J.D. David

Sternenglanz


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lass uns dort drüben kurz hinsetzen.“, sagte Yatane und deutete auf eine Bank im Hof. Sie half Luna auf die Beine und stützte sie, um sie zu der Bank zu geleiten. Dort zog sie sich schnell ihren Mantel von den Schultern, um Luna eine Unterlage zum Sitzen zu geben.

      „Wird dir nicht kalt?“, fragte Luna als die Elfe ihr half, sich hinzusetzen.

      „Es geht schon“, antwortete Yatane. Kälte war ähnlich wie Hunger oder Durst für Elfen weniger gravierend als für Menschen. Es war nicht angenehm, aber es störte sie weniger als der Gedanke, dass Luna womöglich krank werden konnte.

      Yatane strich Luna über das Haar, als wäre sie wieder das kleine Mädchen. Sie erkannte den Ausdruck in Lunas Gesicht, als ihr Bauch anscheinend wieder verkrampfte. Dann drehte sich die Königin erneut weg und erbrach sich, während die Elfe ihre Haare zurückhielt. Erst dann drehte sich Luna wieder zurück und lehnte sich an die Elfe an. Erschöpft, aber irgendwie auch befreit.

      „Hier, trink.“, sagte Yatane und bot Luna ihren Wasserschlauch an, den sie am Gürtel getragen hatte.

      Luna nippte vorsichtig und trank einige kleine Schlucke. Nebeneinander saßen sie so schweigend in der Kälte. Außer dem Wind, der über Sonnfels strich, war es absolut still. Von drinnen hörte man nichts mehr. Keine Schreie. Keine Schritte. Keine Rufe. Als würde das Kloster noch immer schlafen. Doch Luna wusste, dass es nie wieder aufwachen würde.

      „Ich musste so entscheiden.“, sagte Luna leise, entkräftet. „Aber gerade war ich mir noch viel sicherer. Nun fühle ich mich so… schwach. Als wäre ich den Aufgaben nicht gewachsen.“

      Yatane strich ihr leicht die Haare aus dem Gesicht, die der Wind hineingeweht hatte. „Du bist die Königin Valoriens, und die Erbin des stärksten Menschen, den es je gab. Du führst auch die Klinge St. Gilberts. Sie gibt dir Stärke.“ Ja, Yatane wusste ob der Stärke des einstigen Königs. Sie lag in seinem Blut, das auch durch Lunas Adern floss. Luna nickte, antwortete aber nicht. So saßen sie einige Momente weiter still da.

      „Es war nicht nur der Kampf, oder? Wieso dir schlecht geworden ist?“, fragte Yatane schließlich. Luna schüttelte den Kopf. Dann strich sie sich leicht über den Bauch.

      Kapitel 4

      Narthas sprang aus dem Sattel und landete sanft auf dem trockenen Boden der Steppe. Der Untergrund war fest, tief vereist, und Raureif hatte sich auf die verbleibenden Gräser gelegt, dennoch lag kein Schnee. Zu lange war es her, seit es hier Niederschlag gegeben hatte. Ein eisiger Wind wehte über die Ebenen und schlug dem Khan ins Gesicht. Dennoch fühlte er sich wohler als in den warmen Hallen Taarls. Denn dies war seine Heimat.

      „Wir lagern hier!“, gab er den Befehl auf urbisch und sofort machten sich die Reiter daran, ein Lager aufzubauen. Narthas verharrte. Er blickte gen Horizont, an dem doch nichts zu sehen war. Nur die leere der Steppe. Die unendliche Weite. Freiheit. Es war das Gefühl von Freiheit, dass die Heimat der Urben so besonders machte. Und das er, zumindest unbewusst, in Valorien all die Jahre vermisst hatte. Doch nun war er zurück.

      Als zwei seiner Söhne zu ihm traten, winkte er sie herbei. Auch Zirgas, sein alter Weggefährte und Freund, trat zum Khan, nachdem er einigen Männern Befehle gegeben hatte. Narthas ging in die Hocke. Trotz des Frostes im Boden konnte der Khan eine Hand voll Steppensand aufheben. Langsam ließ er den Sand durch seine Hand rieseln, der Wind trug ihn seitwärts.

      „In jedem Sandkorn der Steppe wohnen die Geister.“, sagte Narthas leise. „Sie sprechen durch den Wind mit uns und tragen die Weisheit der Unendlichkeit und all unserer Ahnen.“ Der Khan erhob sich und blickte über die weite der Ebenen. „Wir sind ein Teil dieser Steppe. Jeder Urbe spürt es in sich. Die Geister schicken uns in dieses Leben, um uns zu beweisen. Und wenn wir sterben, werden wir wieder eins mit der Steppe. Nur die erlesensten unserer Krieger dürfen mit den Geistern in der Unendlichkeit reiten.“

      Er blickte zu Lokran und Kirgesh, seinen beiden ältesten Söhnen. „Mein Vater sprach einst diese Worte zu mir, vor einer großen Schlacht. Und sein Vater vorher zu ihm. Ihr kehrt nun das erste Mal heim. Aber egal wohin ihr reitet, ihr tragt die Steppe in eurem Herzen, und die Geister werden euch immer begleiten.“ Die beiden Angesprochenen schauten Narthas ehrfürchtig an, wussten aber nichts zu erwidern. Also schlug Zirgas den beiden Männern auf die Schulter, um die Stimmung zu lockern.

