Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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Reaktion fiel drastisch aus. „Hat das Licht dich gelehrt, deinen Geist zu verschließen?“

      „Äh, nein?!“

      Genau dies vollführte die Elbe nun abrupt. Trotzdem meinte ich zu spüren, dass sie den Sternelben ordentlich den Marsch blies.

      Wenige Augenblicke später ordnete Elin an: „Geh noch heute in die Kirche.“

      Das wollte ich ohnehin. „Üben wir vorher noch Magie?“, fragte ich hoffnungsvoll.

      „Nur, wenn du endlich frühstückst.“

      Unsere magischen Übungen traten diesmal zu meinem Frust gänzlich auf der Stelle. Endlich gab ich genervt auf und löste den Vorsatz aus der vergangenen Nacht ein, Stück für Stück mein Heim zu erkunden. Richtig pingelig vom Keller bis ins Observatorium. Erwähnenswert ist an dieser Stelle einzig das verschlossene Minizimmer im ersten Stock. Nach meiner Erinnerung lag auf der Nordseite nur eine dunkle Abstellkammer. Die Tür knisterte vor Magie! Umgehend befragte ich die Elbe. Hinter der Tür befand sich ihr Zimmer!

      Empört und beschämt schimpfte ich wie ein Rohrspatz: „Du kannst es dir aussuchen, entweder die Gästewohnung oder besser noch das Observatorium mit Sternenblick.“ Mit wild in der Luft schlackerndem Zeigefinger drohte ich hintendrein: „Etwas anderes kannst du dir aus dem Kopf schlagen.“

      Die Elbe zeigte sich gerührt. Doch erst als ich mit Essensverweigerung drohte, gab sie sich trällernd geschlagen. Leichten Herzens ließ ich sie allein.

      Sonnenschein und Vogelgezwitscher empfingen mich vor dem Haus, der erste Frühlingstag. „Ach, jetzt müsste der Brunnen plätschern. Und Frühlingsblumen müssen ebenfalls unbedingt her. Vielleicht finde ich morgen Zeit, ins Gartencenter zu fahren.“ Wozu stand schließlich ein Auto in der Garage? Kaum hatte ich den Brunnen passiert, sprang darin Wasser melodisch über kleine Kaskaden. „Danke, Elin!“

      Auf dem Weg zur S-Bahnstation überlegte ich, wie sich das Innenleben der Fahrgäste in dem Zug am besten ignorieren ließe.

      Verkrampft nahm ich im Waggon einen Stehplatz mit Fensterblick ein und versuchte energisch, meine Gedanken fest auf Santa Christiana zu richten. Dennoch drangen auf mich Lust und Frust, Neugier und Apathie, Hoffnungen und Kummer wie angesogen ein.

      Zweimal stieg ich unterwegs bebend aus und holte zehn Minuten mühsam Luft, bis der nächste Zug kam. Zu guter Letzt hatte ich mein Ziel mit übel ramponierten Nerven erreicht.

      „Abgeschlossen, auch das noch!“ Was blieb anderes übrig, als am Pfarrhaus zu klingeln.

      Anstatt eines ‚Hallo, wie geht es Ihnen‘, schimpfte der öffnende Priester: „Werfen Sie, salopp ausgedrückt, immer derart mit Geld um sich?“

      Offensichtlich war meine Spende für die wertvolle Orgel auf dem Gemeindekonto eingegangen.

      Schlagfertig gab ich zurück: „Es heißt schließlich Geben und Nehmen und nicht Nehmen und Nehmen.“

      „Da ich nun ganz unverschämt zwei Mal genommen habe, wie sehen Ihre Forderungen an mich wohl aus?“, konterte er schelmisch.

      Gespielt erschienen tiefe Furchen des Nachdenkens auf meiner Stirn. „Sie bekennen sich freiwillig schuldig, also mildernde Umstände“, spannte ich ihn auf die Folter. „Wie wäre es mit lebenslanger Freundschaft? Ja, ich denke, das wäre eine angemessene Strafe.“

      „Das ehrt mich zwar, scheint mir aber ein zu geringer Preis.“

      Eine vage Eingebung verleitete mich zu dem mit Nachdruck vorgetragenen Satz: „Unterschätzen Sie niemals echte Freundschaft, sie könnte Ihnen Ungeahntes abverlangen!“

      Von meiner plötzlichen Ernsthaftigkeit überrumpelt, brachte Pater Raimund lediglich ein zustimmendes Nicken auf die Reihe. Ich lächelte sanft. Das ermutigte ihn wiederum.

