Alessandra Grimm

Die Melodie in dir


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poetischen Ader heraus entstanden und mehr für einen Roman oder Songtext geeignet als für einen Artikel. Am Ende hatte sie sich aber bekanntlich für die Aufnahme dessen entschieden. Es wunderte sie daher nicht sonderlich, das Ben sie ausgerechnet darauf ansprach und auf ein persönliches Treffen bestanden hatte. Simon hatte recht, dass wäre kein Punkt gewesen, den man eben schnell im Chat hätte besprechen können. Zumindest schätzte sie Ben so ein, dass seine Auffassungsgabe nicht die beste war und sie einige Erklärungsansätze machen müsste. Manchmal musste sie einfach Simon bedingungslos vertrauen.

      „Naja, es ist mit Melodie in dir vielleicht etwas zu literarisch ausgedrückt, aber im Prinzip kannst du das mit deiner inneren Stimme gleichsetzen.“ Ben zog die Augenbrauen zusammen. Ich habe es geahnt, dachte sich Mia und ignorierte ihr inneres Augenverdrehen und versuchte einen anderen Erklärungsversuch. „Ich meine damit, dass du noch nicht dich selbst gefunden hast. Versteh mich nicht falsch. Ich bin überzeugt davon, dass man sich sein Leben lang irgendwie findet und immer wieder neue Seiten an sich kennenlernt, aber du hast noch nicht das gefunden, was du den Leuten mit deiner Musik erzählen willst.“

      „Aber das wird doch in den Songtexten klar, was ich erzählen will.“

      Mia schüttelte den Kopf. „Wird es nicht. Die Musik ist nicht schlecht, aber ein Song von euch ging über das morgendliche Haarewaschen. Das mag vielleicht ganz amüsant sein, aber die restlichen Songs waren leider auch nichts Neues. Ich hatte einfach an dem Abend das Gefühl, dass ihr nicht wisst, was ihr für eine Botschaft ihr den Hörer mitgeben wollt.“

      „Was meinst du denn mit Botschaft?“, Bens Stirn legte sich in tiefe Falten.

      „Na, willst du deinen Zuhörern nichts mitteilen?“

      „Doch, natürlich. Dafür schreibe ich ja die Texte.“

      „Ja, aber sie sind so generisch. Weißt du, ich kenne dich nicht, aber es kam wenig Emotion an dem Abend rüber und auch wenn die Texte von dir stammen, habe ich nicht das Gefühl, dass sie wirklich das wiedergeben, was du denkst. Das meine ich mit Melodie in dir. Da schlummert etwas, was raus möchte, aber entweder du lässt es nicht zu oder du suchst es noch im Labyrinth deiner Seele.“

      „Meine Güte du bist wirklich Autorin.“, sagte er zögerlich lachend. „Was meinst du?“, fragte Mia und schenkte ihm einen grimmigen Blick, wegen seiner für sie wirkenden Belustigung. „Na, das was du eben gesagt hast. Das Labyrinth meiner Seele. So poetisch redet doch kein Mensch.“, antwortete er, klatschte mit der Hand auf den Tisch und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Mia presste genervt die Lippen aufeinander. „Stört dich das etwa?“, säuselte sie und in ihrer Stimme war ein zickiger Unterton zu vernehmen.

      „Das wollte ich damit nicht sagen. Ich stelle nur fest, dass du Talent hast und definitiv schreiben solltest.“, antwortete Ben und versuchte die drückende Stimmung damit etwas aufzulockern. Er bis sich verlegen auf seine Unterlippe und maßregelte sich innerlich. Er wusste nicht warum, aber er wollte ihr irgendwie gefallen.

      Mia errötete leicht und bedankte sich, während sie ihren Kopf senkte und in ihre leere Tasse starrte. Ben beugte sich vor und stellte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Okay, also du sagst meine Musik ist gut, aber dass ihr Authentizität fehlt. Richtig?“ Überrascht darüber, dass Ben Richter das Wort Authentizität kannte, nickte sie. „Jetzt macht deine Kritik für mich auch mehr Sinn. Damit kann ich arbeiten.“

      Das konnte er tatsächlich. Wenn für sie die Lieder nicht authentisch wirkten, klangen sie für sie auch farblos. Das konnte er ihr nicht absprechen. Sie war mit ihrer Kritik tatsächlich ehrlich mit ihm ins Gericht gegangen. „Nur, wie mache ich meine Musik authentischer?“, fragte er, mehr an sich selbst gerichtet als an Mia. „Ich bin keine Musikerin, aber vielleicht musst du einfach dein Gefühl zulassen und es vollkommen spüren. Vielleicht hilft da Meditation, oder so was in der Art. Ich glaube da kann dir Simon besser helfen als ich.“

      „Ja, das mache ich vielleicht. Aber du kannst mir trotzdem noch helfen.“, er sah ihr in die Augen und lächelte sie schief an.

