Danny Fränkel

Soladum - Suche des Sonnenpatrons


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und wandte sich dem Rauminneren zu. „Nun zur Einweisung. Die Seance wird zeigen, wie du Theorie mit Praxis einen kannst.“

      Nach der Vorarbeit holte Laudanius die Schamanen zurück ins Zelt und verknotete es von innen. Keiner durfte bei einem Ritual den Raum verlassen – höchstens als Freiseele.

      Die Vier setzten sich vor die Wasserschüsseln. „Seid ihr bereit für die Voraussicht?“, fragte Laudanius.

      „Für einen Blick in die Zukunft?“, schmunzelte Achim. „Immer gern.“

      Cheviot nickte ernst und begann als erster – nach Einnahme einer weichen Margeritenblüte – zur Wasserschüssel zu summen.

      Die anderen taten es ihm gleich.

      Laudanius’ Sicht verschwamm, als sich das kehlige Brummen des Chors zum Singsang eines Schamanenliedes einte. Wie lang hatte er es nicht mehr gehört? Zuletzt mit Alena, seiner Frau.

      Ihr Brummen wurde um jeden Herzschlag derart intensiv, dass sich das Wasser der Schalen kräuselte. Tropfen sprangen von der Mitte auf, tanzten auf und ab. Ihre Energien durchdrangen die Sphären zwischen Geist und Ritus.

      Plötzlich riss Laudanius entsetzt die Augen auf. „Nein!“, und zog die anderen in ihre Körper zurück. Zudem begann die Erde unter ihn zu beben. Laudanius keuchte. Seinen Augen schnellten hektisch in jede Ecke. Er bekam kaum Luft. Da riss er sich hoch. Die anderen waren noch von Sinnen, Cheviot brummte weiter.

      Das Zelt begann unter einem starken, heulenden Sturm zu zittern. Selbst der Weltenbaum ächzte. „Zu spät!“

      Mit zitternden Gliedern packte er Thomas barsch am Arm, zog die benebelte Gestalt zu einer offenen, massiven und dicken Truhe an der Seite … und schupste ihn hinein. Bevor Thomas die verwirrten Augen öffnete, stöhnte der Alte: „Sei still, egal was passiert“, und knallte den Deckel zu.

      Kaum fasste er einen neuen Gedanken, wurde ihm heiß.

      Knall auf Fall fegte eine grelle Feuerwalze durch den Zelteingang, verbrannte die Felle binnen von Sekunden und warf ihn und die zwei Schamanen zu Boden. Laudanius’ Kopf fiel hart auf. Er sah den Eichenwald, der um ihn herum loderte – niedergebrannt bis auf die schwarzen Stämme. Der Alte schnaubte mit einem Zorn, der die gesamte Welt hätte auslöschen können.

      Neben der Enge und Finsternis in der Truhe hämmerte der letzte Ausruf des Alten in seinem Kopf. Nach krampfhaftem Wenden und Drehen gelang es ihm, die Truhenklappe einen Spalt zu öffnen.

      Thomas’ Erleichterung wurde von Schock verdrängt: Vor ihm züngelten einzelne Flammenmeere. Das Zelt war weg. Was ihn beunruhigte, war, dass die drei Schamanen leblos dalagen. Ihre Kutten und Haare dampften und ihre Haut war verschmort.

      Bevor er aus der Truhe springen konnte, duckte er sich: Ein metallisches Klappern kam näher. ‚Schritte?’

      Damit drängten sie sich das erste Mal in sein Blickfeld: Schwebend, nebeneinander aufgebäumt, sowie mit schwarz-silbernen Bein- und Armpanzern. Alle Drei waren ebenso von strahllosen Kutten umhüllt. Auf ihren kapuzierten Häuptern thronte je eine in die Höhe gestreckte Maskenfibel, die ihre stämmigen Gestalten größer wirken ließ. Auf den lang gezogenen Spitzen zierte eine runde Kugel mit Augen, die in jede Richtung zuckten und wie die aus Rosswell-Filmen aussahen. Thomas’ Magen verkrampfte sich.

      Bevor er sich fragte, was die Wesen wollten, umringten sie die Schamanen und zogen jeden einzelnen hoch. Laudanius war als einziger wach und spuckte der Gestalt ins verdeckte Gesicht. „Ihr verdammten Landplagen!“, schrie er, worauf die anderen die zwei Schamanen fallen ließen.

      Eine klappernde, kehlige Stimme ertönte von dem, der Laudanius’ Hals hielt: „Welch liebliche Begrüßung, alter Mann. Da hat man sich ein Jahrhundert nicht gesehen. Mir würde etwas Dezenteres einfallen.“

      „Was wollt ihr von uns? Reicht es euch nicht, die bewohnten Teile Soladums zu unterjochen? Das hier ist lebloser Grund.“

      Plötzlich schoss Thomas ein Blitz durchs Gehirn: ‚Die drei Dominantoren?!’ Er musste ein Stoßatmen unterdrücken.

