J.D. David

Sternenglanz


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      Erst jetzt antwortete der Ritter. „Dunkle Kräfte. Wir wurden geschlagen. Der Prior ist geflohen, mit einem seltsamen Krieger.“

      „Wer war er?“, wiederholte Luna die Frage an Yatane.

      „Ich bin mir nicht sicher.“, antwortete schließlich die Elfe. Es entsprach wohl auch der Wahrheit. Denn sie konnte nicht glauben, dass es der Mann gewesen war, den sie vermutete. „Seine Kräfte waren unglaublich. Aber, Luna, die Macht deines Schwertes ist größer. Wir haben Verluste erlitten, aber du hast ihn geschlagen.“

      „Dennoch ist der Prior geflohen.“, sagte Luna verbittert und schaute dann zu Rogard.

      „Was machst du hier?“

      „Majestät, Arthur, ihr solltet mitkommen. Da ist etwas, dass ihr sehen solltet.“, sagte er. Dann schaute er noch einmal zu Arthur. „Was machen wir mit den Toten?“

      Doch der Ritter schüttelte nur den Kopf. Selbst ohne die Flucht von Cleos würde der Angriff bald entdeckt werden, spätestens im Morgengrauen. Wenn die kaiserlichen Soldaten dann erstmal da waren, gab es kaum ein Entkommen. So sehr es ihn schmerzte: es war keine Zeit für einen würdevollen Abschied. Rogard nickte verständnisvoll und wandte sich dann zum Gehen.

      „Yatane.“, sagte Luna, nun etwas leiser, weniger aufgebracht. Sie nickte Arthur zu, schon einmal vorzugehen.

      „Was ist?“, fragte die Elfe und trat näher zur Königin, als diese gerade ihr Schwert wegsteckte. Sofort wirkte Luna weniger entschlossen und mächtig.

      „Was sind das für Mächte?“, fragte sie die Elfe. Obwohl Elian und Siliva ihr über die Kraft des Weltenbaums erzählt hatten, konnte sie diese Magie noch immer nicht einordnen. Auch nicht jene Kraft, die in ihrem Schwert ruhte. Doch diese Macht war erschreckend. All die toten Schwarzen Pfeile waren Zeugnis dessen. Vielleicht erhoffte sie von Yatane eine bessere Antwort, hatte die Elfe ihr doch schon als Kind mit Geschichten Antworten auf große Fragen gegeben.

      Yatane trat näher und legte der Königin ihre Hand auf den Schwertarm. „Es sind die Kräfte des Weltenbaums. Die Kräfte des Lebens. Der Natur selbst.“, sagte sie. Sie selbst hatte die Kräfte oft in ihrem langen Leben gesehen. Von Elian. Von Siliva. Von Issilia. Oder einem anderen der Elfenfürsten. Doch so wie die Natur immer wieder faszinierend sein konnte, konnte man sich auch an die Magie nicht gewöhnen. „Aber die Natur ist nicht immer gut. Sie kann zornig sein. Unbarmherzig. Kalt. Die Kräfte können viel Gutes schaffen, aber im Innersten sind sie chaotisch und zerstörerisch. Die Natur erneuert sich immer wieder. Doch Erneuerung erfordert auch Zerstörung. In deinem Schwert wohnen Teile dieser Kräfte. Am Ende kommt es darauf an, wie der Anwender seine Kräfte beherrscht und anwendet. Sie sind wie eine Klinge. Die Kaiserlichen nutzen ihre Macht, um andere Völker zu unterjochen. Doch du kannst deine Kraft dafür verwenden, dich ihnen in den Weg zu stellen.“

      Luna nickte. Yatane lächelte aufmunternd. „Du musst den Verlust nun hinter dir lassen und wieder entschlossen sein. Egal was Rogard gefunden hat, es wird eine Entscheidung einer Königin bedürfen, sonst wäre er nicht gekommen.“

      Luna schaute Yatane an. „Danke.“, sagte sie nur und blickte dann noch einmal auf all die Männer, die auch sie in den Tod geführt hatte. „Ich danke euch allen für eure treuen Dienste. Möget ihr im nächsten Leben Frieden finden.“, sagte sie an die Toten gerichtet. Dann lief sie zur Treppe, um Rogard und Arthur zu folgen.

      Noch während sie auf dem Weg waren, hatte Luna erneut ihre Klinge gezogen. Ohne Zeitensturm wurde sie schwächer. Doch der Auftrag forderte Stärke. Yatane beobachtete die Königin fasziniert, während sie durch die Gänge des Klosters nach unten liefen, Rogard folgend. Sie hatte schon damals gewusst, dass aus Luna eine Königin der Menschen werden würde. Jene Menschen, die seit jeher nur den Krieg kannten. Es war unabdingbar gewesen, dass auch Luna diesen Weg einschlug. Doch dies in dieser Situation des brutalen Angriffs zu sehen, bildete einen Kontrapunkt zu ihren Erinnerungen an das fröhliche Mädchen. Natürlich, auch Yatane war Kriegerin, aber Luna, die sie als Kind kennen gelernt hatte, so zu sehen, löste etwas in ihr aus. Es erinnerte sie an den Krieg, den sie erlebt hatte, als sie klein gewesen war. Doch sie war glücklich, von nun an Lunas Seite sein zu können. Vielleicht konnte sie ihr ein bisschen einen Weg zeigen.

