J.D. David

Sternenglanz


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So viel hatte ihm sein Vater in der Zeit in der Steppe noch gelehrt. Dennoch war es eine Genugtuung zu erkennen, dass er richtig lag, als sie sich den anderen Reitern näherten.

      Es waren mittlerweile fast zwei Wochen vergangen, seit sie Taarl verlassen hatten. Der Trupp kam nur langsam voran. Der Winter hatte die Steppe noch fest im Griff, so brauchten sie jeden Tag viel Zeit, um Nahrung und Wasser zu besorgen, um ihre Vorräte nicht unnötig zu strapazieren. Doch Narthas war es recht, eher vorsichtig vorzurücken. Sie hatten ausreichend Zeit eingeplant, selbst wenn sie länger in der Peltamark aufgehalten werden sollten. Oder eben hier in der Steppe.

      Als sich die beiden Reiterhorden bereits gut erkennen konnten, hielten beide inne. Narthas gab das Signal, den Ritt zu unterbrechen, und drehte sich zu seinen Söhnen und Anführern. „Lokran, Zirgas, ihr kommt mit mir. Kirgesh, bleib mit Wanfried zurück. Wenn uns etwas passiert, tötet diese Bastarde. Und lasst sie den Tod spüren, wenn möglich.“

      Der ältere Sohn ritt wie geheißen nach vorne, während Kirgesh, der jüngere, ruhige Sohn nur schweigend nickte und dann zu Wanfried ritt, der erst mit den letzten Reitern aufschloss. Bevor der Ritter Narthas erreichte, hatte der Khan schon sein Pferd nach vorne getrieben. Er erkannte, wie sich auch aus der gegenüberliegenden Truppe drei Reiter lösten.

      Etwa zehn Schritte vor den anderen Urben stoppte Narthas sein Pferd. Er musterte seine Gegenüber. Es waren drei junge Männer, vielleicht in Lokrans Alter. Sie alle trugen die übliche Stammeskleidung der Urben, doch der Mittlere, wohl Älteste, zeichnete sich durch aufwändigeren Schmuck und Waffen aus. Der Khan des anderen Stammes.

      „Ihr steht im Weg.“, stellte Narthas kalt fest.

      „Ihr reitet durch das Land der Tarkach Urboi. Als deren Khan befehle ich euch: Kehrt um, wenn euch etwas an eurem Leben liegt. Du und deine Männer finden hier nur den Tod.“

      Narthas lächelte den Mann an. Dann erhob er seine Stimme, dass auch die Reiter hinter ihrem Anführer ihn hören und verstehen konnten: „Ich bin Narthas Khan, Sohn von Ikran, und Anführer der westlichen Urbenstämme. Wir ziehen in den Krieg, gegen das große Kaiserreich der Sonne im Süden. Für Ehre und Beute. Jeder Urbe, der eines Tages mit den Geistern der Steppe reiten will, soll sich uns anschließen, um Ruhm, Ehre, und Reichtum zu erlangen.“ Dann blickte er zu dem jungen Anführer des Stammes. „Und du, Junge, hütest deine Zunge, wenn du mit mir sprichst. Ein paar Reiter, die dir folgen, machen dich noch nicht zu einem Khan.“, antwortete er kalt. Narthas kannte den Stamm der Tarkach. Einst waren sie von Roxesh, einem Waffenbruder seines Vaters geführt worden, und auch in die großen Kriege mitgeritten. Doch anscheinend hatten einige Männer fliehen können, um den Stamm in Freiheit neu zu beleben. Vielleicht sogar Söhne des damaligen Khans.

      Der Angesprochene grinste Narthas an. Er trieb sein Pferd leicht mit den Hacken an und ritt auf Narthas zu. Sein Blick blieb auf dem Khan gehaftet, er fixierte ihn mit seinen dunklen Augen. Langsam umrundete er Narthas, der vollkommen ruhig blieb, und dem jungen Mann nur mit den Augen folgte.

      „Du bist also der Feigling und Verräter, alter Mann. Wir haben einen Boten von dir erhalten. An seinem Fleisch laben sich nun die Wölfe.“, antwortete der junge Mann, als er Narthas umrundet hatte.

      „Wie heißt der Mann, der mich beleidigt?“, antwortete Narthas ruhig.

      „Altan Khan, Sohn des Roxesh.“, antworte er, und hielt sein Pferd so nah an Narthas an, dass sich die Tiere fast berührten. Er blickte dem älteren Mann in die Augen. „Du bist Abschaum. An dem Tag, an dem du dich unterworfen und unser Volk in die Sklaverei geführt hast, hast du jegliche Chance vertan, mit den Geistern in die Unendlichkeit zu reiten. Also spare dir deine Reden, und verziehe dich zurück hinter die Steinmauern deines valorischen Herrn und Meisters.“ Mit den letzten Worten spuckte er auf Narthas und traf diesen an der Rüstung.

      Narthas blieb ruhig. Er blickte an sich hinunter, dann wieder hoch, und dem jungen Mann in die Augen. Doch dann ging es schnell. In einer schnellen Bewegung zog er seinen Säbel und führte einen seitlichen Hieb aus.

