Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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Zurückhaltung fahren und mich zulangen ließ.

      „Ihnen?“, wiederholte er tonlos.

      „Was soll ich ihm sagen?“, erbat ich Hilfe.

      „Sehr behutsam die Wahrheit, Lilia.“

      Erst nachdem mir die Sternelben mehrfach versichert hatten, dass Raimund weder durchdrehen noch sonstige Dummheiten anstellen würde, verließ ich das Pfarrhaus. Heftigster Zweifel nagte an mir. „Habe ich wirklich das Richtige getan?“

      „Er musste es erfahren.“

      „Warum?“

      „Weil der Priester einer der wichtigsten Menschen in deinem Leben sein wird.“

      „Die Wahrheit hat ihn hart getroffen“, bedauerte ich.

      „Er wird daran wachsen.“

      „Versprochen?“

      „Im Namen des Lichts!“

      Elin war bereits fort, noch ein Kummer mehr. Das Abendessen ignorierend, ging ich rastlos im Haus umher. Meine Gedanken schweiften zurück an den Anfang dieser Geschichte. „Stell dir mal die Vorher-Nachher-Frage“, forderte ich mich beinhart heraus. „Vorher gab ich ein verhuschtes, zurückgezogenes Wesen, das für die Menschheit so unwichtig wie eine ferne Galaxie war.“ Jetzt befand ich mich seekrank auf einem fremden Schiff, unterwegs zwischen menschlichen Wirrungen und himmlischem Treiben. Ziel unbekannt. „Verdammt, der Preis lässt sich in Geld kaum mehr messen.“ Würde die Geschichte am Ende von Leben oder Tod erzählen? „Sei vernünftig, tot ist am Ende jeder.“ „Nicht der Dämonfürst“, erwiderte mein Alter Ego trocken. „Hör auf!“ Gleichgültigkeit. Wieso empfand ich plötzlich Gleichgültigkeit? „Weil du dich endlich in dein fremdbestimmtes Schicksal zu fügen beginnst.“ Na, dann konnte ich jetzt genauso gut essen.

      „Guten Morgen, Elbenkind.“

      „Hmmh?“

      Noch halb verschlafen, konnte mich Elin herrlich auf die Schippe nehmen. Mit in die Hüfte gestemmten Händen stand sie am Fußende des Bettes.

      Meine gegähnte Antwort: „Erst Tee.“

      Die Elbe erinnerte mich an die Party meines Nachbarn. „Heute Abend wirst du endlich mal eins deiner schönen Kleider anziehen.“ Darüber schien sie völlig aus dem Häuschen zu sein.

      „Wieso, was hast du gegen Hosen?“

      „Lilia, deine Schönheit ist elbengleich, das darfst du ruhig zeigen.“

      „Okay, dann kannst du mich ja für das große Ereignis ankleiden“, meinte ich spöttelnd.

      Die Aufforderung sollte ich bereuen. Na ja, nicht ernsthaft.

      Wir setzten den magischen Unterricht fort. Diesmal flogen sämtliche Gegenstände, ohne den Nebeneffekt heftiger Schweißausbrüche, an jeden gewünschten Ort innerhalb des Hauses. Der Wasserkocher füllte sich zum ersten Mal von selbst, der Tee zog – bis er ungenießbar war. Üben, üben, üben.

      Danach forderte Elin mich mit einer völlig neuen Aufgabe heraus. „Schließ die Augen, stell dir den Supermarkt vor, konzentriere dich auf die Kühlschränke, fixiere dein Lieblingsjoghurt, rufe es.“

      Mit zusammengekniffenen Augen, gefurchter Stirn und maximaler Konzentration verharrte ich minutenlang wie in Stein gemeißelt.

      Die Sauerei war unbeschreiblich! Etwa ein halbes Dutzend Gläser, gefüllt mit je 500 Gramm Joghurt, zersplitterte auf dem Küchenboden. Immerhin, wir blieben unverletzt und schüttelten uns vor Lachen. Elin schlenkerte sauber.

      „Hast du Lust, gleich mit ins Gartencenter zu kommen?“

      Ein Wimpernschlag mit Traurigkeit füllte Elins Augen.

