Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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wie weit mein Vorsatz gediehen ist, die fünf Millionen Euro von meinem Konto sinnvoll unter die Leute zu bringen.“ Der Drucker fing zwar nicht an zu qualmen, ratterte aber gefühlt eine Viertelstunde vor sich hin.

      Muss ich das wirklich noch niederschreiben? Der aktuelle Kontostand betrug glatte fünf Millionen. Das machte mich regelrecht unglücklich. „Du bist echt krank im Kopf“, kommentierte mein Alter Ego.

      Beklommen steuerte ich auf das Café vis-à-vis zu. Eigentlich zu voll besetzt für meinen Geschmack, trieb mich der Durst dennoch hinein. Eine unvorstellbare Flut aus Gefühlen und Empfindungen jeder erdenklichen Couleur brandete mir entgegen, überrollte mich, dass meine Sinne kollabierten. Irgendwie kam ich hinaus und lief in Panik fort.

      Die Lichtwesen hatten meine Fähigkeit, die Gefühle von Menschen zu lesen, so absurd verstärkt, dass es mich fast um den Verstand brachte.

      Hinterher konnte ich mich kaum erinnern, wie ich nach Santa Christiana gelangt war. Schluchzend brach ich neben dem Altar zusammen, gnädig sangen mich die Sternelben in tiefen Schlaf.

      Als Pater Raimund gegen 23 Uhr von einem Leichenschmaus zurückkam, wobei ihn dieses Wort anekelte, durchfuhr ihn wegen des Lichts in der Kirche ein mächtiger Schreck. Zunächst Einbrecher vermutend, schlich er sich näher an die Tür. Das magische Licht verschwand. Er tastete routiniert nach dem Lichtschalter. Gelbtrübes Licht erhellte den Altarraum. Soweit auf den ersten Blick erkennbar, fehlte nichts. „Moment, sollte eventuell die junge Frau …?“ Entsetzt schnappte der Priester nach Luft, bevor er mich entschlossen an der Schulter berührte. Benommen schlug ich die Augen auf.

      „Gütiger Himmel, Lilia, was tun Sie denn um diese Uhrzeit hier?“

      Wahrheitsgemäß gestand ich, eingeschlafen zu sein.

      „Kommen Sie, ich fahre Sie nach Hause.“

      Widerspruch war zwecklos.

      Eine halbe Stunde später lieferte mich Pater Raimund am Gartentor ab.

      „Danke! Bis morgen.“

      Er sandte leichte Verwirrung aus.

      Im Gartenhaus brannte kein einziges Licht. Kein Abendessen stand auf dem Tisch, stattdessen befanden sich diverse Töpfe auf dem Herd.

      „Wo ist Elin?“

      „Sie wacht.“

      „Erst essen, dann reden.“

      Leichter gesagt als umgesetzt. Wo befanden sich Besteck, Teller, Suppenkelle und ähnlich Notwendiges? Am Ende standen sämtliche Schubladen und Schranktüren offen. Fehlte noch der Wein. „Wo? Im Kühlschrank? Mist, kein Wein im Haus“, meckerte ich leise vor mich hin. „Sekunde mal, die Vorratskammer.“ Beim Anblick des gut sortierten Weinregals musste ich sofort wieder an den Bettler denken. „Im Luxus schwelgen, aber dann in deinen eigenen vier Wänden nicht auskennen“, stellte ich mich genervt in den Senkel. „Kannst du dir gleich für morgen vornehmen.“ „Was du heute kannst besorgen …“, lästerte mein Alter Ego. „Ruhe! Essen!“

      Als der Kamin und einige der erworbenen Kerzen brannten, machte ich es mir mit bereits dem zweiten Glas Rotwein auf der Couch gemütlich. „Verratet ihr mir, warum Elin immer bei Dunkelheit fortgeht?“

      Die Sternelben lieferten eine genauere Auskunft, als am Ende verdaubar war: „Ihre Aufgabe ist es, über die Stadt zu wachen, damit das Böse in der Finsternis kein allzu leichtes Spiel hat.“

      „Aber was genau tut sie?“

      „Elin kämpft gegen Dämonen.“

      Der Schreck fuhr mir derart heftig in die Knochen, dass Rotwein auf den Teppich schwappte. „Allein?“

      „Keine Sorge, seit ungezählten Jahrhunderten tut sie nichts anderes.“

      Während mein Adrenalin im Herztakt hochkochte, hörten sie sich an, als hieße das Thema des Abends kunstvolles Schaufechten. Zum ersten Mal machten sie mich wütend, was den Sternelben keineswegs entging.

