Danny Fränkel

Soladum - Suche des Sonnenpatrons


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hast mir diese Hexerei eingeflößt. Ich bin keiner von euch!“

      „Das wird sich herausstellen.“ Laudanius verwischte die Karte. „Nenne mir die Aufgaben des Schamanentums. Danach ist Schluss für heute.“

      Thomas fletschte die Zähne, doch versuchte er sich zu beruhigen. Leider war ihm alles wieder entfallen. Seine Stirn kräuselte sich vor Anstrengung.

      „Man nennt unser Gruppe auch ‚Träumer’. Und du bist der Unfähigste! Merkst du dir überhaupt was?!“

      „Jetzt reicht’s!“ Thomas sprang auf und stampfte davon. „Rette deine Welt allein! Ich lass' mich nicht beleidigen; nicht von dir … Alter!“

      Verspannt sah er dem Flüchtenden nach, wie er die Plane zu seinem Zelt aufriss und verschwand. Als von Innen ein langer, tiefer Schrei das Fell wellte, schrak Laudanius zusammen.

      „Zweiundfünfzig! … Dreiundfünfzig! … Vierundfünfzig!“, keuchte Thomas, bevor er von den Liegestützen zu Boden sank. Seine Schläfen pulsierten. Der Atem schlug ihm heiß ins Gesicht zurück.

      Wütend sprang er auf, um am Boden einige Rumpfbeuge zu heben. Da trat behutsam Laudanius herein. Seine leichte Furcht verwandelte sich zu Staunen.

      Während der Alte ein abfälliges Schnauben hörte, hob er die Hände. „Ich weiß, dass solche Bürden schwer zu tragen sind. Eins aber solltest du wissen, bevor du mich verabscheust.“

      Thomas sprang wieder auf und hob die Arme, um die Finger stetig zu den Fußzehen zu strecken.

      „Hör auf!“, rief Laudanius. Derartige Ignoranz war ihm sein ganzes Leben nicht untergekommen. „Höre mir zu.“

      Endlich hielt Thomas inne und starrte ihn grimmig an.

      „Sei gewarnt. Atme durch und verarbeite es …“

      „Worauf willst du hinaus, Alter.“

      Laudanius legte den Kopf auf die Brust. „Dann eben so“, und starrte ihn an. „Eigentlich hättest du bei deiner Geburt sterben müssen.“

      „Was?!“, keuchte Thomas verwirrt.

      „Deine Seele wäre nach dem Erdentod bei einer Tiermutter – hier – im Soladischen Jenseits aufgezogen und – in Soladum – als Schamanenkind wiedergeboren worden. Eure Ärzte haben zu gute Arbeit geleistet.“

      Thomas schnaubte. „Bestimmt war es besser so, dass ich auf der Erde blieb!“

      Laudanius schüttelte den Kopf. „Ach ja? Denke nach: Hättest du nach der Schule eine erstrebenswerte Bestimmung gehabt, Aussichten für das spätere Leben? Antworte mir ehrlich.“

      Bevor sein Schüler innerlich zu kochen begann, schnaubte er durch zusammengebissene Zähne: „Eben nicht. Mir fehlte der Plan.“

      „Warum denkst du, ist das so? Du bist bestimmt, Schamane zu sein, in dieser Welt. Auf Erden hättest du nie eine Zukunft aufbauen können, egal, wie stark du dich angestrengt hättest. Wie letzteres Geschehen beweißt.“

      Thomas’ Züge erschlafften. ‚Auch ohne die Magie dieser Welt hätte ich Schulz umgebracht? Vielleicht hätte ich mich auch nie von den Schrammen erholt?!’ Sein drangsalierter Arm schmerzte heute noch, wenn er ihn hob.

      Laudanius sorgte sich um etwas anderes. „Da du leider keine Tiermutter hattest, fehlt sie dir nun als erster Schutz- und Hilfsgeist. Dir würden die Jenseitsreisen besser von der Hand gehen. Du trägst eine schwere Bürde, Thomas. Aber sobald du den ersten auf deine Seite ziehst, gelingt dir jeder Schritt besser.“

      „Dennoch ist diese Reise Selbstmord!“

      Da begann der Alte aufzulachen. „Nicht unbedingt. Ein Vorteil birgt deine Mutterlosigkeit: Dir fehlt das Schamanen-Mal.“ Er krempelte den Ärmel hoch und zeigte ihm ein Zeichen am Ellbogen, dass einem Angelhaken ähnelte. „Auch verdeckt würden es die Dominantoren von weit her orten. Ohne das Mal öffnen sich dir Möglichkeiten, die anderen Magiekundigen verwehrt bleiben. Denke darüber nach, Thomas. Diese Reise ist kein Selbstmord, sondern machbar. Dein Temperament wird dich unterstützen – glaube mir.“

      Bevor er alles verarbeiten konnte, wandte Laudanius ihm den Rücken zu. „Vergiss nicht: Du bist die einzige Hoffnung, dass Soladum wieder aufblüht“, und verschwand hinter der Plane. So ließ er Thomas allein mit seinen Gedanken.