      „Und der zweite Preis?“

      „Na, Sie nehmen es aber ganz genau. Also gut. Jederzeit Zugang zur Kirche?“

      „Abgemacht. Sie erhalten den Zweitschlüssel.“ Mein neuer Freund verschwand und tauchte wenige Augenblicke später mit dem Schlüssel auf. „Allerdings dürfen Sie ihn auf gar keinen Fall verlieren, sonst komme ich in Teufels Küche.“

      „Lass den Schlüssel hier“, rieten die Lichtwesen.

      Folgsam sagte ich zu dem Priester: „Ein sicheres Versteck an der Kirche wäre mir lieber.“

      Gemeinsam gingen wir hinüber und wählten schließlich eine unauffällige Stelle, wo sich ein Ziegelstein aus dem porösen Mauerwerk gelöst hatte.

      „Leisten Sie mir zur Belohnung nachher Gesellschaft bei einer Tasse Tee?“

      Sein interner Ringkampf aus brennender Neugier und priesterlicher Demut brachte mich ungewollt zum Schmunzeln. „Sicher, dass es sich bei einer Tasse Tee mit mir um eine Belohnung handelt? Dann bis nachher.“ Damit öffnete ich die Kirchentür und ließ ihn perplex zurück.

      „Lilia, wie schön, dass du gekommen bist“, empfingen die Sphärenheiligen mich säuselnd.

      „Ups, das klingt fast nach einem schlechten Gewissen der Sternelben.“

      „Dir Qualen zu bereiten lag uns fern, bitte verzeih.“

      „Schon okay, auf jeden Fall waren die dramatischen Erfahrungen mit menschlichem Seelenleid lehrreich. Eure Hilfe nehme ich dennoch dankbar an.“ Diese günstige Gelegenheit musste beim Schopf gepackt werden. „Wo wir gerade beim Thema sind, könntet ihr mir beim Erlernen der Magie auch ein bisschen unter die Arme greifen?“

      „Die Magie wohnt dir inne, du musst sie lediglich erkennen lernen.“

      Eine herbe Enttäuschung. „Ich möchte Elin doch furchtbar gerne helfen“, quengelte ich gequält.

      „Du sorgst dich um sie“, stellten sie mit Wohlwollen fest.

      „Ja, sehr.“

      Die Sternelben nahmen das in mir stetig wachsende Gefühl einer unbestimmten Bedrohung auf. „Lerne, Lilia, das ist unser bester Rat an dich. Schon bald wirst du eine Aufgabe erhalten, die dir den Sinn vergegenwärtigt.“

      Ungeniert ratterte ich auf ihr Stichwort hin die nächste Wunschliste herunter: „Bis dahin benötige ich ganz sicher mehr Geschicklichkeit und Schnelligkeit – und perfektes Englisch, um meine Allgemeinbildung aufzumöbeln, und …“

      „Halte ein!“ Doch die Lichtwesen erfreuten sich an meinem Bestreben, das Beste aus mir zu formen.

      Leider fehlten darunter jene Wünsche, die sie als Top Ten für eine Halbelbe favorisierten.

      Aus dem Buch „Inghean“

      Das Menschenkind mag noch so lernwillig sein, niemals wird es den Fähigkeiten einer Elbe auch nur nahe kommen.

      Aufgetankt mit lichtener Energie strebte ich dem avisierten Tee entgegen.

      Die Haushälterin öffnete. „Willkommen, der Herr Pfarrer telefoniert, aber ich soll Sie schon mal reinbringen. Mögen Sie Aprikose-Nusskuchen?“ Ohne Punkt und Komma redete sie fröhlich weiter. Es sprudelte nur so aus ihrem guten Herzen hervor, welches garantiert schwerlich zu erschüttern war.

      „Lilia, ich dachte schon, du kommst nicht mehr vorbei.“

      Wie leicht ihm das Du jetzt über die Lippen kam! „Ich hatte eine Menge zu klären.“

      Raimund fixierte mich. „Du tust es. Richtig? Du redest mit ihm.“

      Sein Gefühlscocktail entlockte mir ein Lächeln. Halb ohnmächtig, halb ehrfürchtig, gewürzt mit einer klitzekleinen Prise Neid. Wir setzten uns an den gedeckten Tisch, bevor ich antwortete: „Nein, mit ihnen.“

      Der Groschen fiel bei ihm mit