Danny Fränkel

Soladum - Suche des Sonnenpatrons


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dass ihr gekommen seid. Ohne eure mitgebrachten Mittel, stünden Thomas und ich jetzt planlos da.“

      Cheviot zog ein Lid hoch. „Vergeudet nicht alles für heiße Luft. Ich habe lang gesucht, bis ich alles zusammen hatte.“

      „Dafür zolle ich euch auch meinen Respekt.“

      „Ist doch selbstverständlich“, meinte Achim.

      „Ach ja?“, erwiderte Cheviot. „Die Ausbildung des Bengels soll die Zukunft unseres geschundenen Volkes bestimmen. Da darf nichts vergeudet werden oder schief laufen. Die Tyrannei muss ein Ende nehmen!“

      „Bräuchte mein Stamm mich nicht ständig“, seufzte Achim, „würde ich Thomas auf seiner Suche begleiten.“

      Cheviot lachte auf und schielte zu Thomas’ Mentor. „Wie ich Laudanius kenne, schaffen die das schon. Wir beide kennen uns lang genug, um zu wissen, wer der Stärkere ist.“

      „Übertreibe nicht.“

      Auch Achim stimmte ein: „Doch, doch. Zu Soladums Blütezeit nannte man dich nicht umsonst ‚Begehrtester Schamane, neben dem Sonnenpatron’. Weißt du noch, wie dich manche mit ihm gleichgesetzt und verwechselt hatten?“

      Thomas wurde stutzig. „Darf ich fragen, wie alt ihr seid?“

      „Zweihundertdreißig“, sagte Achim.

      Cheviot: „Etwas über Dreihundert.“ Bevor Thomas keuchen konnte, drehte Cheviot sich Laudanius zu: „Allein dein Ehrgeiz hat mich und andere zum Schamanismus bekannt: Vom armen Bauernsohn, der nach Höherem gestrebt hat, als sich auf dem ertraglosen Feld abzumühen. Damals gab es wenigstens noch in jedem Dorf einen Stammes-Schamanen, bei dem du lerntest.“

      „Was heute kaum mehr möglich ist“, seufzte Achim.

      „Ja, ja“, schnaubte Laudanius gereizt. „Gelernt, zu oft gebraucht, zu viel umhergezogen.“

      „Und allerhand erlebt“, hob Cheviot mit dem Finger hervor. „Die Strapazen haben sich gelohnt – nicht? Erst Sonnenpatrons-Vasall, dann sogar Schwager ...“

      „Schluss!“, schnitt Laudanius mit einem Handwisch das Wort ab. „Wir sind nicht zum Schwärmen hier, sondern einer Aufgabe Willen“, und sah zu Thomas. „Seiner Aufgabe. Morgen will ich eine ‚Voraussicht’ praktizieren, da ihr hier seid. Ich muss wissen, was die drei Dominantoren zukünftig vorhaben. Das wird Thomas von Nutzen sein. Material haben wir ja nun.“

      „Morgen ist morgen“, meinte der gähnende Achim, verschränkte die Arme hinterm Kopf und streckte die Beine. „Hier stört uns keiner. Ich habe die Anspannung der letzten Jahre satt. Lasst uns musizieren … tanzen … singen!“

      „Oder etwas spielen“, stimmte Thomas mitgerissen ein.

      „Was hast du anzubieten, als Kinderkram?“, fragte Cheviot bissig.

      „Kennt ihr Pasch?“

      Die beiden Ältesten blickten sich verdutzt an. Dafür rief Achim: „Die Wette gilt“, kramte drei Würfel aus einem Gürtelsäckchen und warf sie in den leeren Weinbecher. „Gut, dass ich gern im Traum durch eure Welt schleiche. Da entdeckt man einiges“, und schüttelte.

      Nachdem sie den Älteren nebenbei das Spiel und die Einsätze erklärten, wurde der Abend recht lustig; schon da Laudanius – nach Achims Aufforderung – einen wackeligen Handstand auf dessen Zeremonialstab hinlegte. Selbst die verdrängten Schutzgeister schienen zu lächeln.

      Thomas spürte, wie sich die alte Sehnsucht stillte. Doch er wusste: Der Abend währte. Der kommende Tag würde ernst genug beginnen.

      „Stehe auf, Junge.“

      Thomas erschrak beim Anblick von Cheviots Narbengesicht. Prompt war er wach. „Was ist los?“

      „Langschläfer sind keine gewissenhaften Schamanen. Merke dir das.“ Er wandte sich wieder zum Zeltausgang. „Wir erwarten dich zum Zenit vor Laudanius Jurte. Sei pünktlich. Es gibt allerhand vorzubereiten.“

      Cheviot trat bereits hinaus. Thomas war die Lust am Aufstehen vergangen. Er wälzte sich noch dutzende Male hin und her. Einschlafen konnte er nicht mehr. Seine innere Unruhe zwang ihn auf.

