Friedrich Schiller

Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...


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ist ihr irdisch nachgeahmtes Bild,

      Sie selber wandelt in des Himmels Chören!

      JOHANNA.

      Furchtbare, kommst du dein Geschöpf zu strafen?

      Verderbe, strafe mich, nimm deine Blitze,

      Und laß sie fallen auf mein schuldig Haupt.

      Gebrochen hab ich meinen Bund, entweiht,

      Gelästert hab ich deinen heilgen Namen!

      DUNOIS.

      Weh uns! Was ist das! Welch unselge Reden!

      LA HIRE erstaunt zu Du Chatel.

      Begreift Ihr diese seltsame Bewegung?

      DU CHATEL.

      Ich sehe, was ich seh. Ich hab es längst

      Gefürchtet.

      DUNOIS.

      Wie? Was sagt Ihr?

      DU CHATEL.

      Was ich denke,

      Darf ich nicht sagen. Wollte Gott, es wäre

      Vorüber und der König wär gekrönt!

      LA HIRE.

      Wie? Hat der Schrecken, der von dieser Fahne

      Ausging, sich auf dich selbst zurückgewendet?

      Den Briten laß vor diesem Zeichen zittern,

      Den Feinden Frankreichs ist es fürchterlich,

      Doch seinen treuen Bürgern ist es gnädig.

      JOHANNA.

      Ja du sagst recht! Den Freunden ist es hold

      Und auf die Feinde sendet es Entsetzen!

      Man hört den Krönungsmarsch.

      DUNOIS.

      So nimm die Fahne! Nimm sie! Sie beginnen

      Den Zug, kein Augenblick ist zu verlieren!

      Sie dringen ihr die Fahne auf, sie ergreift sie mit heftigem Widerstreben und geht ab, die andern folgen.

      Die Szene verwandelt sich in einen freien Platz vor der Kathedralkirche.

      Vierter Auftritt

      Zuschauer erfüllen den Hintergrund, aus ihnen heraus treten Bertrand, Claude Marie und Etienne und kommen vorwärts. Der Krönungsmarsch erschallt gedämpft aus der Ferne.

      BERTRAND.

      Hört die Musik! Sie sinds! Sie nahen schon!

      Was ist das Beste? Steigen wir hinauf

      Auf die Platforme, oder drängen uns

      Durchs Volk, daß wir vom Aufzug nichts verlieren?

      ETIENNE.

      Es ist nicht durchzukommen. Alle Straßen sind

      Von Menschen vollgedrängt, zu Roß und Wagen.

      Laßt uns hieher an diese Häuser treten,

      Hier können wir den Zug gemächlich sehen,

      Wenn er vorüberkommt!

      CLAUDE MARIE.

      Ists doch, als ob

      Halb Frankreich sich zusammen hier gefunden!

      So allgewaltig ist die Flut, daß sie

      Auch uns im fernen lothringischen Land

      Hat aufgehoben und hieher gespült!

      BERTRAND.

      Wer wird

      In seinem Winkel müßig sitzen, wenn

      Das Große sich begibt im Vaterland!

      Es hat auch Schweiß und Blut genug gekostet,

      Bis daß die Krone kam aufs rechte Haupt!

      Und unser König, der der wahre ist,

      Dem wir die Kron itzt geben, soll nicht schlechter

      Begleitet sein, als der Pariser ihrer,

      Den sie zu Saint Denis gekrönt! Der ist

      Kein Wohlgesinnter, der von diesem Fest

      Wegbleibt, und nicht mit ruft: es lebe der König!

      Fünfter Auftritt

      Margot und Louison treten zu ihnen.

      LOUISON.

      Wir werden unsre Schwester sehen, Margot!

      Mir pocht das Herz.

      MARGOT.

      Wir werden sie im Glanz

      Und in der Hoheit sehn, und zu uns sagen:

      Es ist Johanna, es ist unsre Schwester!

      LOUISON.

      Ich kanns nicht glauben, bis ich sie mit Augen

      Gesehn, daß diese Mächtige, die man

      Die Jungfrau nennt von Orleans, unsre Schwester

      Johanna ist, die uns verlorenging.

      Der Marsch kommt immer näher.

      MARGOT.

      Du zweifelst noch! Du wirsts mit Augen sehn!

      BERTRAND.

      Gebt acht! Sie kommen!

      Sechster Auftritt

      Flötenspieler und Hoboisten eröffnen den Zug. Kinder folgen, weiß gekleidet, mit Zweigen in der Hand, hinter diesen zwei Herolde. Darauf ein Zug von Hellebardierern. Magistratspersonen in der Robe folgen. Hierauf zwei Marschälle mit dem Stabe, Herzog von Burgund das Schwert tragend, Dunois mit dem Szepter, andere Große mit der Krone, dem Reichsapfel und dem Gerichtsstabe, andere mit Opfergaben; hinter diesen Ritter in ihrem Ordensschmuck, Chorknaben mit dem Rauchfaß, dann zwei Bischöfe mit der Sainte Ampoule. Erzbischof mit dem Kruzifix; ihm folgt Johanna mit der Fahne. Sie geht mit gesenktem Haupt und ungewissen Schritten, die Schwestern geben bei ihrem Anblick Zeichen des Erstaunens und der Freude. Hinter ihr kommt der König, unter einem Thronhimmel, welchen vier Barone tragen, Hofleute folgen, Soldaten schließen. Wenn der Zug in die Kirche hinein ist, schweigt der Marsch.

      Siebenter Auftritt

      Louison. Margot. Claude Marie. Etienne. Bertrand.

      MARGOT.

      Sahst du die Schwester?

      CLAUDE MARIE.

      Die im goldnen Harnisch,

      Die vor dem König herging mit der Fahne!

      MARGOT.

      Sie wars. Es war Johanna, unsre Schwester!

      LOUISON.

      Und sie erkannt uns nicht! Sie ahndete

      Die Nähe nicht der schwesterlichen Brust.

      Sie sah zur Erde und erschien so blaß,

      Und unter ihrer Fahne ging sie zitternd –

      Ich konnte mich nicht freun, da ich sie sah.

      MARGOT.

      So hab ich unsre Schwester nun im Glanz

      Und in der Herrlichkeit gesehn. – Wer hätte

      Auch