Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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meine ehrliche Antwort, innerlich leicht schwitzend.

      „Sie konnten nicht wissen … ich wusste ja selbst nicht … bis vor dem Tor.“

      „Langsam, Lilia, sie ist ein Mensch!“ Sphärische Ermahnungen waren zum jetzigen Zeitpunkt ziemlich überflüssig.

      „Setzen Sie sich erst mal hin und nehmen Sie einen ordentlichen Schluck.“

      Zu meiner Erleichterung gehorchte die Kommissarin, wenn auch kopfschüttelnd.

      Kurze, hochkonzentrierte Denkpause, dann fasste ich einen Entschluss. „Katja“, redete ich sie mit Vornamen an, „du spürst instinktiv, dass bei mir einige Dinge auf eine Weise ablaufen, die sich deinem Kopf verschließt“.

      Sie stimmte kaum merklich zu.

      „Dein Instinkt liegt richtig. Aber bevor dein Verstand bereit ist, dies ebenfalls zu akzeptieren, braucht er Zeit. Das deutete ich bereits bei unserem ersten Treffen an.“

      Erneutes Nicken. Große Pause.

      „Kannst du so etwas wie Hellsehen?“ Die Frage musste aus ihr raus.

      „Meinst du?“, fragte ich sachte, „mit einem ‚Ja, so ähnlich‘ würdest du irgendwann klarkommen?“

      Ihre Hände zitterten leicht, schließlich rang sie sich ein heiser gehauchtes „glaube schon“ ab.

      Der Rest des Sonntags verging rasend schnell. Wie an einer Perlenkette aufgereiht, fanden stetig neue Mordslisten ihren Weg in den PC.

      Am Abend trat der erste Fall seine Reise in Katjas Büro an. Traurig würde sie lesen, dass das kleine Mädchen längst tot in einem brandenburgischen Waldstück lag. Wenigstens ihre Leiche würde die Polizei nun für die verzweifelten Eltern bergen und den Mörder festnageln. „Wie gut, mich nur als unbeteiligte Dritte mit solchen Gräueltaten befassen zu müssen.“ Das versuchte ich mir zumindest einzureden. Heftiges Gähnen und knurrender Magen brachten mich zu der Überzeugung, für heute genug geleistet zu haben.

      Es klingelte.

      „Och nö, was denn nun noch?“

      Jay grinste auf dem Monitor. Erleichtert öffnete ich ihm die Tür.

      „Hallo, Lilia, ist zwar ein bisschen kurzfristig, aber hast du Lust auf Abendessen bei uns? Wir weihen die Küche ein.“

      „Klasse! Eine Sekunde, wir nehmen ein paar Flaschen Wein mit.“

      „Wie war das gleich mit den Namen und ihrer Herkunft? Jay heißt laut Geburtsurkunde eigentlich Corentin, wie er in einem schwachen Moment verriet. Corentin bedeutet ‚Freund‘.“ Ich strahlte vor guter Laune. Wie der Namensreigen wohl weitergehen mochte?

      Als wir die Treppenstufen vor meinem Gartenhaus hinunter gingen, blieb Jay abrupt stehen. „Äh, Lilia, ich will ja nichts sagen, aber du bist noch barfuß.“

      Verdutzt schaute ich auf meine nackten Füße. Das Elbenkind fühlte sich pudelwohl so. Grinsend zuckte ich mit den Schultern. „Egal.“

      Früh am Dienstag weckte Elin mich erbarmungslos auf.

      „Was’n los?“, nuschelte ich verschlafen.

      „Raus mit dir, Schlafmütze. Wenn du Tee willst, bevor Katja anruft, dann solltest du dich sputen.“

      „Puh. Schläft Katja denn nie?“

      „Doch, aber viel zu wenig“, versetzte Elin streng.

      Mein prompt schlechtes Gewissen verleitete mich zu dem Gedanken: „Vielleicht kann ich sie ja etwas entlasten.“

      „Ja, das kannst du allerdings“, bekräftigte die Elbe, während sie die Fenster aufstieß.

      „Brrrrh!“ Schleunigst verschwand ich im warmen Badezimmer. Das war auch so eine Geschichte. Elin konnte wirklich alles mit Magie bewerkstelligen, doch mit dem größten Vergnügen nahm sie manche Dinge selbst in die Hand.