      Der Mann hatte den Angriff offensichtlich erwartet. Blitzschnell duckte er sich unter der Klinge hinweg und zog sein Pferd am Zügel, um eine bessere Position gegenüber Narthas zu gewinnen. Nun zog auch er seine Waffe aus der Scheide und führte einen kräftigen Hieb gegen Narthas aus. Als er den Hieb parierte, spürte Narthas die Kraft seines Gegners. Und sein eigenes Alter, das langsam begann, Tribut zu fordern. Doch für diesen Heißsporn würde es noch reichen. Denn seine Arroganz und Übermut waren die Schwächen des Feindes.

      Altan setzte seinem Gegner sofort nach. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass weder seine Brüder noch die beiden Männer des Khans eingreifen würden. Dies verlangte die Ehre. Ein Kampf Mann gegen Mann durfte nicht gestört werden. So intensivierte er seine Angriffe und führte sein Pferd gleichzeitig immer wieder um den Gegner. Er war stärker, schneller, und konnte sein Pferd besser führen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieser Kampf entschieden war.

      Narthas Erfahrung war sein eigentlicher Vorteil. Ein Hieb streifte ihm über die Wange, als er nicht weit genug nach hinten ausweichen konnte. Während sein Gegner eine Schwäche erwartete und sofort nachsetze, erkannte Narthas seine Chance, als dieser sich zum Angriff näherte. In einer schnellen Bewegung zog er mit der Linken seinen Dolch aus dem Gürtel und rammte dem Feind das Messer in die rechte Schulter.

      Altan schrie auf, ließ seine Waffe fallen. Den wütenden Schrei von Narthas nahm er kaum noch wahr, bevor dieser mit einem sauberen Hieb seines Säbels den Kopf des jungen Khans abtrennte. Die beiden Brüder von Altan wichen zurück, aber mit einem kurzen, ernsten Blick verhinderte Narthas, dass sie ihn angriffen. Dann wandte sich der Khan an Zirgas.

      „Zirgas.“, sagte er nur und nickte auf den Kopf des Unterlegenen. Der alte Gefährte grinste, sprang vom Pferd, hob den Kopf auf und warf ihn Narthas zu, nachdem dieser seine Klingen weggesteckt hatte.

      Narthas ritt langsam an den beiden Brüdern von Altan vorbei auf das Heer der Tarkach Urboi zu. Als er wenige Schritte vor den letzten Reitern hielt, ließ er seinen Blick schweifen, und versuchte möglichst vielen Männern in die Augen zu schauen. Dann warf er den Kopf des einstigen Khans auf den gefrorenen Boden der Steppe. Er zog den blutigen Säbel aus dem Gürtel und reckte ihn in die Luft.

      „Wer folgt mir?“, rief er laut.

      Speere, Säbel, Bögen wurden in den Himmel gereckt. Laute Rufe der Tarkach Urboi waren die Antwort. Während er nach außen sichtbar streng schaute, musste Narthas innerlich lächeln. Der junge Heißsporn war doch ein Glücksfall gewesen. Denn ihr Heer wuchs. Und in den Steppen gab es noch einige kleinere Stämme wie die Tarkach.

      Das Eis am Ufer brach krachend, als Narthas sein Pferd in die Furt führte. Sie hatten einige Zeit gebraucht, bis sie erst den Calas erreicht, und dann die Furt gefunden hatten. Aber nun schienen sie an einer Stelle angekommen zu sein, die ein sicheres Übertreten erlaubte. Selbst jetzt, im kalten Winter. Es würde noch einige Tage, vielleicht Wochen dauern, bis sie das Heer vollständig gesammelt hatten. Aber dann würden sie den großen Fluss überqueren. Auf der anderen Seite sah Narthas am Horizont bereits zwei Burgen. Die Peltamark. Land der Seen und Burgen. Es würde sich zeigen, ob deren Bewohner sie passieren ließen. Oder ob sie unklug handelten…

      Kapitel 5

      „Für den Frieden des Kaisers. Möget ihr eins mit Laëa werden.“ Die Worte des Dritten, der die Militärherrschaft über Fendheim ausführte, hallten über den Platz. Im nächsten Moment trat der Henker die Bank unter den Verurteilten weg. Die Stricke zogen sich stramm, während die Gehängten noch zappelnd versuchten, sich zu befreien. Doch es war vergebens. Einer nach dem anderen sackte schließlich leblos in sich zusammen und starb. Fünf Männer. Zwei Frauen. Ein Junge, vielleicht dreizehn, vierzehn Jahre alt.

      Berlan schaute nicht weg. Er betrachtete das Grauen, dass der Kaiser im Namen seines Friedens nach Kargat gebracht hatte, Berlans zweiter Heimat. Er hatte es schon damals erkennen müssen. Doch da waren es noch eher offene Schlachten gewesen. Nun verlagerte sich die Unterdrückung in die Städte und auf all jene, die sich gegen die kaiserlichen Besatzer aussprachen. Oder nur dessen beschuldigt wurden. Wie hier in Fendheim.

      Fendheim