John Marten Tailor

SINODIS


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hier furchtbar nach Brennstoff.«

      Jack kam nur unter großen Anstrengungen auf die Beine, aber endlich stand er, und ich selbst blutete noch immer.

      »Haben die Schweine etwa auf dich geschossen?« Der Zorn loderte in seinen Augen.

      »Unwichtig, wir müssen hier raus! Ich habe so ein komisches Gefühl, dass die wiederkommen.« Wir schleppten uns gebeugt zur Seitentür, mühten uns gemeinsam mit der Klinke ab, aber die war festgerostet. Nichts rührte sich. Plötzlich riss jemand die größere Tür an der Stirnseite auf, die der Haupteingang sein musste. Erschrocken fuhren wir herum. Einer unserer Peiniger tat einen Schritt ins Innere. Ich rechnete fest damit, dass er uns erschießen würde. Er bemerkte abfällig:

      »So, ihr lebt doch noch. Ihr zwei erstaunt mich immer mehr.« Dann warf er unter höhnischem Gelächter sein brennendes Feuerzeug in eine der schimmernden Pfützen, was rasend schnell ein Feuerinferno entfachte, das rasch um sich griff. Der Mann verließ die Halle und schlug die Tür zu. Wir waren gefangen im Flammenmeer! Mittlerweile war es kochend heiß.

      »Jack, mach die verdammte Tür auf!« Die Rauchentwicklung nahm zu, ich begann zu husten. Jack zog und zerrte an der Tür. Vergeblich. Auch er hatte Luftnot, seine Augen tränten und er keuchte verzweifelt:

      »Ich versuch’s. Es geht nicht! Scheiße, das ist eine Schiebetür.« Mit dieser Erkenntnis setzten wir alles daran, sie endlich zu öffnen. Die Flammen kamen bedrohlich näher. Erst drückten wir nach links, falls sich unter der Tür ein Keil befinden sollte. So war es auch, die Tür ließ sich endlich aufschieben. Wir keuchten und rangen nach Luft. In dem Moment, als der Sauerstoff ungehindert eindringen konnte, geschah es: Jäh raste eine Feuerwalze auf uns zu. Es ging alles viel zu schnell. Jack drehte sich mit dem Rücken zum Feuer, stellte sich beschützend vor mich, und schrie mich an:

      »Vertrau mir!« Er hielt mich fest umschlossen. Ich vertraute ihm. Die Feuerwalze trieb eine gewaltige Druckwelle vor sich her, welche uns dann aus dem Gebäude katapultierte.

      Gott weiß, wie lange wir da im Dunkeln gelegen hatten. Es dauerte eine geraume Weile, bis ich mich orientieren konnte. Trotz des Infernos vor unserer Nase war mir bitterkalt. Schnell wurde man der lodernden Flammen und der Verpuffungen gewahr, eine ganze Heerschar von Einsatzkräften rückte an. Im Zuge der Löscharbeiten stolperten sie quasi über uns.

      »Hierher!« Ich streckte einen Arm in die Höhe, um auf uns aufmerksam zu machen. Zig Retter eilten herbei, ein Helikopter schwebte über uns. Da waren flackernde Lichter in Rot und Blau und Suchscheinwerfer. Die helfenden Hände, die nicht mit den Löscharbeiten betraut waren, waren bemüht, uns zu versorgen. Ich schloss die Augen, konnte endlich loslassen.

      Erst im Krankenhaus erlangte ich das Bewusstsein wieder. Ein Alarm vom Überwachungsmonitor gab Meldung über mein Erwachen. Sofort erschienen ein Arzt und zwei Pfleger, um nach mir zu sehen.

      »Sie sind wach. Wie schön. Ich bin Dr. Paul Brenner, Chefarzt. Können Sie mir sagen, wie Sie sich fühlen?« Mir brannte nur die eine Frage auf der Seele:

      »Jack? Wo ist er denn? Geht es ihm gut?« Der Arzt schaute überrascht.

      »Beruhigen Sie sich. Ihr Jack ist bald wieder auf den Beinen. Und Sie natürlich auch.« Seine Verletzungen seien nur oberflächlich. Neben zwei Schusswunden, hätte ich allerdings böse Hautabschürfungen, Prellungen und einen verstauchten Knöchel davongetragen, der dick bandagiert war. Zudem würden ein paar Leute von der Bundespolizei mit mir reden wollen, für die ich gar nicht schnell genug das Bewusstsein wiedererlangen konnte. Ob das in Ordnung sei.

      »Na schön, aber ich möchte nicht mit denen alleine sein.« Dr. Brenner wirkte in einer Art und Weise angenehm beruhigend auf mich, die ich nicht definieren konnte.

      »Lässt sich einrichten. Mein Kollege hier gibt Ihnen etwas gegen die Schmerzen. Ich bitte die Polizisten herein. Machen Sie sich keine Sorgen. Wie heißen Sie eigentlich, junge Dame?«

      »Mein Name ist Amily Simon«, sagte ich, während der Pfleger sich an meinem Arm zu schaffen machte.