      „Tut mir leid!“

      „Nicht doch, wie lieb von dir, zu fragen.“

      So eine dämliche Idee, ich kam mir richtig gemein vor. Zerknirscht schob ich allein ab.

      Drei Wagenladungen und mehrere Stunden später stand der halbe Platz vor dem Gartenhaus voll mit Pflanzen. Hungrig wie eine Löwin ging ich hinein. Elin sang gerade ein Elbenlied über ihre Liebe zu den Blumen.

      Während das Essen zunächst meine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte, bemerkte ich irgendwann doch noch das elbische Schweigen. Den Löffel halb in der Luft belassend, fragte ich hastig: „Ist etwas geschehen?“

      „Nein. Wie kommst du darauf?“

      „Los, raus damit, dir brennt etwas auf der Seele.“

      „Dir bleibt rein gar nichts mehr verborgen.“

      „Und?“ Meine Augenbrauen flogen bis zum Haaransatz hinauf.

      „Dürfte ich eventuell helfen, die Blumen einzupflanzen?“, brach Elin doch noch ihr Schweigen. Das Maß ihrer mitschwingenden Sehnsucht passte auf keine Skala. Geradezu göttlich, wen wunderte es.

      „Dürfen? Ich bestehe darauf!“ Wundervoll, Elin ein echtes Geschenk bereiten zu können.

      Kurze Zeit später betraten wir den angenehm von der Sonne erwärmten Platz.

      „Wenn du magst, lehre ich dich einiges Wissen über Pflanzen“, bot die Elbe an. „Zuvor musst du jedoch einen Schwur leisten.“

      Ein dickes Fragezeichen erschien in meinem Kopf.

      „Schwöre beim Licht, dass du dir niemals wünschst, die Sprache der Pflanzen zu lernen. Denn du würdest an ihren Qualen sterben.“

      Meine Augen glitten kurz über die Einkäufe und ich verstand. „Ich schwöre es! Die Blumen leiden in Plastikgefäßen, das war mir schon immer klar“, stellte ich fest, um nicht als totales Dummchen da zu stehen.

      Elin nickte.

      „Na dann, ran an die Buddelarbeit.“ Erst in diesem Augenblick, echt typisch, dämmerte mir: Nie zuvor hatte ich Blumen in Beete gepflanzt.

      Nebenbei erzählte Elin: „Pflanzen sind den Menschen in manchem ähnlich. Da gibt es schüchterne und robuste, empfindliche und dominante, Sonnenhungrige und Nachtgewächse. Jede versucht, nach ihrer Art und Bestimmung zu gedeihen. Pflanzen und Tiere brauchen einander, sie geben und nehmen im komplizierten Kreislauf des Lebens.“

      „Aber manchmal läuft auch einiges aus dem Ruder“, warf ich ein und dachte an Blattläuse, Raupen, Schnecken oder sonstige Gärtnerplagen.

      „Die Natur stellt das Gleichgewicht immer wieder her“, erläuterte Elin. „Nur wo Menschen große Schäden anrichten, versagen ihre Heilkräfte.“

      „Ja, wir Menschen kriegen alles kaputt, wie ich das verabscheue.“

      Erstaunt sah Elin auf.

      „Na, ganz auf den Kopf gefallen war ich in meinem früheren Leben nicht“, brummte ich zu ihrer Erheiterung.

      Bis zum frühen Abend gestalteten wir nach Elins präzisen Wünschen die Beete rund um mein Haus neu.

      „Wie wäre es jetzt mit Currysuppe, Baguette und Salat?“, schlug Elin vor.

      „Das klingt total verlockend.“

      „Und danach zügig unter die Dusche, damit wir dich noch ankleiden können“, bestimmte sie.

      Sofort zog ich einen Flunsch. Höchstens nach Dämonen stand mir weniger der Kopf, als diese doofe Party des Nachbarn zu besuchen. „Ach du lieber Himmel, ich habe ja gar kein Geschenk!“

      Ratlos blickte ich Elin an, die bloß schlenkerte.

      „Was