      „Leblos?“, zischte einer der anderen Dominantoren und zeigte ringsherum. „Dieser Wald hat unsere Späher erst auf dich aufmerksam gemacht.“

      „Verschwindet! Ihr wisst, dass wir drei Schamanen zusammen machtlos sind.“

      „Ihr allein hattet damals auch genügend Macht, um uns in diese Welt fliehen zu lassen.“

      Thomas stieß beinahe gegen den Deckel.

      Laudanius ließ bitter den Kopf hängen. „Ja … gepeinigte Kreaturen ward ihr einst. Immer wieder hörte ich euer Flehen aus den Felsspalten, Baummulden und Quellen. Sogar im Traum hörte ich euch.“

      „Du warst eben der einzige, der die Tore öffnen konnte“, wisperte ein anderer.

      Schließlich riss Laudanius den Kopf hoch. Seine Augen glühten zornig. „Ihr wusstet, dass eine neue Übergangszeit in Soladum eintrat. Das habt ihr ausgenutzt! Zu Neujahr haben Cheviot und ich euch dummerweise eingelassen.“ In zerfransten Wildhäuten staken sie einst, kaum zum Sprechen fähig und verwundet durch die Folter ihres Königs, nur weil sie seine Tyrannei stürzen wollten. „Dann erkanntet ihr die Schwächen unseres Volkes, unserer sonnigen Ordnung.“

      Der Dominantor zog Laudanius höher. „Du musst zugeben: Wir waren wie Freunde. Ihr habt uns diese Welt und ihr Gefüge erst erläutert. Welch schöne Zeit. Gib es zu, alter Mann!“

      „Vergeudete Zeit!“, spuckte dieser. „Zu viel habe ich euch beigebracht.“

      Ihre Reaktion war ein krächzendes, gurgelndes Gelächter.

      „Lasse uns nicht mehr schwärmen.“ Der vordere Dominantor drückte seine Gurgel zu. „Unsere Weissagerin meinte, dass du wieder eine Kreatur eingeschleust hast. Jemand mit solcher Macht, dass er“, und schwang die freie Hand zu den lodernden Strünken, „diesen Wald wachsen ließ.“

      „Angeblich ein Schamanenkind“, zischte der andere.

      „Aha“, tat Laudanius. „Und wo soll dieser Schamane sein? Diesen Wald ließ ich durch meine Experimente so schnell wachsen, um euch mit der umgekehrten Technik aufzuhalten!

      Er konnte die Ratlosigkeit hinter ihren Kapuzen spüren. Die Augen ihrer alles sehenden Maskenfibeln zuckten umher und suchten nach dem vierten Schamanen-Mal. Laudanius schmunzelte. ‚Fluch und Gabe zugleich, Thomas.’

      „Damit wolltest du uns aufhalten?“, wisperte der dritte Dominantor.

      Laudanius’ Hand glitt langsam in die Kuttentasche. „Damit … und mit dem Armreif des Sonnenpatrons!“

      Abrupt verkrampften die Bestien. Die Erste stieß ihn meterweit davon. Kaum traf er auf, schnellten die Bestien zu ihm und rissen den Mantel von seinem Leib. „Bastard!“, wisperten sie. „Du hast unser Kommen vorausgesehen.“ „Aber nicht schnell genug.“ „Wo …?“ Sie zerfetzten die Kutte. „Wo ist er?!“, rief ein Dominantor.

      „Weggeworfen … in den Fluss Richtung Ozean, damit ihr ihn nie bekommt. Der Anblick … hätte … euch verletzt, aber nicht genug.“ Trotz seiner Schmerzen hoffte Laudanius, dass Thomas alles genau verfolgte. Dann wurde seine Miene hart und kraftlos. „Ja … ich habe euer Kommen vorausgesehen … und … meinen Tod.“

      Die Dominantoren bäumten sich auf. Einer nach dem anderen lachte: „Wohl wahr.“ „Dein Tod ist endgültig.“ „Sterbe hier in Schmach, wie die anderen Versager.“ „Welch schöne Zeit.“ Somit drehten sie sich um und überließen Laudanius seinem Schicksal.

      Um ihre Risiken auszulöschen, streckten sie – ihre Rücken zu einem Dreieck gerichtet – die Arme aus.

      Thomas beugte sich vor Schreck hinter, und fiel plötzlich in ein Loch im Truhenboden.

      Draußen bildeten sich Feuerzungen um die drei Dominantoren, vergrößerten sich … und stoben in einer Walze in alle Richtungen.

      Hitze,