Friedrich Schiller

Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...


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sie die Herde trieb auf unsern Bergen,

      Daß wir in solcher Pracht sie würden schauen.

      LOUISON.

      Der Traum des Vaters ist erfüllt, daß wir

      Zu Reims uns vor der Schwester würden neigen.

      Das ist die Kirche, die der Vater sah

      Im Traum, und alles hat sich nun erfüllt.

      Doch der Vater sah auch traurige Gesichte,

      Ach, mich bekümmerts, sie so groß zu sehn!

      BERTRAND.

      Was stehn wir müßig hier? Kommt in die Kirche,

      Die heilge Handlung anzusehn!

      MARGOT.

      Ja kommt!

      Vielleicht, daß wir der Schwester dort begegnen.

      LOUISON.

      Wir haben sie gesehen, kehren wir

      In unser Dorf zurück.

      MARGOT.

      Was? Eh wir sie

      Begrüßt und angeredet?

      LOUISON.

      Sie gehört

      Uns nicht mehr an, bei Fürsten ist ihr Platz

      Und Königen – Wer sind wir, daß wir uns

      Zu ihrem Glanze rühmend eitel drängen?

      Sie war uns fremd, da sie noch unser war!

      MARGOT.

      Wird sie sich unser schämen, uns verachten?

      BERTRAND.

      Der König selber schämt sich unser nicht,

      Er grüßte freundlich auch den Niedrigsten.

      Sei sie so hoch gestiegen als sie will,

      Der König ist doch größer!

      Trompeten und Pauken erschallen aus der Kirche.

      CLAUDE MARIE.

      Kommt zur Kirche!

      Sie eilen nach dem Hintergrund, wo sie sich unter dem Volke verlieren.

      Achter Auftritt

      Thibaut kommt, schwarz gekleidet, Raimond folgt ihm und will ihn zurückehalten.

      RAIMOND.

      Bleibt, Vater Thibaut! Bleibt aus dem Gedränge

      Zurück! Hier seht Ihr lauter frohe Menschen,

      Und Euer Gram beleidigt dieses Fest.

      Kommt! Fliehn wir aus der Stadt mit eilgen Schritten.

      THIBAUT.

      Sahst du mein unglückselig Kind? Hast du

      Sie recht betrachtet?

      RAIMOND.

      O ich bitt Euch, flieht!

      THIBAUT.

      Bemerktest du, wie ihre Schritte wankten,

      Wie bleich und wie verstört ihr Antlitz war!

      Die Unglückselige fühlt ihren Zustand,

      Das ist der Augenblick, mein Kind zu retten,

      Ich will ihn nutzen.

      Er will gehen.

      RAIMOND.

      Bleibt! Was wollt Ihr tun?

      THIBAUT.

      Ich will sie überraschen, will sie stürzen

      Von ihrem eiteln Glück, ja mit Gewalt

      Will ich zu ihrem Gott, dem sie entsagt,

      Zurück sie führen.

      RAIMOND.

      Ach! Erwägt es wohl!

      Stürzt Euer eigen Kind nicht ins Verderben!

      THIBAUT.

      Lebt ihre Seele nur, ihr Leib mag sterben.

      Johanna stürzt aus der Kirche heraus, ohne ihre Fahne, Volk dringt zu ihr, adoriert sie und küßt ihre Kleider, sie wird durch das Gedränge im Hintergrunde aufgehalten.

      Sie kommt! Sie ists! Bleich stürzt sie aus der Kirche,

      Es treibt die Angst sie aus dem Heiligtum,

      Das ist das göttliche Gericht, das sich

      An ihr verkündiget! –

      RAIMOND.

      Lebt wohl!

      Verlangt nicht, daß ich länger Euch begleite!

      Ich kam voll Hoffnung und ich geh voll Schmerz.

      Ich habe Eure Tochter wieder gesehn,

      Und fühle, daß ich sie aufs neu verliere!

      Er geht ab, Thibaut entfernt sich auf der entgegengesetzten Seite.

      Neunter Auftritt

      Johanna. Volk. Hernach ihre Schwestern.

      JOHANNA hat sich des Volks erwehrt und kommt vorwärts.

      Ich kann nicht bleiben – Geister jagen mich,

      Wie Donner schallen mir der Orgel Töne,

      Des Doms Gewölbe stürzen auf mich ein,

      Des freien Himmels Weite muß ich suchen!

      Die Fahne ließ ich in dem Heiligtum,

      Nie, nie soll diese Hand sie mehr berühren!

      – Mir wars, als hätt ich die geliebten Schwestern,

      Margot und Louison, gleich einem Traum

      An mir vorüber gleiten sehen. – Ach!

      Es war nur eine täuschende Erscheinung!

      Fern sind sie, fern und unerreichbar weit,

      Wie meiner Kindheit, meiner Unschuld Glück!

      MARGOT hervortretend.

      Sie ists, Johanna ists.

      LOUISON eilt ihr entgegen.

      O meine Schwester!

      JOHANNA.

      So wars kein Wahn – Ihr seid es – Ich umfaß euch,

      Dich meine Louison! Dich meine Margot!

      Hier in der fremden menschenreichen Öde

      Umfang ich die vertraute Schwesterbrust!

      MARGOT.

      Sie kennt uns noch, ist noch die gute Schwester.

      JOHANNA.

      Und eure Liebe führt euch zu mir her

      So weit, so weit! Ihr zürnt der Schwester nicht,

      Die lieblos ohne Abschied euch verließ!

      LOUISON.

      Dich führte Gottes dunkle Schickung fort.

      MARGOT.

      Der Ruf von dir, der alle Welt bewegt,

      Der deinen Namen trägt auf allen Zungen,

      Hat uns