Friedrich Schiller

Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...


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sehn – es ist noch schöner, ihn zu lieben!

      Johanna wendet sich mit Abscheu hinweg.

      Du hassest ihn! – Nein, nein, du kannst ihn nur

      Nicht lieben – Doch wie solltest du ihn hassen!

      Man haßt nur den, der den Geliebten uns

      Entreißt, doch dir ist keiner der Geliebte!

      Dein Herz ist ruhig – Wenn es fühlen könnte –

      JOHANNA.

      Beklage mich! Beweine mein Geschick!

      SOREL.

      Was könnte dir zu deinem Glücke mangeln?

      Du hast dein Wort gelöst, Frankreich ist frei,

      Bis in die Krönungsstadt hast du den König

      Siegreich geführt, und hohen Ruhm erstritten,

      Dir huldiget, dich preist ein glücklich Volk,

      Von allen Zungen überströmend fließt

      Dein Lob, du bist die Göttin dieses Festes,

      Der König selbst mit seiner Krone strahlt

      Nicht herrlicher als du.

      JOHANNA.

      O könnt ich mich

      Verbergen in den tiefsten Schoß der Erde!

      SOREL.

      Was ist dir? Welche seltsame Bewegung!

      Wer dürfte frei aufschaun an diesem Tage,

      Wenn du die Blicke niederschlagen sollst!

      Mich laß erröten, mich, die neben dir

      So klein sich fühlt, zu deiner Heldenstärke sich,

      Zu deiner Hoheit nicht erheben kann!

      Denn soll ich meine ganze Schwäche dir

      Gestehen? – Nicht der Ruhm des Vaterlandes,

      Nicht der erneute Glanz des Thrones, nicht

      Der Völker Hochgefühl und Siegesfreude

      Beschäftigt dieses schwache Herz. Es ist

      Nur einer, der es ganz erfüllt, es hat

      Nur Raum für dieses einzige Gefühl:

      Er ist der Angebetete, ihm jauchzt das Volk,

      Ihn segnet es, ihm streut es diese Blumen,

      Er ist der Meine, der Geliebte ists.

      JOHANNA.

      O du bist glücklich! Selig preise dich!

      Du liebst, wo alles liebt! Du darfst dein Herz

      Aufschließen, laut aussprechen dein Entzücken

      Und offen tragen vor der Menschen Blicken!

      Dies Fest des Reichs ist deiner Liebe Fest,

      Die Völker alle, die unendlichen,

      Die sich in diesen Mauren flutend drängen,

      Sie teilen dein Gefühl, sie heilgen es,

      Dir jauchzen sie, dir flechten sie den Kranz,

      Eins bist du mit der allgemeinen Wonne,

      Du liebst das Allerfreuende, die Sonne,

      Und was du siehst, ist deiner Liebe Glanz!

      SOREL ihr um den Hals fallend.

      O du entzückst mich, du verstehst mich ganz!

      Ja ich verkannte dich, du kennst die Liebe,

      Und was ich fühle, sprichst du mächtig aus.

      Von seiner Furcht und Scheue löst sich mir

      Das Herz, es wallt vertrauend dir entgegen –

      JOHANNA entreißt sich mit Heftigkeit ihren Armen.

      Verlaß mich. Wende dich von mir! Beflecke

      Dich nicht mit meiner pesterfüllten Nähe!

      Sei glücklich, geh, mich laß in tiefster Nacht

      Mein Unglück, meine Schande, mein Entsetzen

      Verbergen –

      SOREL.

      Du erschreckst mich, ich begreife

      Dich nicht, doch ich begriff dich nie – und stets

      Verhüllt war mir dein dunkel tiefes Wesen.

      Wer möcht es fassen, was dein heilig Herz,

      Der reinen Seele Zartgefühl erschreckt!

      JOHANNA.

      Du bist die Heilige! Du bist die Reine!

      Sähst du mein Innerstes, du stießest schaudernd

      Die Feindin von dir, die Verräterin!

      Dritter Auftritt

      Die Vorigen. Dunois. Du Chatel und La Hire mit der Fahne der Johanna.

      DUNOIS.

      Dich suchen wir, Johanna. Alles ist

      Bereit, der König sendet uns, er will,

      Daß du vor ihm die heilge Fahne tragest,

      Du sollst dich schließen an der Fürsten Reihn,

      Die Nächste an ihm selber sollst du gehn,

      Denn er verleugnets nicht und alle Welt

      Soll es bezeugen, daß er dir allein

      Die Ehre dieses Tages zuerkennt.

      LA HIRE.

      Hier ist die Fahne. Nimm sie, edle Jungfrau,

      Die Fürsten warten und es harrt das Volk.

      JOHANNA.

      Ich vor ihm herziehn! Ich die Fahne tragen!

      DUNOIS.

      Wem anders ziemt' es! Welche andre Hand

      Ist rein genug, das Heiligtum zu tragen!

      Du schwangst sie im Gefechte, trage sie

      Zur Zierde nun auf diesem Weg der Freude.

      La Hire will ihr die Fahne überreichen, sie bebt schaudernd davor zurück.

      JOHANNA.

      Hinweg! Hinweg!

      LA HIRE.

      Was ist dir? Du erschrickst

      Vor deiner eignen Fahne! – Sieh sie an!

      Er rollt die Fahne auseinander.

      Es ist dieselbe, die du siegend schwangst.

      Die Himmelskönigin ist drauf gebildet,

      Die über einer Erdenkugel schwebt,

      Denn also lehrte dichs die heilge Mutter.

      JOHANNA mit Entsetzen hinschauend.

      Sie ists! Sie selbst! Ganz so erschien sie mir.

      Seht, wie sie herblickt und die Stirne faltet,

      Zornglühend aus den finstern Wimpern schaut!

      SOREL.

      O sie ist außer sich! Komm zu dir selbst!

      Erkenne dich, du siehst