Danny Fränkel

Soladum - Suche des Sonnenpatrons


Скачать книгу

– soweit ich die Mittel aufbringe – in die Tat umzusetzen.“ Da hob er den Finger. „Um solche Aufgaben zu meistern, musst du aber Hilfsgeister im Jenseits aufspüren. Ohne sie nimmst du nie Kontakt zu den Oberweltmächten auf.“

      Thomas versuchte ein Schielen zu unterdrücken. Seine Gedanken rasten. „Klingt ja interessant. Aber was hat das alles“, und zeigte auf das angelehnte Breitschwert, „mit Kämpfen zu tun. Ich begreife nicht mal, wozu ich mich ausbilden lasse. Zu welchen Zweck?! Verrate es mir, du Geheimniskrämer!“

      Statt rot anzulaufen ließ Laudanius den Kopf fallen. „Na schön.“ Er musste die Hintergründe seiner Anwesenheit erfahren, bevor er sich weigern würde, das Schwert in die Hand zu nehmen.

      „Soladum“, und breitete die Arme zu beiden Seiten aus, „ist gewaltiger als dieser Flecken zwischen Gebirge und Ozean.“ Rasch steckte er den Finger in den Sand und zog eine Elypsenlinie. „Es gibt etliche Welten, die durch Pforten verknüpft sind – nicht nur physisch. Soladum, deine Erde und weitere Welten synchronisieren miteinander. Geht es der einen schlecht, werden auch andere in Mitleidenschaft gezogen; ebenso wie wenn eine Welt aufblüht. ‚Uns’ geht es seit zwei Jahrhunderten ‚miserabel’.“

      Thomas überlegte scharf. „Da begann bei uns die Industrialisierung ... und Umweltzerstörung.“

      „Gut geschlussfolgert. Eure Welt platzt vor Kapitalausbeute – oder wie ihr das nennt – aus den Nähten. Bald sind alle Rohstoffe auf eurem Planeten ausgebeutet. Darum muss sich etwas verbessern: In meiner oder deiner Ebene.“

      Thomas grinste bitter. „Daran glaube ich kaum.“

      Laudanius tippte barsch auf den Kreis vor sich. „Bei euch vielleicht“, und zeichnete eine einnehmende Landmasse darin ein. In der rechten, unteren Kante zog er Gebirgsgrate, aber ließ die unterste Ecke frei. „Dieser winzige Fleck ist unser Lager, umschlossen vom Definio-Gebirge.“ Dann zog er eine Schlängellinie von der östlichen Küste ins Landesinnere. „Das ist der Salmus-Meeresarm. Darüber erstreckt sich ein mächtiges Kiefernwaldgebiet bis zur Nordküste.“ Diese Küste wirkte wie abgehackt – als fehle ein Stück Land. Laudanius kratzte ein weiteres, kleines Gebirge an der Nordküste ein. „Hier hinein fließt der sich teilende Fluss Galonges ins … Meer.“ Eine weitere Linie zweigte sich südlich des Gebirges zu zwei weiteren. „Bis zur oberen Hälfte Soladums ist alles Ödland. Nach Süden zu folgt vorwiegend Steppe und“, wobei er seine spröden Lippen befeuchtete, „Ödland.“ Plötzlich zeichnete er von der mittleren Westküste aus eine starke Linie nach Südsüdost, bis sie vor der Südküste zu einem gewaltigen Rund anschwoll. „Er hat beinahe die halbe Größe vom Definio-Gebirge: Der Crudus-See; ungenießbar. In ihn mündet das Salzwasser des Ozeans. Über dem See“, und drückte einen dicken Punkt in den Sand, „liegt die ehemalige Imperialstadt unseres Landes.“

      „Warum ehemalig?“

      „Erfährst du früh genug.“

      Thomas beugte sich näher an die Skizze. „Was liegt westlich des Zuflusses?“

      Plötzlich zerschnitt der Alte mit der Hand wirsch die Luft. „Lasse mich ausreden!“ Sein Blick legte sich träge auf die von Thomas betrachtete Fläche. „Dort liegt der Rombos-Vulkan, auf den nur Dämonen oder Lebensmüde einen Fuß setzen.“

      „Wegen der Ausbrüche?“

      Laudanius zögerte. „Wie du sagst.“

      „Noch einige astrologische Feinheiten: Nach dem Ozean folgt ein Abgrund in die Unterwelt.“ Thomas zuckte auf. „Richtig gehört. Soladum ist eine ‚Scheibe’. Was glaubst du, woher eure Mittelalter-Theorie stammt.“

      Thomas aber wölbte sich der Magen. Er wollte nichts mehr über diese Welt wissen.

