Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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Whisky.“

      „Den kann der Widerling getrost allein trinken. Trotzdem herzlichen Dank für die Rettung, Elin.“

      Ohne Begeisterung trödelte ich nach oben. Die Elbe sandte mir noch ihre Botschaft hinterher, sie wolle in der Zwischenzeit einen Schutzzauber für alle Pflanzen über den Park legen.

      „Stell dich hier vor den Spiegel und schließ die Augen“, wies Elin mich an.

      An meinem Körper verspürte ich den Kleiderwechsel, dann eine zarte Berührung im Gesicht, zuletzt Bewegung in meinen langen Haaren.

      „Erledigt!“

      Vorsichtig lugte ich unter meinen frisch getuschten Wimpern hervor. Das dunkelblaue Samtkleid umschmeichelte meinen Körper, ein Hauch von Makeup unterstrich meine Augen. Die Haare hatte Elin raffiniert mit einer Silberspange aufgesteckt, wobei einzelne Locken wie zufällig herausfielen. Zauberhaft. „Reichlich übertrieben für den Anlass, oder?“

      „Das ist doch nicht für ihn, sondern für dich“, lächelte Elin. „Fehlt nur noch dies.“ Sie hielt einen schmalen Silberreif empor, an dem ein filigraner Stern aus blau glitzernden Edelsteinen hing. Für Schmuck besaß ich zwar keinen Sinn, doch er war wunderschön.

      „Das ist ein Amulett, Lilia. Es beschützt dich vor bösen Menschen. Sie können dir niemals zu nahe treten.“

      „Aber es gehört dir, das kann ich unmöglich annehmen“, wehrte ich ernsthaft ab.

      „Ich schenke es dir. Bitte, ich wäre beruhigt, wenn du das Amulett fortan immer trägst.“ Und damit legte sie den Reif um meinen Hals.

      Tief empfundene Dankbarkeit strömte ihr entgegen.

      Dem Widerling, sein Name war mir sowas von Wurst, quollen fast seine Augen aus dem Kopf, als ich vor seiner Tür stand.

      „Unsere Prinzessin!“, schleimte er und trat zurück. „Bitte komm hinein in mein bescheidenes Haus.“

      Schnell drückte ich ihm den Whisky in seine Hände, ließ ihn gaffend stehen und wanderte in sein Wohnzimmer von der Größe eines Ballsaales. Klobig protzige, pechschwarze Ledergarnituren dominierten, von den Wänden fuhren riesige Acrylgemälde ihre aggressiv grellen Farbkrallen aus. „Schaurig.“ Auf dem – natürlich schwarzen- Flügel klimperte ein Pianist mit gelangweilter Miene herum. Sofort war ich versucht, mir mit Rotwein, Cocktails oder sonst was Alkoholischem die Kante zu geben. Endlich registrierte ich die murmelnde Stille der zahlreichen Gäste. Sie stierten mich mehr oder weniger offen an. „Na toll.“

      „Liebe Freunde, darf ich euch meine reizende Nachbarin Lilia vorstellen. Sie hat jüngst mein herrliches Gartenhaus erworben.“ Ganz offensichtlich legte der Widerling nach.

      Doch bevor ich zumindest innerlich meiner Empörung über das aufgedrängte ‚Du‘ Luft machen konnte, geschah etwas Wundervolles. Wie eine aufplatzende Seifenblase, gefüllt mit reinem Licht, fühlte es sich an. Meine Seele flutend, verschwand die schwarze Seite meines Ichs. Hass, Neid, Schadenfreude oder Hohn, was immer darauf lauerte, mein Dasein zu vergiften, alles fortgespült. „Hallo, existiere ich noch?“, rief ich zaghaft in mich hinein. „Ja“, kam die gehauchte Antwort, „und es fühlt sich himmlisch gut an“.

      Ekstatisch jubilierend ließen mich die Sternelben minutenlang auf imaginären Engelsflügeln schweben. Wie meine vollkommene Entrücktheit wohl auf die anderen Partygäste wirken mochte? Die verstörende Antwort darauf erfolgte postwendend. Der widerwärtige Ausguss eben jener frisch getilgten Empfindungen prallte wie Pestilenz gegen meine Seele. Er stammte von etlichen der anwesenden Frauen. Derweil floss unbekümmert ein Smalltalk belangloser Nettigkeiten über mich hinweg.