      „Hier hinein.“, sagte Rogard und deutete auf eine Tür, die in einen weiteren Schlafsaal zu führen schien. Einer der beiden Schwarzen Pfeile wartete bereits davor. Arthur ging als erstes in den Raum, gefolgt von Yatane und dann Luna. Zur Überraschung der Elfe waren allerdings keine Mönche in dem nächsten Zimmer. Gedrängt in eine Ecke standen Kinder. Auf den ersten Blick erkannte sie acht Jungen, die in teilweise zu großen, braunen Kutten dort standen, und verängstigt schauten. Der zweite Krieger, der Rogard begleitet hatte, stand mit erhobener Klinge vor den Jungen und hielt diese im Schach. Yatane schätzte, dass die Kinder vielleicht acht, neun Jahre alt waren. Fast so alt wie Luna damals.

      „Das sind Kinder.“, stellte die Elfe das Offensichtliche verwundert fest.

      „Ja. Junge Novizen. Die anderen Räume haben wir alle gesäubert. Das hier sind die einzigen Überlebenden.“, sagte Rogard.

      „Nicht ganz die Einzigen…“, sagte Luna grimmig und dachte an die Flucht des Priors.

      „Was sollen wir machen? Wir können ja nicht…“, fragte Rogard an Arthur gerichtet, vollendete aber den Satz nicht.

      „Luna, wir sollten…“, wollte Yatane gerade sprechen, wurde aber von der Königin mit einer Handbewegung unterbrochen. Diese ging auf die Jungen zu, musterte sie ernst, das Schwert noch immer in der Hand.

      „Wer seid ihr?“, fragte sie den ältesten Jungen, der vielleicht schon elf, zwölf Jahre alt war. Dieser schwieg erstmal, schaute die Königin mit großen Augen verängstigt an.

      „Was macht ihr hier?“, folgte die nächste Frage, diesmal nachdrücklicher. „Antworte mir!“, sagte sie bedrohlich.

      „Wir sind Novizen der Laëa, Diener des Kaiserreiches, und lassen uns durch eure Mächte der Finsternis nicht einschüchtern. Das Licht der Sonne wird alle Dunkelheit durchbrechen.“, sagte er dann recht entschlossen, gegeben der Situation. Die Worte wirkten einstudiert, dennoch trotzig.

      Luna nickte und drehte sich zu Arthur. „Sie werden Mönche wie jene, die Valorien fast zerstört haben. Tötet sie.“, befahl sie kalt.

      „Aber Majestät…“, wollte Arthur protestieren. Vollkommen unvermittelt stieß Luna ihr Schwert nach vorne in die Brust des ältesten Jungen, der ihr geantwortet hatte. Dieser blickte sie erst verwundert an, dann entsetzt, als ihm Blut aus dem Mundwinkel lief. Als Luna ihr Schwert zurück zog sackte er tot zu Boden. Die anderen Jungen schrien teilweise auf, drückten sich nach hinten an die Wand.

      „Ich habe einen Befehl gegeben, als eure Königin.“, sagte Luna kalt. „Also führt ihn aus.“, sagte sie und wandte sich dann ab, um aus dem Raum zu gehen. Yatane drehte sich sofort um, um ihr zu folgen. Von innen hörte sie noch die Todesschreie der Jungen, die schnell verstummten.

      Luna rannte nach draußen in den Schnee. Der Sturm hatte sich etwas gelegt. Sie steckte ihre noch blutige Klinge in die Scheide. Sofort spürte sie, wie ihre Kraft wich. Sie musste sich an der Mauer des Klosters abstützen. Was hatte sie nur getan? Sie hatte nicht nur den Tod all dieser Männer befohlen, sondern auch von Kindern. Kinder, die von dem Prior auf einen dunklen Pfad geleitet worden war, die aber doch selbst unschuldig waren. Oder? Aber sie hatte Entscheidungen treffen müssen. Für die Sicherheit Valoriens. Geron hatte ihr schon früh beigebracht, dass die Stärke einer Königin darin lag, schwerste Entscheidungen zu treffen, die andere nicht treffen konnten. Letztendlich war ihr Vater auch deshalb gestorben, weil er nicht entschieden genug gegen seine Feinde vorgegangen war. Sie wollte, sie konnte nicht die gleichen Fehler machen. Dennoch… sie sah noch all das Blut vor ihrem inneren Auge. Es klebte an ihren Händen. Es würde immer an ihren Händen kleben.

      Ihr Magen zog sich zusammen. Sie spürte noch, wie ihr der Magensaft hochstieg und dann beugte sie sich schon nach vorne, um sich zu übergeben. Geschwächt ging sie in die Hocke und atmete tief durch, sog die kalte Luft in ihre Lungen.