht, der mich liebte, wie ich war. Wir schlenderten in Richtung des neuen Hafenviertels. Ich mochte dieses trendige Quartier mit der modernen, spannenden Architektur. Selbst als Einheimische entdeckte ich jedes Mal etwas Neues, und das wollte ich natürlich meinem Liebsten zeigen.

      »Beeindruckend«, gestand mein Gast aus der Ferne.

      »Nicht wahr? Gut, dass heute nicht so viel los ist. Muss an der Wärme liegen.« Ich blieb irgendwann mitten auf dem Gehweg stehen und Jack drängte sich nah an mich heran, um mir bei der Gelegenheit schelmisch ins Ohr zu flüstern:

      »Hast