Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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könnte ich! Morgen fangen die Maler an, am Samstag wollen wir dann einziehen.“

      „Super! Falls ihr Hilfe benötigt, einfach klingeln“, verabschiedete ich mich erleichtert.

      Aus Vorfreude strahlend wie eine Schneekönigin, wetzte ich heim unter die Dusche. Mit Jay und Schorsch würde sich das Vorderhaus von seinem düsteren Dasein verabschieden. Und ich bekäme bestimmt tolle Freunde. Die Augen während meiner Haarwäsche schließend, kehrte augenblicklich meine Erinnerung an die Sternelben zurück. „Richtig, ihr Auftrag, gleich nach dem Frühstück.“

      Vor der PC-Tastatur fand ich ihre Aufgabe doch ziemlich knifflig. Ich sollte eine eMail an Kriminalhauptkommissarin Katja Rainer schreiben. Wie sie mir erklärt hatten, ging es zunächst darum, ihr Vertrauen zu gewinnen. „Und wie stellt man das bei einer Kommissarin an? Mit Fakten!“ In meinem Gedächtnis befanden sich sämtliche ekelerregenden Details über einen Mord, begangen vor knapp drei Monaten. Die Ermittler tappten völlig im Dunkeln, der Fall würde ungeklärt bleiben. Es sei denn, ich half nach. Von Polizeiarbeit verstand ich null. Einschlägige Fernsehkrimis kamen mir grundsätzlich nicht auf den Bildschirm. Und die vor Jahren zeitweilig in Unmengen verschlungenen Kriminalromane lagen sicher weitab der Realität. Jedoch konnte ich mir zusammen reimen, dass Genauigkeit den entscheidenden Schlüssel darstellte. Am vernünftigsten also, ich schrieb eine Liste. „Mal sehen. Erstens alles über den Täter, zweitens über den Mord, drittens existierten noch unbekannte Zeugen. Und das Wichtigste wären ja wohl die Beweise. Okay, los geht’s.“

      Das Projekt verschlang Stunden. Irgendwann schaute Elin vorbei und sagte etwas von Mittagessen. Da ich unten nicht auftauchte, stellte sie die Müslischale auf meinen Schreibtisch.

      „Essen, oder ich ziehe den Stecker raus“, drohte sie mit erhobenem Zeigefinger.

      „Ja, ja, gleich.“

      Eine Stunde später wollte sie Ernst machen, deshalb riss ich mich kurz von der Arbeit los. Müsli kauend guckte ich die bislang fünf ordentlich gegliederten Seiten nochmals durch. „Name – du hast die Adresse des Mörders vergessen!“

      Als ich endlich auf „Senden“ klickte, ging bereits die Sonne unter.

      Katja Rainer warf einen kurzen, ungnädigen Blick durch ihr schmales Bürofenster auf eben jenen Sonnenuntergang, während sie ihre eMails durchging. Sie würde wahrscheinlich mal wieder bis Mitternacht im Kommissariat über den Akten brühten müssen.

      Kaum hatte sie sich widerwillig umgedreht, sah sie den Eingang in ihrem persönlichen eMail-Konto. „Wer zum Kuckuck … woher hat die Absenderin meine geheime eMail-Adresse?“, ärgerte sie sich laut.

      In der Betreffzeile stand: Infos zum Mordfall Emma Steiner.

      Sie öffnete den Anhang, eine PDF-Datei mit sieben Seiten, und scrollte automatisch den Text herunter. „Verdammt, für solche dämlichen Scherze bin ich die Falsche.“ Die Kommissarin wollte schon auf die Löschtaste gehen – und stutzte: „Das kann niemand wissen, die Infos zur Tatwaffe haben wir zurückgehalten.“

      Rasch stand ihr instinktiv gefasster Entschluss fest, am Samstagmorgen einen einzigen Versuch zu starten. Lag die Tatwaffe nicht an der detailliert beschriebenen Stelle im Schlachtensee, würde sie die Absenderin ausfindig machen und ihr den Marsch blasen. Ihr unbestechlicher Instinkt glaubte etwas anderes.

      Der Samstag startete mit strömendem Regen. Mit einem Teebecher in der Hand stand ich nachdenklich im Wintergarten und schaute den hinabperlenden Tropfen zu. „Wie abscheulich, bei solch einem Sauwetter umziehen zu müssen. Ich wünschte von Herzen, die Sonne würde für Schorsch und Jay herauskommen.“

      Sie tat es eine Viertelstunde später, ohne dass mir aufging, warum. Kurz entschlossen zog ich meine Joggingsachen an und spurtete zum Stadtwald los. Keine zwei Straßenecken weiter goss es wie aus Kübeln. „Na super, also gebe ich heute mal wieder die Freilaufschwimmerin, nörgelte ich.“

      Eine gute Stunde später bog ich triefend nass um die Ecke unserer Straße und lief in strahlenden Sonnenschein hinein. „Verrückt!“

      Nach der heißen Dusche erzählte ich Elin beim Frühstück von den Wetterkapriolen.