      »Na dann, Amily, tief durchatmen. Ich hole die Beamten und bleibe bei Ihnen, versprochen. Ist das okay?«

      »Ja, gut.«

      Es verstrichen nur wenige Sekunden, bis eine Frau auf der Bildfläche erschien. Sie war klein, blond und sehr mager, sah aus wie eine zu dünne Puppe von schätzungsweise fünfunddreißig Jahren und war auf Anhieb ein rotes Tuch für mich. Ein großer dunkelhaariger Mann, etwa vierzig Jahre alt, begleitete sie. Er war die sympathischere Hälfte dieses Dream-Teams. Dr. Brenner, den sie vor die Tür schicken wollten, ließ keine Zweifel aufkommen, wer das Sagen hatte. Auch mein Veto war ihnen gewiss:

      »Der Arzt bleibt, sonst sage ich kein Wort.«

      »Na schön«, lenkten die Beamten ein. »Keine Aufregung.« Die Frau warf ihrem Partner sonderbare Blicke zu und übernahm dann das Reden.

      »Meier und Schmidt von der SOKO Hamburg.« Sie deutete dabei auf ihren Partner Schmidt. »Wir ermitteln wegen des Brandes auf dem Hafengelände, da erheblicher Sachschaden entstanden ist. Sie wurden in unmittelbarer Nähe zum Tatort aufgefunden, deshalb haben wir ein paar Fragen an Sie. Es wird nicht allzu lange dauern. Nennen Sie uns bitte vorab Ihren Namen und Ihr Geburtsdatum.«

      Ich antwortete artig, während das Schmerzmittel Wirkung zeigte und ich mich etwas entspannte. Richtig, mein Sternzeichen war Löwe. Ich hatte am achtundzwanzigsten Juli Geburtstag, wobei uns Löwefrauen nicht nur durchweg positive Eigenschaften zugeschrieben wurden.

      »Okay. Und Sie leben in Hamburg?«

      »Ja.« Ich nannte der Beamtin meine Adresse, die sie notierte und auch noch meine Arbeitsstelle. Wenn ich morgen nicht erschien, würde man mich vermisst melden.

      »Schön. Und, Frau Simon, wie sind Sie und Ihr Begleiter denn nun in dieses Gebäude gelangt und warum waren Sie unbekleidet?«

      »Na, Sie sind gut. Ich weiß weder das eine noch das andere. Herrje! Wir wollten doch nur spazieren gehen.« Mir kamen die Tränen, ich schluchzte leise.

      »Spazieren, ah ja. Gewiss.« Sie glaubte mir kein Wort, das war ihr anzusehen.

      »Wo ist Jack?«

      »Jack? Ist das Ihr Begleiter?«

      »Ja doch. In Kuba hat alles angefangen, und in Hamburg spitzte sich die Sache zu. Ein Mann war in meiner Wohnung. Dr. Marten, mein Nachbar, der auf mich geschossen hat, glaube ich.« Hier wurde ich unterbrochen.

      »Moment, Moment. Es wurde auf Sie geschossen? In Ihrer Wohnung? Und Sie haben nicht die Polizei gerufen?«

      »Nein. Ich wollte ja, aber dann … Und bei dem Spaziergang wurden wir entführt. Ich kann nicht sagen, warum, aber die suchen irgendeine vermaledeite Rolle. Drei Männer. Mehr weiß ich auch nicht, wirklich, ich habe keine Ahnung. Das macht alles überhaupt keinen Sinn ...« Mein Blick suchte Dr. Brenner. Ich war so müde, wollte einfach nur schlafen. Er erkannte mein Flehen und verwies die Beamten auf die nächsten Tage.

      »Wir haben aber noch Fragen, was diese hanebüchene Geschichte mit dem Nachbarn betrifft«, protestierte die Beamtin.

      »Gönnen Sie der Patientin ein wenig Ruhe. Sie hat viel durchgemacht. Wenn ich Sie nun bitten dürfte …« Als die Besucher widerwillig gegangen waren, lobte mich der sympathische Arzt:

      »Das haben Sie gut gemacht, Amily. Ruhen Sie sich jetzt aus.« Ich versuchte ein schiefes Lächeln.

      »Die weiß doch irgendwas. Wieso sagt sie es nicht?«, hörte ich die Beamten auf dem Gang schimpfen, dann schlief ich ein.

      Es war am anderen Morgen, als der Duft nach frischem Kaffee meinen Schlaf unterbrach. Ich sprang auf und stürzte mich auf diesen Kerl, einen Schatten über mir, der mir zuvor die Schusswunde zugefügt hatte. Bei genauerem Hinsehen entpuppte der sich als Dr. Brenner.

      »Amily, nein!« Ich sank zurück auf mein Kissen.

      »Oh,