Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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      Sie lächelte bestätigend.

      Plötzlich überwältigte mich eine fremde, völlig unbekannte Empfindung. Als ob ein Wimpernschlag zwei Teile zusammengefügt hätte, fühlte es sich wie die Rückkehr eines verloren geglaubten Zwillings in mein Innerstes an.

      Elin nickte. „Ein Teil deiner Seele, in dem sich das Vermächtnis der Elben befindet, ist erwacht und erkennt mich. Das ist ein gutes Zeichen. Komm nun, alles ist bereit. Sieh selbst, ob es deinen Wünschen entspricht.“

      Kaum hatten wir unseren gemeinsamen Rundgang begonnen, kapitulierte ich jedoch. In der Küche, als spontan gewählter Zufluchtsort, ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. Alles war zu viel. Mein Inneres gab sich heftig aufgewühlt, eine Dosis, die bereits völlig ausgereicht hätte. Obendrein befanden sich im Haus keineswegs ausschließlich neue Möbel. Um mich herum standen, lagen und hingen Dinge aus meiner Küche, da war ich mir sicher. Und im Wintergarten standen eindeutig meine Zimmerpflanzen. Großes, erschöpftes Fragezeichen.

      Elin trug ein Teetablett herüber. „Ja, mit meinem heiß geliebten blauen Teeservice.“ Ich schloss meine Augen und genoss das beruhigende Getränk.

      Gerade als ich die Elbe fragen wollte, wie meine Sachen hierher gekommen waren, erklang ihre Stimme. „Ich kann über Gegenstände wirken.“ Sie lächelte abermals. „So musst du nicht mehr umkehren.“

      „Aber ich kann es auch nie mehr“, dachte ich mit hochbrodelnder Panik. „Und all der Aufwand, bloß damit die Menschen ein paar Nachrichten von den Sternelben erhalten?“ Sollte ich eher an ihnen oder an mir zweifeln?

      Nachdem die Teekanne keinen Tropfen mehr hergab, wollte ich den Tisch abräumen.

      Elin erschien. „Lass mich das erledigen.“

      „Aber nein, du bist doch keine Dienerin“, wehrte ich entgeistert ab.

      „Es verursacht keinerlei Mühe.“ Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung ihrer Hände verschwand das Teeservice.

      Jetzt war ich restlos platt! „Das ist doch mal eine echt praktische Fähigkeit“, platzte ich laut heraus. „Entschuldige.“

      Die Elbe bedachte mich mit einem unergründlichen Blick. Eindeutig war ein heißes, entspannendes Schaumbad überfällig. Im Hinausgehen wagte ich noch einen kurzen Blick in den riesigen Kühlschrank. Voll bis oben hin mit Leckereien. Gab es irgendetwas, das sie noch nicht über mich wussten? Meine hyperaktive Zweifelecke konnte ich erst in der Badewanne ruhigstellen.

      „Weiß und blau. Mitternachtsblau, azurblau, blaugrün, blaugrau, aber keine hellblaue Kleidung. Das wäre auch wirklich das Letzte!“ Der begehbare Kleiderschrank enthielt keineswegs meine alten, übergroßen Klamotten, sondern wunderschöne neue Hosen, Pullover und Unmengen weiterer Sachen. „Wieso Kleider? Trage ich doch nie. Weiß und blau, hmmh.“ Da kein Kommentar in meinem Kopf erklang, musste ich halt später nachfragen. Mangels Pyjamas schlüpfte ich in ein langes Nachthemd aus weißer Seide und ging hinunter in die Küche.

      Keine Spur von Elin, inzwischen herrschte draußen Dunkelheit. Vom Esstisch her duftete es verführerisch nach Tomatensuppe, meiner Leibspeise. Ein Salatteller und ein Schälchen mit Zitronencreme ergaben mein köstliches Abendessen. „Woher weiß die Elbe all diese Dinge über mich?“, bedrängte mich abermals eine besorgte innere Stimme auf meinem Weg ins Schlafzimmer. „Hier fehlen aber noch Vorhänge oder Rollos an den Fenstern. Ach nein, sie wollen ja bestimmt wachen.“ Und damit schlief ich ein.

      Aus dem Buch „Inghean“

      Ahnt der schwarze Fürst die bevorstehende Rückkehr seiner ärgsten Feindin? Seine Sklaven kriechen durch die nächtlichen Straßen. Mir scheint, es werden immer mehr.