      „Wie du bestimmt bemerkt hast, umkreisen drei Monde unsere Scheibe.“ Ganz langsam wurde Laudanius’ Blick leer. „In Soladum gab es einst keine Schatten, da zwei Sonnen gegenständig zueinander schienen, und immer zeitgleich am Horizont verschwanden. Das Klima war mild, der Himmel klar und mit Feuchtigkeit spendenden Nebelbänken bedeckt.“

      „Kann das Wetter sich derart ändern? Was ist … mit der einen Sonne passiert?“

      „Das ist der Knackpunkt, Thomas.“ Der Alte hob ruckartig den Kopf. „Unsere Welt wurde bis vor zweihundert Jahren von einem gottgleichen Wesen regiert, das wir ‚Sonnenpatron' nannten. Es besaß die Gabe, die Ordnung zwischen den Menschen zu wahren – allein durch seine lebensfrohe Mentalität. Sein allabendlicher Singsang drang über den ganzen Kontinent. Er konnte alles, wozu wir Schamanen auch in der Lage waren; nur weiträumiger. Mit dem Sonnenpatron war unser Dasein gesegnet. Es gab kaum düstere Tage, bis …“

      „Bis was?“ Thomas’ Interesse an Soladum flammte wieder auf. „Vor zweihundert Jahren ...?“

      Laudanius’ Kopf fiel auf die Brust, wobei er laut schnaubte. Die Erinnerung nagte schmerzhaft. „Vor zweihundert Jahren tauchten Kreaturen in unserer Welt auf: Drei Flüchtlinge mit großer Macht. Sie wollten den Sonnenpatron stürzen und das Land ausbeuten. Sie lotsten hunderte Dämonen in unsere Welt und verdrängten unseren Bauern- und Nomadenstaat. Da sie die Hitze der zwei Sonnen nicht ertrugen – und um den Sonnenpatron zu schwächen –steuerten sie einen Mond aus unserem Sternsystem aus der Bahn und schoben ihn mit gleicher Ellipse vor die südliche Sonne. Seither spielt unser Wetter verrückt und es gibt abnormale Naturkatastrophen. Genauso trockneten die Böden aus. Dieses Ungleichgewicht opferte über die Hälfte unserer Bevölkerung! Unser Blut wird sich nie daran gewöhnen. Dafür blühte das Heer der drei Bestien auf.

      Bald beherrschten Fehden das ganze Land, auch von Mensch zu Mensch. Der Sonnenpatron verzweifelte mit dem Chaos und wurde so schwach, dass er die Angriffe nicht mehr aufhalten konnte. Knapp zehn Jahre nach dem Erscheinen der Bestien stürzten sie den Sonnenpatron und ernannten sich zu den Dominantoren – den ‚Allmächtigen’ Soladums. Seitdem beherrscht Tyrannei unser Land. Alles wird überwacht, außer abgelegene Orte.“ Er hob die Hand. „Wie auch das Definio-Gebirge und die Wüste hier. Seit dem Schreckensbeginn ist dies meine Zuflucht.“

      „Haben die Dominantoren den Sonnenpatron getötet?“

      Der Alte zuckte mit den Schultern. „Einige meinen Ja. Andere, dass der Sonnenpatron ihnen entkommen sei und sich verbirgt. Auch ich vertrete diese Meinung. Denn wenn ein Sonnenpatron stirbt, legen sich seine Energien spürbar über unsere Scheibe. Das ist damals nicht eingetreten.“ Er hob den Finger. „Außerdem wollten sie seine Macht einsaugen, um alle zu erreichenden Dimensionen einzunehmen; auch eure Erde. Das ist bis heute nicht passiert.“

      Thomas grübelte kurz nach und hob abrupt den Kopf: „Wieso hast du mich nun hierher gelotst? Soll ich die drei Irren mit ein paar Geistern und Heilmethoden aufhalten?!“

      „Nein!“, rief der Alte barsch, um anschließend ein Grinsen aufzusetzen. „Natürlich muss jemand diese Tyrannen vertreiben. Dazu ist nur der Sonnenpatron fähig, wenn er sich wieder gestählt hat. Dir soll die Aufgabe zuteil werden, die ich die Hälfte meines Lebens zubrachte.“

      Thomas fielen die Kiefer auf. „Was? Ich soll doch nicht diesen Sonnenpatron finden?!“

      Laudanius schnippte die Finger. „Dafür will ich dich ausbilden. Die Schamanen und der Sonnenpatron entstammen der gleichen Ader. Wir sind miteinander verknüpft, durch Ober- und Unterwelt. Kein anderer als ein Schamane wäre dazu fähig.“

      Thomas' Herz klopfte. Hastig sprangen seine Blicke über die Karte im Sand. „Wenn er stark genug ist, warum handelt er nicht selbst? Was würde es bringen, den Sonnenpatron zu finden?!“

      Laudanius hasste solche Fragen und wurde lauter: „Er soll nur durch den Verlust seines Gedächtnisses entkommen sein. Jemand muss ihm seine alte Bestimmung vor Augen führen.“

      „Und wo soll ich suchen?!“

      Laudanius legte einen Finger quer über die Skizze. „Ich habe sämtliche Winkel unterhalb der Linie durchforstet, ohne fündig zu werden. Ich hoffe, du bestreitest die obere Hälfte – mit Erfolg.“

      Entsetzen erhitzte sein