      Sie schalt mich wie ein Kind. „Wirklich, Lilia, inzwischen müsstest du das doch besser wissen. Kapriolen! Dann mach es halt sorgfältiger, wenn du dich schon einmischst.“

      „Du willst mich auf den Arm nehmen!?“

      „Das widerspräche meinen Umgangsgepflogenheiten“, gab die Elbe trocken zurück.

      „Ich soll die Sonne hervorgelockt haben?“

      Mit verärgertem Kopfschütteln verschwand Elin. Mein Kopf hingegen gab die rote Laterne. Scheibchenweise schwante mir, wieviel Verantwortung und noch mehr Risiken elbische Magie mit sich brachte. „Lilia, die Wetterhexe“, spottete mein Alter Ego.

      Mittags parkte Katja Rainer ihren Privatwagen ein Stück entfernt. Offensichtlich fand in dem Haus gerade ein Umzug statt. „Protzbau“, dachte sie beim Anblick des Vorderhauses. „Passt wie angegossen zu dem exzentrischen Namen. Wer sonst nennt seine Tochter Lilia Joerdis!“ Die Möbel sahen allerdings ziemlich schick aus, stellte sie beim Blick in den Lkw fest, unerschwinglich schick.

      „Wollen Sie nachschauen, ob Ihre Truppe ordentlich arbeitet?“ Ein verdammt gutaussehender Mann stand im Hauseingang und sah ihr erwartungsvoll entgegen.

      „Äh, nein, ich suche Frau van Luzien.“

      „Ach, Lilia! Da sind Sie hier falsch“, deutete Schorsch nach links, „sie wohnt im Gartenhaus“.

      Katja klingelte am Tor, das sofort geräuschlos aufschwang. Und selbstverständlich registrierte sie die gut getarnte Überwachungskamera.

      Die Sternelben warnten rechtzeitig vor meiner Besucherin. Gespannt saß ich nun am Küchentisch, wo Tee und Sandwiches bereit standen. „Katja, der Name kommt aus dem Russischen von Katharina, ‚die Reine‘. Und Raimund bedeutet ‚Schützer nach dem Rat der Götter‘“, fuhr ich grinsend fort. Georg ist ‚der Wachsame‘.“ Weiter kam ich mit dem merkwürdigen Befund über die Namen meiner neuen Bekanntschaften nicht.

      Der Monitor zeigte eine mittelgroße, durchtrainierte, ungefähr dreißigjährige Frau. Praktischer kurzer Haarschnitt, wachsame braune Augen. „Na dann!“

      „Hallo, ich bin Lilia.“

      Zögernd ergriff sie meine ausgestreckte Hand. „Hauptkommissarin Rainer.“

      Sie folgte mir in die Küche.

      „Bitte, setzen Sie sich doch.“

      Die Kommissarin registrierte den gedeckten Tisch. „Anscheinend erwarten Sie Besuch, dann will ich es kurz machen“, meinte sie widerstrebend.

      „Nein, ich habe Sie erwartet“, erwiderte ich lächelnd und schenkte Tee ein. „Probieren Sie die Sandwiches, eine Spezialität des Hauses.“

      Meinen Gast beschlich ein beunruhigendes Gefühl. Die Kommissarin versuchte, mir fest in die Augen zu schauen, konnte ein irritiertes Blinzeln aber nicht verbergen. „Sie – Sie haben mir eine eMail geschickt.“

      Geduldig wartete ich ab, bis sie herausplatzte: „Woher stammen diese Informationen, Frau van Luzien? Taucher haben heute Morgen die Tatwaffe geborgen.“

      Klar hatten sie das. Und in diesen Minuten suchte ihr Team gezielt nach den anderen Beweisstücken von meiner Liste. „Bitte, nennen Sie mich einfach Lilia.“ Auf zum schwierigeren Part. „Ich muss Sie um einige Zeit und reichlich Geduld bitten, bevor ich Ihre berechtigte Frage beantworten werde.“

      Die Kommissarin wollte protestieren, beschwichtigend hob ich die Hand. „Würde ich Ihnen in diesem Moment die Wahrheit an den Kopf werfen, nähmen Sie mir kein einziges Wort davon ab.“

      Wieder