Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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ein unübersehbarer Lichtschein um mich schimmerte.

      Raimund stierte. Ruckartig zog er den Vorhang wieder zu, nur um ihn fünf Sekunden später erneut beiseite zu zerren. Eine bockige Stimme in seinem Innern tönte: „Und sie ist doch ein Engel!“

      Da saßen Elin und ich bereits im Wagen und fuhren davon.

      Aus dem Buch „Inghean“

      Die Seelenschmelze wurde in der vergangenen Nacht vollzogen. Noch ist das Menschenkind ahnungslos, wen es nun in sich trägt und welche Bürde damit verbunden ist.

      Die Hiobsbotschaft über Raimunds morgendliche Beobachtung erwischte mich beim Frühstück. „Du musst zu ihm“, befahlen die Sternelben.

      Irrsinnige Kopfschmerzen malträtierten mich.

      „Rufe nach Elin, sie kann den Schmerz lindern.“

      „Doch nicht deswegen, sie soll sich erholen.“

      „Lilia, tu es.“

      Das war mir wahnsinnig peinlich, aber die Elbe winkte ab und setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch. „Ein klarer Fall von Energiemissbrauch. Leg deine Hände auf meine.“

      Vertrautes Kribbeln erfasste meine Hände.

      „Ich zapfe dich ein wenig an“, erklärte Elin.

      Zum Zeitvertreib sang sie ein Elbenlied über die Sterne. Der Schmerz verschwand.

      „Bitte, kann ich dir jetzt vielleicht helfen?“

      „Möchtest du das wirklich?“

      Mutig bejahte ich.

      „Dann will ich mich mit den Sternelben beraten.“

      Im selber Einbrocken hielt ich die einsame Spitze.

      Raimund wartete in schierer Seelennot auf mich, berichteten die Sternelben auf dem Weg zum Pfarrhaus. Einmal vor der Tür noch tief Luft holen. Klingeln. Die Haustür wurde derart schnell aufgerissen, als hätte der Priester dahinter gestanden.

      „Lilia.“ Er musterte mich von oben nach unten und rückwärts, begleitet von einer lupenreinen Gefühlskakophonie. Dank Elin gab ich zwar keine Leuchtboje mehr, was Raimund dennoch keineswegs beruhigte. Im Gegenteil, jetzt traute er seiner eigenen Beobachtung vom Morgen kaum mehr über den Weg.

      „Darf ich trotzdem hereinkommen?“

      „Äh, ja natürlich.“

      Kaum saßen wir an dem runden Tisch, redete ich Klartext – wie üblich ohne gründliche Überlegung. „Raimund, ich bin kein Engel. Ein Teil von mir ist elbisch, deswegen habe ich heute Morgen geleuchtet.“

      „Elbisch?!“

      „Engel sind …“

      „Elbisch?“

      „Sekunde, lass mich ausreden. Also, es hat nie Engel mit Flügeln und all dem Zeug gegeben, sondern es sind Elben. Ein alter Übersetzungsfehler der Mönche. Verstehst du? Der Rest ist einem Übermaß an menschlicher Fantasie geschuldet.“

      Ein einziges, gigantisches Fragezeichen saß mir gegenüber.

      „Raimund“, nahm ich den nächsten Anlauf, „die Elben sind nicht aus Fleisch und Blut. Sie benötigen zum Leben die Energie des Lichts“. Nochmal tief Luft holen. „Da ich nun mal weder ganz Mensch noch ganz Elbe bin, benötige ich beides, Essen und Licht. Vergangene Nacht bekam ich sozusagen von Letzterem eine Überdosis ab und deshalb habe ich geleuchtet.“

      „Sind?!“

      „Himmel, an welcher Stelle ist er denn jetzt?“, fragte ich verzweifelt in die Sphäre.

      „Lilia, er hat vernommen, dass es noch immer Elben gibt.“

      „Verd… !“ Nächster tiefer Atemzug. „Mensch, Raimund, du weißt es doch längst, hör auf dein Herz, deine Seele!“

      Mit hängendem Kopf saß er da, minutenlang. Geduldig trank ich Tee.

      „Du hast Recht, bis auf meinen Verstand habe ich es erkannt. Aber wo sind sie?“, fragte er flehentlich.