      „Verschließe deine Seele, Lilia.“

      „Kann ich jetzt nach Hause?“

      „Geduld!“

      Mit eingefrorenem Lächeln betrachtete ich häufiger den schleichenden Zeiger der monströsen Wanduhr als die verlogenen Gesichter um mich herum. Kurz vor Mitternacht vernahm ich schließlich eine interessante Stimme. Sie gehörte zu dem eher unscheinbaren Mann in der hintersten Ecke. Anscheinend versuchte er, gelangweilt dreinblickenden Sitznachbarn seine Begeisterung für Fossilien zu vermitteln. Amüsiert ging ich näher heran.

      „Glauben Sie mir, wenn Sie Ihren ersten versteinerten Seeigel oder gar Trilobiten am Strand finden, packt Sie die Leidenschaft.“

      „Da kann ich Ihnen von ganzem Herzen zustimmen“, mischte ich mich in seinen Monolog ein.

      Wie er mich mit einem Wechselbad der Gefühle ansah! Wollte ich ihn verspotten? Plötzlich strahlte er. „Sie wurden als Lilia vorgestellt, nicht wahr. Mein Name ist Frank, genauer gesagt Professor Frank Welten.“

      „Freut mich, Professor.“

      Mehr als bereitwillig räumten gleich vier Gäste kopfschüttelnd ihre Plätze. Entspannt begannen wir Zwei eine angeregte Plauderei über unsere Leidenschaft für versteinertes Strandgut.

      So raste die Zeit auf drei Uhr morgens zu.

      Unser Gastgeber torkelte mit einer feurigen Rothaarigen im Arm heran. „Ich fahre das Schätzchen mal eben nach Hause. Bleibt, solange ihr wollt.“

      Ich intervenierte energisch: „Nehmen Sie ein Taxi, Sie können nicht mehr fahren!“

      „Keine Sorge, Prinzesschen, wir sind schon erwachsen“, kam leicht lallend zurück.

      Zweiter Versuch: „So seien Sie doch vernünftig.“

      Aber das Pärchen verschwand bereits winkend zur Haustür.

      Der Professor schüttelte unwillig seinen Kopf. „Stets übers Ziel hinaus, so war er schon immer.“

      Nachdem mein Retter des Abends, obwohl nüchtern, in einem Taxi davonfuhr, betrat ich den Kiesweg zum Gartenhaus. Leichter Frost lag in der Luft. Der Sternenhimmel zeigte sich über meinem Kopf, soweit er das Stadtleuchten durchdringen konnte. Um den stillen Anblick zu genießen, blieb ich stehen. Da schoss eine Gänsehaut wie stechende Eiskristalle über meinen gesamten Körper. „Was …?“ Es kam langsam auf mich zugekrochen, mehr als nur Grauen, bestialisch, höllisch. Erstarrt registrierte ich die nie zuvor erlebte Empfindung.

      Die Sternelben brausten panisch: „Lilia, ins Haus, sofort!“

      Rennend öffnete ich mit Magie die Haustür, krachend fiel sie hinter mir zu. „Licht an!“ Mit einem heftigen Handschlenker erstrahlte die gesamte Beleuchtung. Ich flüchtete mich in die Küche. „Was ist das?“

      „Ein Dämon streift umher, Elin ist auf dem Weg, warte.“ Die Sphärenfrauschaft hüllte mich in ihr Licht. Aber sie verheimlichten mir, dass es meine erstrahlte Seele war, die den herumstreunenden Dämon anzog. Vor allem aber verschwiegen sie, dass ihr Licht lediglich meiner Beruhigung diente. Gegen einen Dämon war es nutzlos schwach an diesem Ort.

      Mein Hirn wiederholte in Endlosschleife: „Ein Dämon? Ein Dämon! Ein Dämon? ...“

      Bestimmt eine halbe Ewigkeit saß ich zitternd am Küchentisch und starrte zu den Fenstern. Plötzlich erleuchtete ein gleißend weißer Blitz den Park, kurz darauf erschien die Elbe.

      „Bist, bist du okay? Ist der – ist er tot?“, brachte ich mit klappernden Zähnen mühsam hervor.

      Sie nickte und verschwand erneut.

      Antworten wollte ich selbstredend keine. Zwischen den Schüben eines Schluckaufs, sicherlich die körperliche Reaktion auf den Zustand meines Gehirns, gab ich mir nun absichtlich mit einer halben Flasche Rotwein die Kante.

      Aus dem Buch „Inghean“

      Es wird von Nacht zu Nacht schwieriger, die Dämonen von dem Heim des Menschenkindes fern zu halten. Meine Sternschwestern haben die Gefahr unterschätzt.