      „Leider, meine jungen Freunde, wird es noch dauern, bis wir unsere Speere in den Leib des Feindes stoßen werden. Außer ein paar rauflustige Stämme reiten in unseren Weg. Oder der Erzherzog der Peltamark ist dumm.“, sagte er grinsend und blickte dann zu Narthas. „Ich habe gerade Nachricht der letzten Krieger erhalten. Das Heer ist vollständig gesammelt. Wir warten auf deine Befehle, Khan.“

      Narthas nickte ihm zu und ließ dann seinen Blick zu dem einen Reiter wandern, der hier nicht ins Bild passte. Anders als die Urben trug er eine Plattenrüstung, obwohl diese etwas mitgenommen wirkte. Von anderer Qualität war das feine Langschwert, das er am Gürtel trug. In einer silbernen Scheide, die von Flammenrunen und Feueropalen verziert war, trug Wanfried von Tulheim das Schwert Flammendorn. Mit seinen hellblonden Haaren und fast bleichem Teint hob er sich auch deutlich von den dunkleren Urben ab.

      Narthas erinnerte sich nur zu gut, als er die Klinge das erste Mal gesehen hatte. In Taarl, am Gürtel des Reichsverwesers Heinrich von Goldheim, der seinen damals neuen Herrn in Geiselhaft genommen hatte. Doch dies war lange her, und der alte Ritter war nun Teil der Geschichte geworden. Wanfried war die Gegenwart.

      Als der Ritter Narthas erkannte ritt er auf diesen zu und schwang sich einige Schritte entfernt ebenfalls aus dem Sattel, um auf den Khan zuzugehen.

      „Du hast ein beeindruckendes Heer gesammelt.“

      „Reiter des Herzogs ebenso wie freie Reiter auf der Suche nach ehrenvollem Kampf und reicher Beute.“, antwortete Narthas. In der Tat hatte er schon vor Monaten Boten in die Steppe geschickt, um weitere Kämpfer anzuwerben. Trotz der Niederlage wog der Namen seines Vaters noch schwer, und so hatten sie einige Stämme gewinnen können, sich ihrer Sache anzuschließen.

      „Werden wir nun gesammelt in die Peltamark reiten?“, fragte Wanfried. Die Peltamark lag zwischen den Steppen und dem Königreich Kargat. Wenn man die Alrinnen umging kam man unausweichlich in dieses Reich. Narthas wusste darüber nicht viel. Er hatte einige Berichte von Urben erhalten, die das Land bereits geplündert hatten. Die Burgen waren anscheinend mächtig und die Adeligen starke Krieger. Dennoch war das Land eher ärmlich. Also insgesamt kein lohnendes Ziel. Doch nun mussten sie eben durch die Peltamark, um dann Kargat von Osten anzugreifen. Im Idealfall zur gleichen Zeit, wenn die valorischen Truppen nach Süden stießen. Narthas hoffte, dass sie ohne Kampf durch die Peltamark ziehen konnten. Entweder weil man sich mit den Adeligen einigen konnte oder weil das Heer so groß war, dass diese sich vor Angst in ihre Burgen verkrochen.

      „Nein, wir reiten getrennt.“, sagte Narthas. Er zeigte auf die Weiten, die sich vor ihnen ausbreiteten. „Hier, mein valorischer Freund, hier in der Steppe ist der Tisch nicht so reich gedeckt, wie in deiner Heimat. Wir müssen mit Wasser und Vorräten haushalten. Ein großes Heer würde hier über die Zeit kläglich zu Grunde gehen. Hast du dich mal gefragt, wieso kein Kriegsherr die Schlachten in unsere Länder getragen hat? Dies ist der Grund.“

      Wanfried nickte verständnisvoll. „Ja, das ergibt Sinn.“

      „Die Stämme werden separat reiten, aber wir werden uns am Grenzfluss zur Peltamark wieder vereinen. Am oberen Lauf des Calas. Einige meiner Brüder berichteten mir, dass es dort eine Furt geben soll. Diese müssen wir finden.“

      „Ich werde an deiner Seite bleiben.“, stellte Wanfried fest. Narthas wusste, dass der Ritter offiziell mit ihm ritt, um die Krone Valoriens in jedweden Verhandlungen zu repräsentieren. Insgeheim hatte man ihm den Rethaner aber wohl auch als Wachhund zur Seite gestellt. Eine recht undankbare Aufgabe. Selbst wenn Narthas vorhätte, den Herzog von Tandor oder die Königin zu hintergehen, würde dieser eine Mann ihn davon nicht abhalten.

      „Ich werde dich nicht aufhalten.“, sagte der Khan und ging dann mit seinen Söhnen weiter ins Lager hinein, dass die Urben gerade aufbauten. Wanfried