      Traurig sah ich ihn an und schüttelte nur meinen Kopf.

      Er glaubte zu verstehen. „Wir Menschen sind schuld. Richtig?“

      „Ja und nein. Doch diese Geschichte mag ich jetzt nicht über meine Lippen bringen. Die vergangene Nacht war grauenerregend.“

      Mitleidig schaute er mir in die Augen. Eine Frage lag jedoch so glühend auf seiner Seele, dass sie hinaus musste: „Sprichst du in der Kirche mit diesen Elben?“

      „Ja, mit Sternelben. Sie lehren mich, damit ihr Erbe in mir wachsen kann. Denn sie benötigen meine Hilfe.“ Beinahe hätte ich sarkastisch angefügt: weil der Teufel los ist.

      „Lilia!“, trillerte die Sphäre tadelnd.

      „Schon gut, ich bin still.“ Trotzig fügte ich hinzu: „Elin und ich benötigen mal Ferien von dem ganzen Horror.“

      Nach dem verpatzten Gespräch mit dem Priester trottete ich in die Kirche, auf ein Donnerwetter gefasst.

      Ihr Licht schien diesmal kaum stärker als ein Sonnenstrahl. Die Sternelben gingen jedoch über meine Hitzköpfigkeit gnädig hinweg. Stattdessen sangen sie mir ein Lied über den Kampf zwischen Elben und Dämonen. Ich lauschte aufmerksam.

      „Lilia, du weißt, lediglich zu Anbeginn kämpften sie mit Blitz und Feuer. Diese gewaltige Macht ist ihnen genommen.“ Dann erzählten sie mir, wie die Elben lernten, aus ihrem inneren Licht eine Waffe zu formen. Zudem ersonnen sie die Kunst des Schwertkampfes. Die tückischen Dämonen benötigten weit weniger Zeit als gedacht, um die neuen elbischen Fähigkeiten in Schwarz zu kopieren. Das Gemetzel zwischen ihnen ging weiter.

      Ihre Geschichte klang für mich so lange wie von einem anderen Planeten, bis dies kam: „Dein Mut ist noch wankend, doch soll dich Elin im Gebrauch des Lichts und in anderen Fertigkeiten unterrichten.“

      Warum beschlich mich das untrügliche Gefühl, dass sie mit ihrer Entscheidung haderten?

      In der Tat wendete sich das Blatt allzu schnell, der Dämonfürst spielte mit Elin – noch. Von dem wahren Ausmaß der vor mir liegenden Geschichte kannte ich damals kaum mehr als den Buchdeckel.

      Kapitel 5

      Elin leistete mir Gesellschaft, indem sie zum Frühstück ein Lied über das Lichtschwert Hormin sang. Es diente allein der Elbenfürstin, führte sicher ihre Hand, bewachte seine Herrin auf Leben und Tod. Viele Jahrhunderte lang währte der letzte Kampf zwischen ihr und dem Erdfürsten der Dämonen. Als er den grausamen Sieg errang, verschwand Hormin mitsamt Joerdis.

      Unverzüglich vergaß ich die angeknabberte Brotscheibe, war völlig in ihrer Geschichte gefangen. Der Dämonfürst schien seit meinem ersten „Buchtag“ wie eine Klette an meinen Eingeweiden zu haften. „Was will er? Oder ist die Frage schon falsch?“ Logisch betrachtet, war es ein Unding, dass ausgerechnet ich gegen unterirdische Monster antrat. Und selbst Elin, eine echte Elbe, besaß keine ausreichende Stärke, es mit dem Fürsten aufzunehmen. „Wie löst man gleich noch den berühmten gordischen Knoten?“ Ich schluckte und antwortete mir selbst: „Mit dem Schwert!“

      Die ganze Zeit über beobachtete Elin mich genauestens. Trotz meines rechtzeitig verschlossenen Geistes musste meine Mimik wohl Bände gesprochen haben.

      „Mit ungelegten Eiern lässt sich nicht jonglieren“, suchte sie mich abzulenken.

      „Wo hast du denn den Spruch aufgegabelt?“

      Sie lächelte kurz, kam aber direkt