      „Hallo, Katja. Was gibt es?“

      „Sie – du hast als Adresse des Täters eine Tulipanstraße angegeben. Die existiert gar nicht“, kam von ihr säuerlich zurück.

      „Ups, tut mir leid, die liegt in dem großen Marzahner Neubaugebiet, hat dein Navi wahrscheinlich noch gar nicht auf dem Schirm.“

      „Das Gebiet kenne ich“, stellte sie erleichtert fest, „alles klar, danke“.

      Mir drückte auch etwas auf die Seele. „Katja, tust du mir bitte einen großen Gefallen? Nenne niemals meinen Namen, sag einfach, du müsstest deine anonyme Quelle schützen. Geht das?“

      „Versprochen!“ Bislang wäre es ihr ohnehin nie im Leben eingefallen, einem Kollegen oder gar ihrem Vorgesetzten von mir zu berichten.

      Am späten Abend beendete ich den dritten ungelösten Fall für die Mordkommission. Noch eine halbe Stunde für die Essensvorbereitung, dann würde Katja läuten. Ihr Faible galt der italienischen Küche, also zauberte ich Minestrone, Ciabatta und überbackenes Fischfilet mit Penne, dazu Rucola.

      Sie aß so genießerisch konzentriert, dass ich schmunzeln musste. „Möchtest du noch Wein?“

      „Nein danke, ich muss leider noch fahren. Aber hättest du eventuell einen Espresso?“ Satt und zufrieden lehnte sie sich zurück.

      „Ups. Was jetzt?“

      „Frag sie“, ermunterten mich die Lichtwesen.

      „Wenn du dafür mutig genug bist, kann ich Espresso magisch ordern. Ansonsten müsste ich probieren, irgendwie eigenhändig Kaffee auf die Reihe zu kriegen.“ Forschend blickte ich Katja an. Sie hatte eindeutig das Zeug zu dieser Mutprobe.

      „Hast du gerade ‚magisch ordern“ gesagt?“ Ihre Augen spiegelten den inneren Kampf zwischen sich verhört haben wollen und der glasklaren Gewissheit, richtig verstanden zu haben.

      „Habe ich.“

      Halb gespannt, halb angespannt kam: „Na, mach schon.“

      Absichtlich erschien der Espresso mit einigem Abstand drüben auf der Anrichte. Katja keuchte. In beruhigendem Ton erklärte ich den Unterschied zwischen Zauberei im Zirkus und magischer Lichtenergie.

      „Aber wieso kannst du das?“

      Gute Frage, nächste Frage. „Das ist eine sehr lange, komplizierte Geschichte“, wich ich unbeholfen aus. „Ich verspreche dir, du wirst sie später einmal erfahren.“

      Denn dafür würde Katja ein anderes Kaliber von Mut brauchen. Immerhin, bislang schlug sie sich tapfer.

      In den folgenden Wochen mailte ich der Kommissarin etliche Aufklärungsarbeiten. Beispielsweise zu einem Bandenkrieg im Wedding mit tödlichem Ausgang, einem Raubmord in der City West und einer Wasserleiche im Wannsee. Meine detailreiche Dauerbeschäftigung mit Gewalt, Hass und Mord mündete in beinahe allnächtlichen Albträumen über bluttriefende Messer, Mörderfratzen oder Wasserleichenzombies. Schweißgebadetes, manchmal von Schreien begleitetes Aufwachen wurde fast notorisch. Stück für Stück blieb meine Lebensfreude auf der Strecke.

      Allmählich erregten die spektakulären Erfolge der Kriminalpolizei ein größeres Interesse bei den Medien. Katja erwies sich als besonnen genug, ihrem Chef und dem Team sämtliche Lorbeeren zuzuschieben. Die Achtung, besonders der männlichen Kollegen ihr gegenüber, stieg dadurch beträchtlich. Gut so. Leider schwollen deren Fragezeichen bezüglich ihrer anonymen Quelle genauso beträchtlich an. Eine tickende Zeitbombe.

      Nach Ansicht der Sternelben näherte sich rasch der Zeitpunkt für den nächsten, heiklen Schritt: ein Mord, der bereits geplant, aber noch nicht geschehen war. Das sollte ich Katja begreiflich machen.

      Die Lichtwesen wirkten geradezu nervös und beschieden mich mehrmals,