      „Wie sollte ich?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn.

      „Du kannst einschätzen, ob meine neuen Songs authentisch sind, oder nicht.“

      „Dafür müsste ich sie ja hören.“, sagte sie auf eine Art und Weise, als ob dieser Punkt ein Akt der Unmöglichkeit wäre.

      „Ich kann sie dir ja vorspielen, wenn ich sie fertig habe. Du wärst dann quasi mein Testpublikum.“

      „So? Warum denn ausgerechnet ich?“, fragte Mia und zeigte mit ihrem Zeigefinger auf sich selbst.

      „Weil du anscheinend die einzige ehrliche Person in meinem Umfeld ist, die mir direkt ihre Meinung sagt. Oder du bist einfach mein größter Kritiker auf Erden.“ Mia lachte bei diesem Satz und Ben stieg mit ein. „Du wärst mir auf jeden Fall eine große Hilfe.“

      „Was hätte ich denn davon?“, fragte sie neckisch. Ben überlegte kurz und ging verschiedene Möglichkeiten durch. „Hmm, eine festgelegte Anzahl an Kakaos im Eiscafé Georgio?“ Mia schüttelte energisch den Kopf. „Ich werde im Gegenzug dein Testleser?“ Mia schüttelte erneut den Kopf und lachte dabei. Sie sagte noch etwas wie, nie im Leben und dass nicht mal Simon ihre Texte gelesen hatte. „Ich hab’s. Wenn ich meine Melodie in mir gefunden habe, so wie du es nennst, dann schreibe ich einen Song für dich. Ich kann dann auch gerne deinen Namen einbauen. Ich nenne ihn Für Mia oder so.“

      Mias Mund stand leicht offen, als sie ihn verblüfft anblickte. Ben beugte sich ein Stück weiter zu ihr vor. „Das ist die größte Ehre, die ein Musiker jemanden machen kann.“ Seine braunen Augen sahen sie durchdringend an. Mias Herz schlug einen Takt schneller. Er würde ihr einen Song schreiben. Ausgerechnet ihr? Nicht mal Simon hatte für sie jemals einen Text geschrieben. Ein kribbelndes Gefühl machte sich in ihrer Magengegend bemerkbar, welches sie vorher noch nie wahrgenommen hatte. Oder war es bisher noch nie in ihr aufgekeimt? Obwohl das Angebot etwas kitschig klang und sie bei dem Titel Für Mia direkt an den Hit von Yvonne Catterfeld denken musste, antwortete sie kleinlaut: „Okay.“ Ben lächelte. „Dann haben wir einen Deal.“, er hob seine Tasse und ermutigte Mia, mit ihn anzustoßen.

      Kapitel 7

      Simon saß auf Mias Bett und blätterte in der neuesten Bravo. „Dass du die immer noch liest.“, sagte er und warf sie beiseite. „Ach, manchmal sind da gute Interviews drin.“, antwortete Mia. „Du willst doch nur die hübschen Kerle betrachten.“, sagte er neckisch.

      „Genau, das ist meine größte Intention. Wo soll ich sonst süße Jungs sehen? Gibt es bei uns auf der Schule ja nicht.“ Simon warf ihr ein Kissen ins Gesicht. „Blöde Kuh!“, sagte er und grinste herausfordernd. „Ich fange keine Kissenschlacht mit dir an.“, ermahnte Mia ihren besten Freund. „Ist ja schon gut.“, antwortete Simon und fing das Kissen gekonnt auf, welches Mia ihm zurückwarf. „Wie war es mit Ben?“, fragte er.

      „Ganz gut. Er hat meinen Einwand verstanden und nimmt die Kritik tatsächlich ernst.“

      „Hattest du etwa Zweifel daran?“, Simon legte sich auf den Bauch und legte das Kissen darunter.

      „Natürlich hatte ich Zweifel daran.“, antwortete Mia mit höchster Selbstverständlichkeit.

      „Mia, du musst aufhören Menschen vorschnell zu verurteilen. Du hast ihn an einem Abend kennengelernt, wo sich alle in einer Band cool vorkommen. Triffst du auf unsere Spezies ohne Auftritt, sind wir ganz anders.“

      „Du bist nie anders.“, entgegnete sie.

      „Nur vor dir nicht.“, antwortete er. „Ben kam auch auf mich zu und hat mich tatsächlich um Hilfe gebeten. Du hast es ihm wohl geraten.“

      „Ja. Wie er das in die Songtexte einflechten kann, was er wirklich fühlt. Da konnte ich ihm keine Antwort zu liefern.“

      „Jaja. Ich glaube immer noch, dass du die Musik gar nicht so schlecht fandest und einfach nur persönlich von seiner Art angefressen warst.“ Mia warf sich neben ihrem Freund aufs Bett. „Hör auf mir das ständig zu unterstellen.