      Halb bestürzt, halb verständnislos ob meiner Aufregung nahmen sie einen zweiten Anlauf: „Das Licht und die Finsternis sind ebenso Gegenspieler wie Elben und Dämonen auf eurer Erde. Das ist der ewige Kampf, aufgezwungen von der finsteren Macht.“

      „Aber warum hören sie nicht einfach auf?“

      „Wegen der Menschen und wegen des Sternsilbers“, psalmodierten sie. „Beide sind untrennbar miteinander verbunden. Der Dämonfürst tötete die Elbenfürstin und gelangte so in den Besitz ihres kostbarsten Schatzes, wie du in dem Buch gelesen hast. Nur wenn die Elben ihm die Menschen überließen, würde er das Sternsilber im Gegenzug eintauschen.“

      Eine schlimme Vorahnung überfiel mich. „Wie hieß die Elbenfürstin?“

      „Ihr Name ist dein Name.“

      Meine grauen Zellen verweigerten die Annahme des mysteriösen Brockens, fragten stattdessen weiter. „Warum wacht Elin gerade hier in Berlin, was ist mit dem Rest des Landes?“

      „Hier herrscht die größte Gefahr, denn die Macht des Dämonfürsten ist gewaltig, wo er weilt.“

      Das verschmierte Glas in meiner Hand begann zu zittern. „Er ist hier?“

      „So ist es.“

      „Und wenn der Dämonfürst nun Elin tötet?“, rief ich entsetzt.

      „Das darf niemals geschehen!“ Unerwartet schnell zogen sich die Sternelben jetzt zurück.

      Zwischen Wahrheit und Wahrheit liegen endlose Weiten. An diesem Abend überspannten sie den Bogen, die Folgen würden fürchterlich sein.

      In der endlich einsetzenden Morgendämmerung zwitscherte ein Vogel unbekümmert sein Frühlingslied. Doch in meinem Kopf echote wieder und wieder der Sterngesang: „Ihr Name ist dein Name.“ Als versuchten Befreiungsschlag stieß ich die Terrassentüren weit auf. Elin erschien. Eine Kaskade der Gefühle rauschte durch meine Seele.

      „Ah, sie haben es dir erzählt.“ Spürbar mitgenommen, sichtbar durch ein leichtes Flackern ihres geschwächten Lichtes, setzte sie sich mir gegenüber.

      „Wann und wo schläfst du überhaupt, Elin?“

      „Das entspricht nicht unserer Art.“

      Ich hob die Augenbrauen.

      „Geh schlafen, Lilia“, wehrte sie ab und ich fügte mich.

      Bloß um im Bett hellwach über die unbedeutendste aller Winzigkeiten nachzugrübeln. Angeblich lebte ich in einer Stadt mit Dämonen. Wollte, konnte oder musste ich die Behauptung schlucken?

      Der Schlaf brachte wirre Albträume von schwarzen Monstern.

      Obwohl längstens vier Stunden im Bett gewesen, flüchtete ich hinunter in die Küche.

      Dort warteten mein verspätetes Frühstück und Elins unergründlicher Lupenblick.

      Allerdings war mir der Appetit vergangen, zu vieles lag mir im Magen. „Elin, wie kann ich dir helfen?“

      Überraschend floss mir Zuneigung entgegen. „Die Zeit dafür wird kommen. Lerne, Lilia, das ist jetzt deine Aufgabe.“

      „Aber das hilft dir doch kein bisschen!“

      „Nun, wenn du die Magie bezwingen lernst, dann schon.“

      „Du meinst, dann musst du für mich nicht ständig das Kindermädchen spielen?“, neckte ich.

      Sie reagierte zwar abwehrend, der Kern darin stimmte jedoch erkennbar. „Seit langen Jahren mied ich Menschenkontakte. So vergaß ich, wie verschieden unsere Seelen sind.