      Etwas verspätet erschien er vor der Jurte. Zu seiner Verblüffung saßen die Schamanen noch im Kreis und aßen Suppe, die über dem Feuer köchelte. Cheviot schüttelte schlürfend den Kopf.

      Zwischen Achim und dem grimmigen Laudanius (der eine Bemerkung unterdrückte) setzte er sich und schöpfte einen Becher voll. Kaum hat er gekostet, hüpften seine Geschmacksnerven. „Hühnerbrühe?“ Er hatte die Deftigkeit des Fleisches bereits vergessen. Welch Genuss.

      „Etwas ähnliches“, antwortete Achim. „Ein Präsent von den ‚Vado-Seen’. Eher etwas Fischiges.“

      „Sage doch gleich“, paukte Cheviot heraus, „ein Wasserdämon.“

      Kurz verging Thomas der Appetit. Dafür nahm er sich danach sogar eine zweite Schale. Wie lang hat er das wenige Brot und Grün gegessen, was hier wuchs?

      Vom Mahl gestärkt, begannen die Vier Laudanius’ Zelt auszuräuchern. Jeder Winkel roch schließlich leicht bitter nach Margarite. Die kamillenähnlichen, großen Blüten wurden auf dem ganzen Boden verteilt. Einige Kerzen flackerten am Weltenbaum. Vier volle Wasserschalen standen darum.

      „Vor der Voraussicht“, sagte Laudanius, „muss ich Thomas einiges erläutern. Wartet bitte draußen auf uns.“ Er zog seinen Schützling beiseite, während die beiden das Zelt verließen.

      Bevor Thomas schnauben konnte, hob er eine Braue. Laudanius’ Gesichtszüge wurden schlaff. Er fuhr sich zitternd über das Gesicht, schloss kurz die Augen und öffnete sie nur halb. „So stark ich es versuche, zu verdrängen, fällt mir jeder Tag schwerer.“

      Das wunderte Thomas nicht. Der Mann wird auch einmal alt.

      „Meine Zeit kommt. Ein Traum hat es mir prophezeit. Darum habe ich Achim aufgetragen, dass er deine Ausbildung bei seinem Stamm weiterführt.“

      Das Herz des Adepten klopfte stärker denn je! Mit Achim kam er besser zurecht. „Wie lang wollen die beiden bleiben?“ Er brannte darauf, von diesem hoffnungslosen Ort zu fliehen.

      „Drei, vier Tage wohl. Sonst hätten sie alles umsonst mitgebracht. Vorher“, Laudanius drehte sich zum Lärchenstamm, betastete ihn … und nahm ein Stück Rinde ab, „muss ich dir etwas geben – so schwer es mir auch fällt.“ An der Stelle, die zuvor verdeckt wurde, klaffte nun ein Loch. Heraus zog Laudanius etwas goldig Schimmerndes. Kaum drehte er sich um, musterte Thomas einen Armreif mit verschiebbarer Lasche an der Seite.

      „Es ist nicht das Gold, was daran wertvoll ist, Thomas. Dies ist der Armreif des Sonnenpatrones. In ihm schlummert ein Großteil seiner Macht, sein Wissen – ja, sein ganzes Lebens.“ Er legte Thomas die Hand auf die Schulter. „Du bist der Richtige, es ihm zu überreichen. Allein mit dem Reif gewinnt der Sonnenpatron seine verbannte Erinnerung und Stärke zurück.“ Warnend hob er den Finger. „Führe ihn versteckt und immer mit einem Auge darauf mit dir. Wenn er dir gestohlen wird, stehle ihn dir zurück. Beschütze ihn mit deinem Leben. Zeige ihn niemandem! Und das wichtigste: Lege ihn selbst nie an!“

      „Wenn doch?“, schnaubte Thomas grimmig.

      „Ansonsten wirst du zerfetzt und sämtliche Dimensionstore in Soladum brechen zusammen. Nur der Sonnenpatron und andere Weiße wissen, wo sie sich befinden. Aber stirbt das Wissen mit jeder Generation aus.“ Er betrachtete den Armreif ein letztes Mal und wog ihn leicht in seiner Hand. Wie lang hat er ihn mit sich geführt, gehütet und versteckt? „Nimm ihn. Erzähle nicht einmal Achim davon.“ Rasch streckte er Thomas den Reif zu.

      Der Adept nahm ihn ernst entgegen. Er spürte scharfe, ungeschliffene Kanten. Zwei lange, unbemusterte Schlangendrachen streckten sich über und nebeneinander auf je zwei Sonnen am Reif zu. Ansonsten wirkte das Stück plump. Das sollte dem Sonnenpatron gehört haben?

      Thomas steckte den Reif achselzuckend