      Einige Tage später befand sich mein Innenleben wieder einigermaßen im Gleichgewicht. Das Wetter tendierte in den letzten Februartagen zu matschiggrau. Hoffentlich kam bald der Frühling. Jedenfalls wollte ich an diesem Tag unbedingt Santa Christiana besuchen, die Kirche fehlte mir seltsamerweise. Seit dem Vortag stand ein funkelnagelneuer Kleinwagen in der Garage, die Sternelben wollten es so. Allerdings verspürte ich keine Lust, damit durch die Stadt zu fahren. Ein eigenes Auto hatte ich nie zuvor besessen. Wozu sollte man so was in Berlin auch benötigen, außer um unnötig viel Zeit im Stau zu vertrödeln?

      Auf dem Weg zur S-Bahn ging ich im Kopf den Fragenberg durch, der sich zwischenzeitlich dank unserer stillschweigend vollzogenen Kommunikationspause angesammelt hatte.

      Die Kirchentür stand offen, drinnen sah der Priester nach dem Rechten.

      „Hallo, Pater Raimund“, grüßte ich ihn.

      „Hallo, Lilia! Wie geht es Ihnen?“

      „Gut, zumindest wenn Sie mich nicht rausschmeißen“, erwiderte ich keck.

      „Um Himmels Willen, warum sollte ich.“ Er zögerte. „Hätten Sie später vielleicht Lust auf einen Kaffee, wenn Sie in der Kirche genug gefroren haben?“

      „Sag zu“, riet elbischer Gesang.

      „Gute Idee. Aber noch lieber auf Tee.“

      Das Licht umarmte mich, während ich mit geschlossenen Augen horchte. Die Lichtwesen sangen mir ein Lied über die Elben aus längst vergangener Zeit vor und erinnerten mich auf diese Weise an meine Aufgabe. In den vergangenen Tagen hatte ich keinen einzigen Gedanken daran verschwendet.

      Umgehend bekam ich ein ordentlich schlechtes Gewissen. „Bitte sagt mir, was ich für euch tun kann.“

      Erfreut gaben sie Auskunft. „Lilia, um das Tun und Lassen der Menschen begreifen zu können, musst du ihre Gefühle und Empfindungen verstehen, ihre Seelen hören lernen.“

      Statt einer Antwort schickte ich ausgiebiges Seufzen gen Himmel. Die alte Abneigung gegen Kontakte zu meinen Mitmenschen meldete sich. Tatsächlich hielt ich mich bei dieser Aufgabe für die ungeeignetste Person in ganz Berlin.

      Mit großem Ernst riefen sie mich zur Ordnung. Die Sternelben hofften, ich würde rasch jene tiefgreifenden Veränderungen meiner Persönlichkeit akzeptieren und nutzen, die sie nach ihren speziellen Wünschen vorgenommen hatten. Zu mir meinten sie nun lediglich: „Dir mangelt es an Selbstvertrauen.“

      „Dann bitte ich euch darum, sonst werdet ihr nur weiter enttäuscht.“

      Sie schienen besänftigt.

      Also fragte ich, wie das Lernen am besten funktionieren würde – und beantwortete die dumme Frage gleich selbst. „Unter Menschen gehen, natürlich.“

      Die Sternelben summten amüsiert. „Du kannst nachher bei Pater Raimund üben.“

      „Okay, das dürfte für einen ersten Versuch kaum allzu schwierig werden“, stimmte ich erleichtert zu. Eine andere Geschichte brannte mir unter den Nägeln. „Ist Elin ganz allein hier?“

      Traurig erklangen daraufhin ihre Stimmen. „Die wenigen verbliebenen Elben haben sich vor ewigen Zeiten auf eurer Erde verteilt. Sie wachen seither einsam und unsichtbar über das Böse, so gut sie es vermögen. Ihr Opfer ist unermesslich für euch.“

      Mein Herz verkrampfte sich bei dieser ungeheuerlichen Vorstellung, bis mir Tränen über das Gesicht liefen. Doch bald schon würde ich mich mit grenzenlosem Zorn an ihre Antwort erinnern.

      Eine weitere, nagende Frage bohrte sich hervor, obwohl ich ihre Antwort fürchtete. „Bin ich auch allein oder konnten andere Menschen ebenfalls das Buch lesen?“

      „Du bist allein. Nur weil sich das Erbe deiner Elbenahne in dir erhalten hat, erkannte dich das Buch. Wir haben lange auf dich gewartet.“

      Elektrisiert richtete ich mich auf. „Ihr wusstet, dass dies alles passieren würde?“

      „Die Macht des Lichtes reicht weit.“

      Aber