      Kapitel 4

      Albträume

      Neben ihm plätscherte der Fluss in geschwungenen Schleifen. Der Eichenwald, der sein Zelt seit dieser Nacht umgab, ließ Laudanius hoffen. Mittendrin atmete er die moosige Würze der Erde ein und lauschte dem Rascheln der Blätter. Selbst einige grün und goldbraun schimmernde Libellen surrten an ihm vorbei.

      Plötzlich spürte er den kühlen Windhauch durch sein Haar streifen, gemischt mit der Wärme der Wüste. Trotz des Widerstrebens des Jungen und seines Egoismus’, entfachte sein Adept das Temperament dieses Landes von neuem. Laudanius öffnete die Augen und schritt an einen Eichenast und strich sanft über eine Knospe, um einen klaren Tautropfen aufzunehmen. Er schmeckte süß.

      Da schlug der Geschmack plötzlich ins Bittere um. Das Baum-Geäst begann sich zu schütteln und bog sich unter nicht vorhandenem Wind. Bog sich und knarrte, bis die Krone mit einem Hieb den Boden berührte!

      Laudanius sprang erschrocken zurück, als der Stamm über den Grund fegte und ihn beinahe traf. Dann bildeten sich ein Mund in der Rinde und aufbrechende Augen darüber, die ihn zornig anstarrten. Ein knackendes Gebrüll der Eiche stieß sich in Laudanius Ohren. Er krümmte sich, während er tief ein- und ausatmete. Was er da sah, war allein die Reflexion aus einer anderen Welt. In Soladum war es ein harmloses Trugbild.

      „Wie hältst du das nur aus?!“, rief der heran kommende Thomas über das Brüllen und Knacken von Geäst hinweg.

      „Weil es dir keinen Schaden zufügen kann“, antwortete Laudanius ruhig, ohne sich umzuwenden. „Nicht auf dieser Ebene.“ Dann tastete er am Gürtel herum, kramte in einem befestigten Säckchen und warf ein Pulver zur bebenden Eiche. Abrupt verwandelte sie sich zum stillen Baum zurück.

      Als der Mentor sich aber zum Adept wandte, riss er die Augen auf, keuchte und lief rot an. „Was hast du getan?“

      Thomas kratzte sich am morgens kahl geschnittenen Kopf. „Es hat gejuckt.“

      „Du bist des Teufels, Junge!“ Laudanius fuhr sich angestrengt durchs Gesicht. „Das Haar ist für uns Schamanen heilig, da es die meisten Vitalkräfte besitzt. Es sollte nie geschnitten werden! Und du scherst es ab?!“

      „Soll ich etwa herumrennen wie du?“, wobei er auf Laudanius’ lendenlangen, silbrigen Zopf deutete.

      „Du begreifst den Schamanismus wohl nie?“, und strich seinen Arm durch die Luft. Rasch beruhigte er sich. ‚Aus jedem Fehler lernt er.’ „Egal nun, jetzt lässt du es eben wachsen. Bürste es jeden Tag durch, dann vergeht das Jucken. Wir haben uns vorzubereiten.“

      „Auf was?“

      „Du wirst dich wieder in die Oberwelt begeben. Ohne einen Hilfsgeist können wir mit der Ausbildung nicht fortfahren.“ Er hörte Thomas’ Grunzen. „Ich weiß … aber wenn du ihn gefunden hast, fällt dir alles leichter.“

      „Das sagst du jedes Mal!“

      Sein Mentor wandte sich zu dem Jurtenzelt inmitten der wehenden Eichen. „Lasse uns endlich beginnen.“

      Thomas folgte ihm lahmen Schrittes. Als er das Zelt betrat, stach ihm beißender Weihrauchgeruch in die Nase.

      In der Mitte ragte ein mächtiger, kahler, aber mit Rinde versehener Lärchenstamm bis zum Deckenabzug. Drum herum standen kleine Holzfiguren (Elche, Eulen, Otter, Fuchs und Rene), die Hilfsgeister darstellten. Etliche Decken waren ausgebreitet. Einiges an Schamanenwerkzeug lag darauf.

      Der Alte setzte sich im Schneidersitz davor und nahm eine mit Dellen verzierte, vergilbte Handtrommel mit Stößel. „Setze